Spart Wasser – bleibt nackt!

Kolumne | Philipp Weber: Futterblog

Laut der Vereinigung Deutscher Gewässerschutz verbraucht der Deutsche mehr als 4000 Liter Wasser am Tag. Das kann man fast nicht glauben, oder? Ich hätte meinen persönlichen Verbrauch heute auf 70 oder 80 Liter geschätzt. Und zu meiner Studentenzeit lag der Wasserbedarf unserer gesamten Wohngemeinschaft bei höchstens 40 Litern. Verteilt auf drei Mann in zwei Semestern. Von PHILIPP WEBER

Klar, Wasser haben wir nie getrunken, das dreckige Geschirr wurde Ende des Monats im Altglascontainer entsorgt und die Wäsche … Naja, so oft ist die Mama ja auch nicht vorbei gekommen. Heute bin ich zivilisierter im Umgang mit Wasser. Aber 4000 Liter?

Dazu muss man wissen: Den größten Teil des täglichen Nasses verbrauchen wir heute virtuell. Als »virtuelles Wasser« wird das Wasser bezeichnet, das zur Herstellung von Konsumgütern benötigt wird. Das meiste Wasser kommt bei uns also nicht aus dem Hahn, sondern aus dem Einkaufwagen:
• 1 Liter brasilianischer Orangensaft = 22 Liter
• 1 Kilo spanische Tomaten = 40 Liter
• 1 Pfund Kaffee = 600 Liter
• 500g-Packung Rinderhack = 7500 LiterPhilipp Weber Wasser

Und schon schiebt man einen ganzen Swimmingpool vor sich her. Es ist erschreckend: Für ein Kilo Papier werden in der Herstellung ca. 2000 Liter Wasser verwendet. Das heißt, bei einem ungefähren Gewicht von 0,5 Gramm komme ich auf einen Wasserverbrauch von 1 Liter Wasser pro Blatt. Und wir reden hier nur von 1-lagigem Toilettenpapier. Es gibt ja auch 5-lagiges Toilettenpapier. Stellen Sie sich mal vor: Wenn Sie fünf Blatt 5-lagiges Toilettenpapier verwenden und Ihr Spülkasten zehn Liter umfasst, benötigen Sie 35 Liter Wasser, um 200 Gramm Kot durch die Kanalisation zu jagen. Das entspricht der Menge von vier Kästen Mineralwasser! Bei der Vorstellung würde ein Kamel in der Wüste Selbstmord begehen. Was für ein ökologischer Wahnsinn! Wenn Sie Wasser sparen wollen, dann bitte sparen Sie am Toilettenpapier und nicht beim Spülen. Wir Deutschen sind so versessen auf Wassersparen beim Spülen, dass die Kommunen zunehmend Probleme haben, weil die ganz Sch… in der Kanalisation stecken bleibt.
Klar, man muss nicht auf jedes Häufchen die Niagarafälle runterprasseln lassen. Aber das ist schließlich gutes Trinkwasser. (Auch so ein Wahnsinn. Trinkwasser in der Toilette. Ich komme aus einem sehr ländlichen Gebiet in Bayern, wenn man früher am falschen Tag in den Fluss geschissen hat, wurde man vom Bierbrauer erschossen.)

Aber man kann auch alles übertreiben. Ich kenne Menschen, die brauchen beim Spülen weniger Wasser, als sie beim Ausscheiden durch Schwitzen verloren haben. Dabei ist Spülen nicht soooooo schlimm. Es gibt viel schlimmere Verschmutzungen. Auch bei der Seife würde ich sagen: Gewisse Zugeständnisse an die Zivilisation müssen nun mal gemacht werden. Wenn Ihr Kind also im Angesicht der schäumenden Badewanne sagt: »Ich bin kein Ferkel, ich stinke für die Umwelt!« Lassen Sie sich von ihrem pädagogisch-hygienischen Auftrag nicht abbringen.

Wer das globale Wasserproblem verstehen will, muss außerdem lernen, in Kreisläufen zu denken. Der Gebrauch von Wasser muss nicht zwangsläufig zu einem Verlust an Wasser führen. Doch das Wasser muss ungefähr da der Natur zurückgegeben werden, wo man es entnimmt. Die größten Wasserverluste der Erde entstehen heute, weil der Wasserkreislauf unterbrochen wird. Um mal eine Bild zu wagen: Sie können so viel trinken, wie Sie wollen, wenn Sie in den eigenen Garten pinkeln, ist das in Ordnung. Wenn Sie mit voller Blase nach Amerika fliegen, ist das eine Sauerei.

Ich gebe zu: Der Vergleich ist etwas schief. Aber passiert im Grunde genau das bei einer Unmenge von Import-Produkten. Nehmen wir die Baumwolle. Ein Kilo Baumwolle verbraucht circa 4000 Liter Wasser. Dazu wird in Trockengebieten Wasser aus Tiefbrunnen auf die Baumwollfelder gepumpt. Doch nur ein kleiner Teil des Wassers wird von der Baumwollpflanze aufgenommen, das meiste Wasser verdunstet bei den hohen Temperaturen. Gleichzeitig sinkt der Grundwasserspiegel durch die Pumpbewässerung immer weiter ab, bis die Grundwasserreserven völlig aufgebraucht sind und auch die Bevölkerung nicht mehr mit Trinkwasser versorgt werden kann. Und die Wüste wird noch wüster …

Unter wasserpolitischen Gesichtspunkten gilt daher auch bei Klamotten: Weniger ist mehr! Es mag dem katholischen Hausfrauenbund vielleicht nicht schmecken, aber ökologisch betrachtet ist ein Tangastring besser als eine Kittelschürze. Und kaufen Sie in Secondhandläden ein! Anstatt neuer, teurer Funktionswäsche kramen Sie die alte Reichswehrunterhose vom Opa aus dem Schrank. Die hat Stalingrad schon überlebt. Dann kommen Sie damit auch ein Wochenende durch die Alpen. Das mag natürlich für viele Lebenspartner ein erotischer Affront sein, doch wahre Leidenschaft kann auch durch Feinripp-Unterhosen nicht gestoppt werden. Die Umwelt darf nicht unter diffusen, ästhetischen Bedenken leiden. Amen!

| PHILIPP WEBER

Reinschauen
Wer sich etwas nüchterner mit dem Thema auseinandersetzten will, geht doch als Einstieg auf:
http://www.virtuelles-wasser.de!
Webseite von Philipp Weber

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