Stone goes Moscow

Film | Politische Filmer: Oliver Stone

Oliver Stone wurde dreimal mit einem Oscar ausgezeichnet, seine Ferien verbrachte er schon als Kind regelmäßig bei seiner Großmutter in Frankreich, er ist unverkennbar europäisch eingefärbt. Sein Vater war Broker an der Wall Street und fiel dort heftig auf die Nase; dieses Ereignis legte der Sohn seinem verhalten börsenkritischen ›Wall Street‹ (1987) zugrunde. Für ›Platoon‹ (1986), in dem er seine Erfahrungen aus Vietnam verarbeitete, erhielt er den zweiten Oscar. Von WOLF SENFF

469px-Oliver_Stone_01Er ist ein bekennender Drogenkonsument. Hollywood ist bunt, dort schlägt das Leben koppheister, wir ignorieren das einfach und erwähnen lediglich noch, dass ihm für seinen ›World Trade Center‹ (2006) die republikanischen Kritiker applaudierten. Will sagen, er lässt sich nicht in eine linke Ecke abschieben.

Die vertraute Richtung neu gepolt?

Gut, er hat schon andere Projekte eingeläutet und wieder ausgeknipst, so etwas kommt vor, unvermeidlich, doch man hätte schon gern gewusst, was aus seinem ›Pinkville‹ von 2007 wurde oder werden soll, in dem er das Massaker von My Lai (16. März 1968) thematisiert, aber lassen wir das.

Zurzeit sorgt er für hektische Aufgeregtheit, er hat Janukowitsch besucht. Ja, in Moskau. Ja, den zu Putin geflüchteten Präsidenten der Ukraine. Was spielt sich ab? Der nächste Dissident, der die vertraute Richtung umdreht und aus den USA nach Moskau flieht?

Die Ereignisse am Maidan

Nicht wirklich. Es geht um sein neuestes Projekt. Er wurde vorsorglich bereits von Stephen Velychenko, der in Toronto/Kanada den Lehrstuhl für Ukrainische Studien innehat – Vorsicht! Es wird total international, wann meldet sich der Chinese zu Wort? –, durch einen in der ›Kiew Post‹ (sic!) veröffentlichten offenen Brief aufgefordert, die Finger von diesem Projekt zu lassen, das Böse ist immer und überall.

Aber Spaß beiseite. Es geht um die Ukraine, und man weiß, dass viele Maidan-Anhänger öffentlich darüber reden, dass die CIA bereits an der sogenannten Orangenen Revolution von 2004 beteiligt war; nicht einmal der erwähnte offene Brief stellt in Abrede, dass die CIA jahrelang das politische Geschehen in der Ukraine beeinflusste und weiterhin beeinflusst, von Victoria Nuland erfuhren wir kürzlich Genaueres.

Scharfschützen mit Anleitung

Oliver Stone interviewte in Moskau Wiktor Janukowitsch und äußerte in diesem Zusammenhang, dass die CIA den Putsch in Kiew inszeniert habe und dass er einen Film darüber drehen wolle. Gut, ein Projekt, weshalb die Aufregung.

Nun sprach aber Oliver Stone ausdrücklich auch darüber, dass von der CIA angeleitete Scharfschützen, vermutlich Georgier, aus einem von Parubi, dem gegenwärtigen Vize-Sprecher des ukrainischen Parlaments, kontrollierten Gebäude am Maidan hinterrücks Demonstranten und gleichzeitig Polizisten erschossen, um damit die Konfrontation und die Verwirrung gezielt anzustacheln. Was ihnen, wie man weiß, perfekt gelungen ist.

Nöte des Westens

Das sind Details, die seit langer Zeit im Schwange sind, an deren Aufklärung Scharfmacher aus nachvollziehbaren Gründen kein Interesse zeigten. Ein Film jedoch, zumal von einem politischer Parteinahme unverdächtigen Regisseur wie Oliver Stone, dürfte vom Publikum mit Interesse aufgenommen werden, und man darf jetzt schon neugierig sein, ob und wie hierzulande der Mainstream solch einen Film – sofern er denn zustande kommt – kommentieren wird.

Verstehen Sie, man hat den Eindruck, das Schwierigste für Leute jener Couleur ist, dass sie die eigenen Fehler erkennen, und dabei ist es so leicht: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, immer schon gewesen, normal lernt einer das in der Kinderstube.

| WOLF SENFF
| Foto: Towpilot

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