/

Für Zuckerwatte und hungernde Kinder

Roman | Ross Thomas: Der Messingdeal

Und weiter geht es mit der Ross-Thomas-Reihe im Berliner Alexander Verlag. Band 14 heißt Der Messingdeal und ist im Original 1969 unter dem Titel The Brass Go-Between erschienen. Zum ersten Mal taucht hier bei Thomas der weltläufig-gebildete »Mittelsmann« Philip St. Ives als handelnde Figur auf. Sein Erfinder hat ihm bis 1976 dann noch vier weitere Abenteuer gegönnt. Alle fünf St. Ives-Fälle erschienen übrigens zunächst unter dem Pseudonym Oliver Bleek – vielleicht um den Eindruck zu vermeiden, hier schriebe einer seine Bücher inzwischen gar zu routiniert herunter. Von einem Qualitätsabfall gegenüber dem Rest des Werks kann freilich keine Rede sein. Von DIETMAR JACOBSEN

Ross ThomasEin wertvoller Schild ist verschwunden – aus einer Ausstellung mit afrikanischer Kunst im Washingtoner Coulter Museum, das man in der Realität genauso wenig finden wird wie das kleine afrikanische Land, zu dessen nationalen Kulturschätzen der Schild gehört. Kurz darauf bieten die Diebe an, das Kultobjekt gegen eine Summe von 250.000 Dollar an das Museum zurückzugeben. Und sie haben auch gleich einen Vorschlag, wer dieses Geschäft zwischen ihnen und der Museumsleitung als »Mittelsmann« abwickeln könnte: Philip St. Ives nämlich, der schon mehrfach in ähnlich gelagerten Fällen so erfolgreich wie diskret unterwegs war.

Also holt sein Anwalt den Ex-Journalisten aus einer Pokerpartie heraus und schickt ihn von New York die amerikanische Ostküste hinab in die Hauptstadt am Potomac. Dort dauert es nicht lange, bis er des »Schilds von Komporeen« wegen von einer Reihe höchst undurchsichtiger Typen umgeben ist. Polizeibeamte gehören dazu, ein Abgesandter des westafrikanischen Kleinstaats Jandola, dessen Regierung den Schild für die panafrikanische Ausstellung zur Verfügung gestellt hat und natürlich empört über sein Verschwinden ist, sowie die taffe Museumsdirektorin Frances Wingo. Nur von den Dieben fehlt zunächst jede Spur. Als man ein paar von deren Helfershelfern aber tot auffindet, ahnt St. Ives, dass der Messingdeal nicht so einfach über die Bühne zu bringen sein wird, wie er das von seinen bisherigen Geschäften gewohnt war.

Der »Schild von Komporeen«

Von den 25 Romanen, die Ross Thomas (1926-1995) geschrieben hat, erschienen fünf zwischen 1969 und 1976 unter dem Pseudonym Oliver Bleek. Ihre Hauptfigur, Philip St. Ives, hat Thomas angelegt als smarten Weltmann, der sich nach dem unfreiwilligen Ende seiner journalistischen Karriere darauf spezialisiert hat, auf oft nicht ganz legale Weise zwischen der Unterwelt und den von ihr Geschädigten zu vermitteln. Ob er Diebesgut – wie in seinem ersten Fall den wertvollen Messingschild – oder Kidnapping-Opfer gegen eine anständige Bezahlung zurückbringt – St. Ives hat Prinzipien, gegen die er nicht gern verstößt. Und zu denen gehört auch, dass er einen Fall sofort wieder abgibt, sollte er das Gefühl haben, selbst gelinkt zu werden oder in eine Gefahr zu geraten, die durch seinen Honorarsatz nicht unbedingt gedeckt ist.

Bei seinen Bemühungen, dem Coulter Museum beim Rückkauf des gestohlenen Schilds behilflich zu sein, ist das gleich mehrmals der Fall. Was St. Ives freilich letztlich bei der Stange hält, das ist die Bedeutung des wertvollen Ausstellungsstücks für die Menschen in dem Land, aus dem es stammt. Dass es bei der ganzen Affäre letztlich auch um handfeste ökonomische Interessen eines US-Ölkonzerns geht, erfährt er dabei nach und nach. Und »für Zuckerwatte und hungernde Kinder« ist er am Ende sogar bereit, sich mit profitgeilen eigenen Landsleuten anzulegen, die sich für unverwundbar halten.

Der Mittelsmann

Der Messingdeal hat alles, was zu einem Ross-Thomas-Roman dazugehört: Sex and crime, schnelle, gut gebaute Dialoge, Witz und Chuzpe, einen Detektiv mit Moral und den für diesen Autor typischen Blick hinter die Kulissen der Politik. Und so wird sich auch kein Leser darüber wundern, wer am Ende die Strippenzieher hinter dem spektakulären Diebstahl sind und dass deren Interesse an dem 30 kg schweren Artefakt nicht aus interesselosem Wohlgefallen am Schönen resultiert. Stattdessen geht es um handfeste internationale Interessen, das Sentimentalitäten irgendwelcher Art nicht zulassende Rennen um die Bodenschätze unseres Planeten und die Portemonnaies von gut vernetzten Männern, die bei der Durchsetzung ihrer Ziele und der des Landes, in dem sie leben, keine Skrupel kennen.

Jana Frey und Jochen Stremmel haben sich die alte Übersetzung von Wilm W. Elwenspoek – die im Ullstein Verlag 1970 unter dem klebrig alliterierenden Titel Bonbons aus Blei erschien – vorgenommen und ihr den Ton geschenkt, der alle bisher im Alexander Verlag erschienenen Ross-Thomas-Bände auszeichnet. Das hat der Neuausgabe nicht nur ein paar Seiten mehr geschenkt, sondern sie auch kantiger gemacht – wie wir das halt seit Jahren gewohnt sind von dieser vorbildlichen Klassiker-Edition.

DIETMAR JACOBSEN

Titelangaben
Ross Thomas: Der Messingdeal. Ein Philip-St. Ives-Fall
Aus dem Amerikanischen von Wilm W. Elwenspoek
Bearbeitet von Jana Frey und Jochen Stremmel
Berlin: Alexander Verlag 2015
268 Seiten. 14,90 Euro

Reinschauen
| Leseprobe
| Ross Thomas in TITEL kulturmagazin

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Denkwürdiges Kinderpaar

Nächster Artikel

Bachmann, Börner, Overkill

Weitere Artikel der Kategorie »Krimi«

»Death sells« – Der Tod als Marketinginstrument

Roman | Musik | Hollow Skai: Samuel Hieronymus Hellborn – Memoiren eines Rockstar-Mörders Bei David Bowie oder Lemmy Kilmister hatte er seine Finger nicht im Spiel. Das kann aber purer Zufall sein: als die starben, war er selbst schon tot. Bei praktisch allen anderen Big Names aus der Branche »populäre Musik« dagegen hat sich Samuel Hieronymus Hellborn zum Herrn über (Markt/Nach-)Leben & Tod aufgespielt. Wie und warum, das hat Hollow Skai soeben veröffentlicht: in den ›Memoiren eines Rockstar-Mörders‹, nach Diktat von Hellborn persönlich. Von PIEKE BIERMANN

Mord ist ihr Hobby

Roman | Richard Osman: Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel

Elizabeth, die Ex-Spionin, Joyce, vorzeiten Krankenschwester und gegenwärtig eine Schriftstellerkarriere planend, sowie Ron, der als Gewerkschafter den nom de guerre »Der Rote Ron« trug, und der feinsinnige Psychiater Ibrahim bilden den »Donnerstagsmordclub«. Ungelöste Kriminalfälle sind das Hobby der rüstigen Rentner, die sich, wenn es nottut, auch Hals über Kopf in die gefährlichsten Aktionen stürzen. Diesmal, im dritten Band der international höchst erfolgreichen Romanreihe des Autors, Produzenten und Fernsehmoderators Richard Osman, ist das zehn Jahre zurückliegende Verschwinden einer Investigativjournalistin Anlass für die Nachforschungen der vier. Und kaum auf der Spur, wird die auch schon so heiß, dass man sehr vorsichtig sein muss, um nicht selbst Schaden zu nehmen. Von DIETMAR JACOBSEN

Mörderjagd im Nachkriegs-Wien

Roman | Karl Rittner: Die Toten von Wien

Eigentlich sucht Alexander Baran seit beinahe einem Jahrzehnt nach seiner verschwundenen Schwester Szonja. Da trifft es sich ganz gut, dass der ungarische Adlige, der eigentlich Sandor Baranyi heißt, nach dem Ersten Weltkrieg in Wien und dort bei der Polizei gelandet ist. Als Kommissär, dessen Abteilung »Verbrechen an Leib und Leben« aufzuklären hat, muss er sich aktuell freilich mit seinem Kollegen Florian Meisel um den Fall einer ermordeten Tänzerin kümmern. Bald kommen weitere Todesfälle hinzu. Und auch für die beiden Polizisten wird es immer gefährlicher. Von DIETMAR JACOBSEN

Der Mann im Dunkeln

Roman | Jacob Ross: Shadowman

Nach Die Knochenleser (Suhrkamp 2022) ist Shadowman der zweite ins Deutsche übertragene Roman von Jacob Ross. Erneut stehen die jungen Polizisten Michael »Digger« Digson und Kathleen Stanislaus im Mittelpunkt. Und es geht um viel, nämlich um ihrer beider Karrieren, die auf dem Spiel stehen, nachdem Miss Stanislaus den Mann, der sie im Alter von 14 Jahren brutal vergewaltigte, erschossen hat. Muss sie deshalb ihren Dienst quittieren? Oder gelingt es ihr mit Diggers Hilfe, den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen und nachzuweisen, dass sie in Notwehr gehandelt hat und nicht aus schlichter Rachsucht? Von DIETMAR JACOBSEN

Vierundachtzig plus vier

Film | Im TV: ›TATORT‹ Schwerelos (WDR), 3. Mai   Wie machen sie das, sofort ist man drin und dabei handelt es sich doch lediglich um die üblichen routinemäßigen Anrufe, das Klingelgeräusch langweilt sonst nur, wie kriegen sie das gebacken. Ach und die Suche nach dem Fallschirm in der stillgelegten Grubenanlage, der Blick aus dieser Höhe macht schwindeln, so liebevoll sind sie um uns bemüht. Von WOLF SENFF