Kinderbuch | Anna Woltz: Kükensommer
Kinder erleben Abenteuer oder Kinder haben Probleme, so ist das in Kinderbüchern. Zuweilen sind die beiden Themenbereiche vereint, Kinder mit Problemen erleben ein Abenteuer. Aber wie steht es mit der Romantik? Geht das? Darf das? So richtig rosarot, Zuckerguss und Blümchenstreuen? Es darf und es geht, Anna Woltz macht es vor, mit Huhn! Von MAGALI HEISSLER
Flora hat Ferien. Das mag sie, denn dann darf sie bei ihrem Vater mitarbeiten, obwohl sie erst zehn ist. Er ist Landschaftsgärtner. Flora liebt alles, was mit Gärten zu tun hat. Was sie weniger liebt, sind Hochzeiten, vor allem dann, wenn sie ein süßes Kleid anziehen muss. Genau das passiert aber. Wäre sie nicht dabei gewesen, hätte sie jedoch Nick nicht kennengelernt. Er ist so alt wie sie und arbeitet bei seinen Eltern mit. Sie organisieren Hochzeiten. Flora kann darüber nur den Kopf schütteln, aber nur wenn Nick nicht hinsieht. Er hat nämlich so wunderschöne blaue Augen. Darüber kann man glatt vergessen, wie dämlich süße Kleidchen sind.
Dass Floras Vater Evi anschleppt, ist aber entschieden gemein. Evi ist eine Zicke, wie sie im Buch steht. Flora will nichts mit ihr zu tun haben. Doch dann taucht ein goldbraunes Huhn auf. Es ist brütig. Flora hat eine Idee. Dass Nick und Evi hineinverwickelt werden, war nicht geplant. Noch dass es auf einmal wieder um eine Hochzeit geht!
Keine Idylle
Flora ist glücklich mit ihrer Familie. Sie ist ein sicherer Hafen, denn Flora ist ziemlich schüchtern. Auf Störungen reagiert sie empfindlich. Anna Woltz braucht nur wenige harmlose Sätze, um Flora und ihre Probleme einzuführen und schon ist es lebendig geworden. Sie lässt ihre kleine Heldin berichten, ruppig, wenn sie sich bedrängt fühlt, freudig und liebevoll, wenn sich um das kümmert, was ihr am nächsten liegt, Tiere und Gärten. Unsicher schließlich, als sie in Gestalt von Nick und dann der verwöhnten Evi vor Problemen steht, die eine gewisse Reife von ihr verlangen.
Woltz schildert mit viel Schwung liebevolle Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen, aber auch die Anforderungen, die bei aller Zuneigung daraus entstehen. Nicks Rolle ist dabei am wenigsten hinterfragt, er gerät ein wenig zu weise für sein Alter. Umso echter ist Evi, die dagegen ankämpft, dass ihr Vater wieder heiraten will. Ihre Gegenwehr ist heftig, von Liebe ist zunächst wenig zu spüren. Eben das verhindert, dass aus der Geschichte eine Idylle wird. Heiraten, Liebe und Lieben, Fürsorge für andere sind kein lustiger Spaß, sondern etwas, über das man gut nachdenken muss, ehe man sich entscheidet. Sie haben nämlich Folgen. Eier zum Ausbrüten und niedliche kleine Küken sind nur eine davon.
Eine Geschichte vom Geben
Die Geschichte ist großzügig illustriert. Es macht ebenso viel Spaß, die Bilder anzuschauen, wie es zu lesen. Jedes neue Kapitel ziert ein Küken. Die Küken stehen sowohl für Fürsorge als auch für Freundschaft und am Ende Selbstüberwindung. Es ist eine Geschichte vom Geben. Manchen fällt es leicht wie Nick, anderen schwerer wie Flora, die zwar liebevoll ist, aber sich doch einen Ruck geben muss, wenn es um etwas geht, das sie einschränkt. Evi hat es am schwersten, allerdings ist sie auch diejenige, die am meisten zu tragen hat. Woltz zeigt in ihrer Gruppierung der drei kleinen Figuren wie sich Charakterstärken und –schwächen ausgleichen, wenn man zusammenarbeitet. Dass ausgerechnet ein Huhn so viel dazu beiträgt, gibt der Geschichten ihren eigenen Witz und zugleich etwas Besonderes. Hühner sieht man mit ganz anderen Augen am Ende der Geschichte.
Hochzeiten, Romantik und Zuckerguss auch. Das ist nicht wie im Film, sondern wie im richtigen Leben. Großzügigkeit kann wehtun, aber wo Liebe herrscht, wird alles gut. Klar, dass da Küken gedeihen. Auch wenn Evi und Flora, wie Woltz ganz realistisch berichtet, fast die Alten geblieben sind.
Titelangaben
Anna Woltz: Kükensommer
(Evi, Nick en ik, 2011)
Aus dem Niederländischen von Bettina Bach und Eva Schweikart
München: dtv junior 2015
158 Seiten, 10,95 Euro
Kinderbuch ab 9 Jahren
Das hört sich wirklich gut an, kann man sicher auch noch älteren Kindern ans Herz legen oder??? Das wäre was für meine Nichte, die mag auch gern ungewöhnliche Bücher.
Die Kinder in der Geschichte sind ca. zehn, aber ihre Erlebnisse können durchaus Elfjährige noch begeistern.
Von der Autorin Anna Woltz gibt es noch ein zweites Kinderbuch, Meine wunderbar seltsame Woche mit Tess, das zwar von einem Jungen erzählt wird, aber auch eine beeindruckende Mädchenfigur als zweite Protagonistin hat und sich auf jeden Fall für LeserInnen von 11, 12 Jahren eignet.
Woltz ist eine junge Autorin und eine Entdeckung wert.