Phantomschmerz

Digitales | Games: Metal Gear Solid V

Nach dem kleinen Appetithappen ›Ground Zeroes‹ folgt das Hauptgericht in Form von ›The Phantom Pain‹. In dem wahrscheinlich letzten Teil der Serie lässt es ›Metal Gear‹-Schöpfer Hideo Kojima mit einer offenen Welt und massig Inhalt noch einmal richtig krachen. Wie es sich anfühlt als legendärer Kriegsheld Snake aka. Big Boss, die terroristische Organisation Cipher in Afghanistan und Afrika aufzumischen, erfahrt ihr in unserem Test. Von PHILIPP LINKE.

14-06-20-12-34_0_mgs5_tpp_e3_2014_main_imageryDie Serie ›Metal Gear Solid‹ (MGS) ist seit dem ersten Teil auf der Playstation berühmt für ihre intensive Story und kinematischen Videosequenzen. Nicht umsonst hält MGS4 den Weltrekord für die längste Videosequenz in einem Videospiel. Deshalb spielt die Geschichte auch in MGS5 eine große Rolle. Kojima bedient sich dabei an realen Geschehnissen und fügt ein bisschen Science-Fiction hinzu. So ist beispielsweise die Entwicklung autonomer Kriegsroboter im MGS Universum besonders weit fortgeschritten. Auch die Manipulation des Menschen durch Biotechnologie steht im Vordergrund. Im Laufe der Geschichte werdet ihr daher zudem Charaktere mit übernatürlichen Fähigkeiten antreffen.

Neun Jahre später …

›The Phantom Pain‹ (TPP) spielt neun Jahre nach den Ereignissen in ›Ground Zeroes‹, also 1984. Snake erwacht im Krankenhaus aus einem Koma. Sehr bald erholt er sich von den Strapazen und trifft auf Ocelot, der Fans der MGS-Reihe wohlbekannt ist. Zusammen mit Snakes gutem Freund Miller starten sie den Aufbau der Organisation Diamond Dogs und schwören Zero, dem Gründer der Organisation Cipher, Rache. Seine Spur führt sie nach Afghanistan, wo gerade – historisch korrekt – die Sowjets einmarschieren.

Im Vergleich zu MGS4 ist die Menge an Videosequenzen reduziert, dafür aber mindestens genauso gut umgesetzt. Obwohl man auf einige Charaktere aus anderen MGS-Teilen stößt, muss man nicht notwendigerweise den Vorgänger gespielt haben. Schließlich kommt Snake durch das 9-jährige Koma alles genauso neu vor wie einem Serieneinsteiger. Allerdings muss man sich damit abfinden, dass nicht alle Geschehnisse aufgeklärt werden. In einem Interview meint Kojima selbst, dass das Spiel nicht immer konsequent mit der Handlung der übrigen MGS-Teile übereinstimme.

You sn(e)aky Bastard!

Das Besondere an Spielen der MGS Reihe ist die unglaubliche Interaktionsvielfalt, die euch geboten wird. So lässt sich zum Beispiel ein Gegner durch ein Klopfen mit der Hand anlocken. Stattdessen ließe sich aber auch ein leeres Magazin werfen, eine aufblasbare Puppe auslegen, Oldschool mit der Waffe Schießen, Fußspuren hinterlassen, gegen eine Vase laufen, etc. Auf diese Weise könnt ihr mit etwas Geduld einen Soldaten nach dem anderen ausschalten. Sollte Snake dann doch mal unerwartet entdeckt werden, kann fast alles als Versteck dienen; sei es ein Schrank, ein Klo oder einfach nur die gute alte Pappschachtel. Danach habt ihr jedoch ein deutlich schwierigeres Leben, da alle Soldaten in Alarmbereitschaft sind und den gesamten Bereich durchsuchen. Um das zu vermeiden, solltet ihr die Zeitlupe ausnutzen, die einsetzt, wenn ein Soldat euch entdeckt. Schafft ihr es ihn innerhalb weniger Sekunden auszuschalten, wird logischerweise kein Alarm ausgelöst. Allerdings reagieren eure Gegner nicht besonders erfreut auf Leichen in ihrer Basis.

So lange ihr euch draußen aufhaltet, solltet ihr auch das Wetter im Auge behalten, denn TPP besitzt ein dynamisches Wettersystem, das teilweise gravierende Auswirkungen auf das Geschehen hat. In einem Sandsturm könnt ihr euch zwar nahezu frei bewegen, ohne von einem Gegner entdeckt zu werden, dafür seht ihr selbst leider auch nicht allzu viel. Ähnlich ist es bei Nebel: Hier werden Geräusche aber immer noch unverfälscht wahrgenommen. Bei Regen hingegen ist die Sicht nicht viel schlechter, aber das Prasseln der Tropfen übertönt eure Schritte. Häufig ist es eine gute Idee, sich bei Nacht in eine Basis zu schleichen. Ihr könnt aber auch den Schichtwechsel bei Tagesanbruch ausnutzen, um einfacher an Wachtürmen vorbeizukommen.pic_z_045_b25b19

Sobald ihr ausreichend gute Ausrüstung gesammelt habt, könnt ihr natürlich auch höhere Gewalt anwenden. Mit Raketenwerfer und Panzerabwehrgeschossen ausgerüstet, lässt sich ein schönes Feuerwerk veranstalten. In der Regel reagieren eure Gegner auf solche Aktionen sehr aggressiv. Schnell wird Verstärkung angefordert und ihr seid umzingelt, außer natürlich, ihr habt die Kommunikationsanlage gefunden und zerstört.

Home Sweet Mother Base

Abseits vom Kriegsgeschehen liegt das Hauptquartier der Diamond Dogs. Dieses ist eine im Meer stehende Plattform, die ihr mit der Zeit ausbauen und managen könnt, ähnlich wie bereits in ›Metal Gear Solid:Peace Walker‹ . Um neue Mitarbeiter zu rekrutieren, sind gegnerische Soldaten mithilfe des Fulton Recovery Systems zu extrahieren. Dieses System ist letztlich nur ein mit Helium gefüllter Ballon, den ihr an alles dranbindet, was ihr gebrauchen könnt und – schwupps – schon landet es in eurem Hauptquartier. Tatsächlich basiert dieses System auf einer echten Methode, die von der CIA um 1960 herum erprobt und eingesetzt wurde!

Die Soldaten, die ihr klaut, haben sehr unterschiedliche Fähigkeiten, die ihr in eurer Basis managen müsst. Die grundlegenden Fähigkeiten erkennt ihr bereits mit einem Blick durch das Fernglas. Zum Beispiel könnt ihr das Forschungs- und Entwicklungs-Team mit fähigen Ingenieuren ausstatten, wenn ihr eure Waffen und Werkzeuge verbessern wollt. Auf der anderen Seite warnt euch ein fähiges Informationsbeschaffungs-Team vor eintreffenden Sandstürmen oder lokalisiert Feindaktivitäten. Mit noch vier weiteren Abteilungen wächst eure Basis schnell zu einem riesigen Komplex, dessen Möglichkeiten zu groß sind, um sie alle aufzuzählen.

Die Basis lässt sich natürlich auch persönlich besuchen. Das ist sogar empfehlenswert, um die Moral eurer Truppe zu steigern. Nebenbei könnt ihr eure treu ergebenen Soldaten zu Übungszwecken bewusstlos prügeln oder nach versteckten Diamanten befragen. Jedoch solltet ihr euch nicht wundern, wenn es einigen Soldaten Freude bereitet von Snake in den Schwitzkasten genommen zu werden.

pic_z_070_93k6gyIn der Zeit zwischen Missionen gibt es in der Wüste Afghanistans und Steppe Afrikas einiges zu tun und entdecken (abgesehen von meiner Lieblingstätigkeit, dem entspannten Erkunden der Landschaft auf dem Rücken meines getreuen Pferdes). Finanziell lohnenswerter ist es, wilde Tiere im Auftrag der NGA einzufangen. Später habt ihr sogar euren eigenen Zoo. Weiterhin wollen natürlich Materialien für den Ausbau der Basis und die Entwicklung von Waffen gesammelt werden. Die medizinische Abteilung braucht bestimmte Pflanzen, um Medikamente – oder Snakes Zigarren – herzustellen. Für das Sammlerherz gibt es zudem Kassetten mit Musik aus den 80ern, die in gegnerischen Stützpunkten zu finden sind.

Zahlreiche Nebenmissionen stehen ebenfalls zur Verfügung. Im Gegensatz zu den Hauptmissionen gibt es kein festgelegtes Missionsgebiet, sondern nur eine grobe Positionsangabe. Die Mission startet automatisch, wenn ihr in die Markierung erreicht. Auch wenn die Nebenmissionen recht einfach gestrickt sind, bieten sie eine gute Gelegenheit Rohstoffe zu sammeln, neue Waffen und Fallen auszuprobieren oder geeignete Rekruten für eure Basis zu finden. Sollte euch doch einmal das Heimweh packen, könnt ihr euch am nächstgelegenen Landeplatz von eurem Hubschrauber abholen lassen. Möchtet ihr stattdessen innerhalb Afghanistans reisen, empfehle ich die Schnellreise per Paketzustellung. Dazu müsst ihr nur einen Lieferschein von jeder Paketstation sammeln, die ihr findet. Daraufhin setzt ihr euch an einer Station einfach in einen Karton und werdet sofort an eine beliebige, bereits entdeckte Station geliefert – sehr praktisch.

pic_z_050_ef8a0cAuch müsst ihr euch in der Wüste nicht einsam fühlen, denn ihr könnt im Laufe der Zeit treue Begleiter für eure Seite gewinnen und auf Missionen mitnehmen. Darunter zählt neben eurem Pferd auch ein Hund, der für euch Gegner, Pflanzen und Tiere aufspürt und automatisch markiert. Ihr könnt ihn auch bellen lassen, um Gegner abzulenken. So ein guter Junge. Je nach Mission macht die Wahl des Partners einen großen Unterschied, doch lassen sie sich sogar noch innerhalb der Mission per Hubschrauber austauschen.

Das Wort zur Technik

MGS5 ist schön anzusehen, selbst wenn der Großteil steinige, trockene Wüste enthält. Am PC können gegenüber der Playstation 4 erweiterte Sicht für Lichter und höhere Qualität für bestimmte Effekte aktiviert werden. Im Vergleich zum kleinen Bruder ›Ground Zeroes‹ wurden ein paar Abstriche zu Gunsten der Performance in einer offen begehbaren Welt gemacht. Das beinhaltet u.a. die Menge an Regentropfen oder die Anzahl reflektierender Oberflächen. Wie bereits in ›Ground Zeroes‹ gibt es kein echtes Antialiasing abgesehen von FXAA, welches in der Option Post Processing versteckt ist. Dafür werden die Auflösungen 4k und 5k bei 60 Bildern pro Sekunde unterstützt. Positiv anzumerken ist weiterhin, dass Effekte wie Tiefenunschärfe oder Motion Blur deaktiviert werden können. Das Sichtfeld – oder Field of View – lässt sich dagegen nicht nativ verändern. Eine Modifikation wurde von Fans bereits entwickelt. Diese sollte natürlich mit entsprechender Vorsicht eingesetzt werden. Ansonsten ist die Performance auf dem PC äußerst zufriedenstellend, selbst auf älteren Systemen läuft TPP ruckelfrei mit entsprechenden Einbußen in der Bildqualität.

Fazit

Insgesamt steht MGS5: TPP seinen Vorgängern in nichts nach und macht dank stetig wachsendem Hauptquartier und Waffenarsenal auch nach 20 Stunden Spielzeit noch Spaß. Das reduzierte Verhältnis von Videosequenzen zu echtem Gameplay tut dem Spiel sehr gut, zumal sich Snake dynamischer und geschickter als jemals zuvor steuern lässt. Eine unterhaltsame Herausforderung ist die Suche nach neuen Rekruten für das Hauptquartier, auch wenn das bedeutet, dass man eine Mission mehrmals spielen muss, bis man endlich den richtigen Ingenieur zur Entwicklung eines bestimmten Items gefunden hat. Der Übergang zur offenen Welt eröffnet deutlich mehr Möglichkeiten zur Durchführung eines Plans. Ein Highlight sind die äußerst gut inszenierten Endgegner-Kämpfe, die euch nicht nur Geschick, sondern auch Grips abverlangen. Schließlich lässt das Spiel nur in seltenen Fällen einen aggressiven Spielstil zu. Das bedeutet allerdings auch, dass ihr viel Geduld mitbringen müsst. Immerhin werdet ihr viel Zeit damit verbringen, durch Gras, Sand oder Schlamm zu kriechen. Es zahlt sich aber jedes Mal aus, wenn ihr eine Geisel rettet oder einen Panzer mit C4 sprengt, ohne dabei entdeckt worden zu sein und heroisch auf eurem Pferd in den Sonnenuntergang reiten könnt.

Kostenlos enthalten bei TPP ist › Metal Gear Online‹, ein Team-basierter Mehrspieler-Modus, der seit dem 6. Oktober aktiv ist.

| PHILIPP LINKE

Titelangaben
Metal Gear Solid V: The Phantom Pain
Konami
seit 01. September 2015 erhältlich für PlayStation 4, PlayStation 3, Xbox One, Xbox 360, Microsoft Windows
ab 49,90 Euro UVP

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