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Digitales | Games: Halo 5: Guardians

Der wortkarge Supersoldat in schlammgrüner Superrüstung ist zurück und bekommt in seinem fünften Abenteuer neue Superverstärkung. Ob auch sonst alles super ist oder Master Chief John schon Rost angesetzt hat, findet FLORIAN RUSTEBERG heraus.

coverSeit 2001 existiert Microsofts Ego-Shooter Reihe ›Halo‹, nun erscheint 14 Jahre später Teil Nummero fünf. In dieser Zeit war die Reihe stets beispielhaft für einen hervorragenden Vertreter seines Genres auf der Konsole. Bisher sind jedoch nicht nur vier Hauptspiele erschienen, sondern auch zwei Ableger, ein Echtzeit-Strategiespiel, zwei Shooter aus der Vogelperspektive und zwei überarbeitete Versionen. Um diese herum besteht ein ganzes Universum aus Büchern, Comics und Animationsfilmen. Darüber hinaus ist jeder Teil stets ein starkes Zugpferd für Microsofts eigene Xbox Konsolen, für die ›Halo‹ exklusiv erscheint. So ließ sich die Marketing-Abteilung nicht lumpen und fährt eine Werbekampagne unter dem Motto #Huntthetruth. Dabei geht es um den Helden der Menschheit, den Master Chief alias John-117, der mutmaßlich desertiert ist und die Militärregierung des 26. Jahrhunderts, die dieses zu vertuschen versucht. Dazu gibt es eine Serie von aufwendig produzierten, fiktiven Podcasts, in denen ein Journalist der Sache auf den Grund geht und einige Geschehnisse des Spiels angedeutet werden. Auf der anderen Seite gibt es zudem einen richtigen Jäger, den ehemaligen Geheimdienstler James Locke, der ihn festsetzen soll. Eingeführt wurde sein Charakter in der eigens dafür konzipierten Miniserie ›Halo: Nightfall‹, die von Ridley Scott produziert wurde. Im Videospiel soll sich der Konflikt der beiden Männer und ihrer Teams dann zur »größten Jagd in der Geschichte der Videospiele« verdichten.

Auf der Jagd

In der Geschichte von ›Halo 5: Guardians‹ spielt dieses Thema nur eine untergeordnete Rolle. Genau genommen gibt es außer in einer Zwischensequenz auch kein Aufeinandertreffen der beiden Gruppen. Vielmehr wird anfangs nur Spuren hinterhergehechelt, während sich die Gejagten der Jagd kaum bewusst sind. Dadurch hat der Master Chief nur wenig zu tun und es kommt das Gefühl auf, er würde vernachlässigt. Gut Dreiviertel der Kampagne erlebt der Spieler nämlich aus der Sicht des Teams »Osiris«, das von Spartan Locke angeführt wird und nur drei etwas längere Missionen aus der Sicht des gejagten »Team Blue«. Die Abenteuer, die es dabei zu erleben gibt, sind grundsätzlich spannend, würden aber auch ohne den Hintergrund der Jagd nach der Wahrheit funktionieren. Denn es passiert vieles: Kolonien der Menschheit werden verwüstet und uralte Konstrukte, die namensgebenden „Wächter“, erheben sich. Was dahinter steckt, ist die echte Wahrheit, die es zu jagen gilt. Aber egal was der Antrieb ist, der Weg führt zu fesselnden Orten mit eigenen Hintergrundgeschichten. Zwei der Missionen widmen sich ganz der spielerischen Atmosphäre und sind vollkommen kampflos. Sie spielen in Ansiedlungen und bieten Gespräche mit den Bewohnern sowie kleine Anekdoten. Auf den ersten Blick wirken diese zwei Segmente wie einfallslose Lückenfüller zwischen den wilden Gefechten. Lässt man sich darauf ein, sind sie durchaus erlebenswert, um einen tieferen Einblick in das ›Halo‹-Universum zu erhaschen.

Vier Freunde sollt ihr sein!

Das beste Erlebnis bietet die Kampagne von ›Halo 5‹, wenn man sich Freunde zum gemeinsamen spielen schnappt. Leider ist der Koop am geteilten Bildschirm mit einer Konsole gestrichen worden. Das heißt, die Freunde sitzen nicht mehr direkt auf der Couch, sondern müssen ebenfalls das Spiel und eine Xbox One Konsole besitzen, damit sie sich zusammen in die Schlacht gegen die zahlreichen Gegner werfen können. Dieser Vier-Spieler Koop-Modus war zwar bereits in den vorherigen Teilen vorhanden, doch war es damals nur die normale Einzelspielerkampagne mit bis zu vierfachen Protagonisten. Nun sind die Levels der Kampagne speziell auf die Besonderheiten eines Koops angepasst: größere Passagen, mehr Möglichkeiten zum Umgehen und Flankieren und mehr aufnehmbare Waffen mit weniger Munition. Beispielhaft ist dabei die zweite Mission, in der sich das Feuerteam »Blau« eine Werfthalle hinab kämpfen muss. Der längliche Raum bietet mit Containern und einem halbfertigen Schiff im Bau viele Winkel in der Horizontalen und Vertikalen. Es ist klar zu erkennen, dass die Welten für vier Agierende entworfen wurden. Da auch vier einzigartige Charaktere verteilt werden, starten die Spieler bei jeder Mission mit den Waffen ihres Charakters. So ist der Scharfschütze des Teams gleich zu Beginn der Spezialist für lange Entfernungen, während seine Kollegen für die Abwehr auf kurzen Distanzen verantwortlich sind. Wird trotzdem mal einer niedergestreckt, was besonders auf dem »Legendär«-Schwierigkeitsgrad in weniger als einer Sekunde Unaufmerksamkeit passieren kann, können seine Kameraden ihm noch vor dem Ablauf einer kurzen Zeit wieder auf die Beine helfen. Schaffen sie es nicht, kann der Dahingeschiedenen erst nach Befriedung des Gebiets wieder einsteigen. Das sind alles keine Neuheiten für einen Koop-Shooter, aber die tadellose Ausführung macht die Kampagne von ›Halo 5‹ zu dem Koop-Erlebnis der letzten Jahre.

h5-guardians-campaign-battle-of-sunaion-osiris-alpha-jpg1 (Andere)

Anders sieht es leider aus, wenn sich nur ein Spieler der Herausforderung stellen möchte. Die Kontrolle der drei Teammitglieder übernimmt die Konsole. Der Einzelspieler hat dann die Möglichkeit, auf Knopfdruck Befehle zu erteilen, etwa einen bestimmten Gegner anzugreifen, eine Position einzunehmen oder Waffen aufzunehmen. Soweit so gut. Dennoch: Was in der Theorie machbar klingt, entpuppt sich in der Praxis als Qual. Eher einem beweglichen Pappkameraden gleich, stolpern sie durch das Feuergefecht und erledigen Gegner nur auf Befehl effizient, während sie ohne Befehl nur halbherzig zurückschießen. Leider ist der Spieler immer wieder auf Hilfe von ihnen angewiesen. Schließlich muss auch der Einzelne die gleichen Herausforderungen meistern wie das eigentlich menschliche Vierer-Team. Der Erfolg des Flankierens, das bei dem Kampf gegen große Gegner wichtig ist, wird somit ganz dem Zufall überlassen. Werden die KIs zum Aufhelfen kommandiert, laufen sie öfter als nötig in ihr eigenes Verderben und sagt man ihnen nicht ausdrücklich, dass sie die rumliegenden Waffen haben können, würden sie das Schicksal der Welt mit ihrer kleinen Pistole verteidigen wollen. Es bleibt außer Frage, eine künstliche Intelligenz kann echte Mitspieler nicht ersetzen. Bei ›Halo 5: Guardians‹ muss sie es. Und das ist nicht gut.

Liga der außergewöhnlichen Mehrspieler

Echte Mitspieler (oder auch Gegenspieler) gibt es im Mehrspielermodus von ›Halo 5: Guardians‹ hingegen reichlich. Mit ›Halo 2‹ begannen die Zeiten, in denen es auch für Spielekonsolen möglich wurde, sich über das Internet mit anderen zu verbinden. Besonders in Nordamerika hat sich eine starke E-Sport Community aufgebaut. Bei dem letzten vollwertigen Ableger, dem 2012er ›Halo 4‹ wirkte für viele ausgerechnet dieses Element zu verwaschen und angepasst an die Konkurrenz der gewöhnlichen Shooter. Zusätzlich haben viele Fans noch den schalen Geschmack im Mund, den die ›Halo – The Master Chief Collection‹ aus dem letzten Jahr hinterließ. In dieser Sammlung, die Teil 1-4  auf die Xbox One brachte, funktionierte hinten und vorne nichts, wenn es um das Mehrspielererlebnis ging. Anlässlich des 10-jährigen ›Halo 2‹-Jubiläums erschienen, gelang es den Verantwortlichen nicht, die technischen Anforderungen zweier alter Konsolengenerationen unter einen Hut zu bringen. Erst nach Monaten lag eine größtenteils akzeptable Version vor. Diesem dunklen Omen steuerten »343 Industries« entgegen, indem es schon Ende Dezember 2014 eine öffentliche Vorabversion des Spielprinzips gab, das die Entwickler »Arena« nennen. Kompetitive Elemente und Fairness sollen beim 4-gegen-4 Duell im Vordergrund stehen. Jeder Spieler startet mit den gleichen Chancen und der gleichen Ausrüstung, bessere gibt es an symmetrisch auf der Karte verteilten Punkten. Dies funktionierte 10 Monate vor dem Erscheinen des Spiels schon sehr gut und wurde mit zusätzlichem Feinschliff und Berücksichtigung der Anregung der Spieler ins fertige Spiel übernommen. Ein »Zurück-zu-den-Wurzeln« soll der Modus sein, wo Sieg und Niederlage nur von Können und Zusammenarbeit der 4er Gruppe abhängen. Und das Versprechen wird gehalten. So gut sogar, dass sich die Spieledesigner aus Kirkland Gedanken um eine Alternative machen mussten. Denn so viel Spaß erfahrene und gute Kontrahenten am harten Wettkampf haben, umso frustrierender wird es für Neueinsteiger und Gelegenheitszocker, wenn sie immer wieder die Teebeutel von unten sehen.H5-Guardians-Blue-Team-Master-Chief-Hero-Finisher (Andere)

»Kampfgebiet« heißt die Antwort auf das Problem, ein Mehrspieler-Modus, der wesentlich größer und chaotischer ist, als die Kämpfe in den kleinen Arenen. Es geht um das Halten von drei Punkten auf einer weitläufigen Karte; dabei können Fahrzeuge und das volle Waffenarsenal eingesetzt werden. Reglementiert wird dies durch das »REQ«-System, einer Art Kartensammlung. Die Karten können eingelöst werden, wenn genügend Punkte erworben wurden. Je nach Seltenheit und Punktepreis der Karte gibt es dann kleine Waffen, große Waffen oder ein Panzer wendet das Schlachtenglück. Neutrale Gegner erscheinen ab und an und können mit der Belohnung, die es für das Erledigen von ihnen gibt, noch so manche Schlacht entscheiden. Da sich durch diese plötzlichen Änderungen immer wieder neue Möglichkeiten auftuen, bleiben die Partien spannend. Hier kann sich jeder einbringen.  Leider sind bisher nur drei Karten für »Kampfgebiet« verfügbar. Ohne eine größere Abwechslung wird auch dieser sonst so variationsreiche Kampf nach einigen Stunden monoton.

Gut gesorgt

Für Nachschub ist aber gesorgt. ›Halo 5: Guardians‹ soll nämlich noch über eine längere Zeit mit neuen Modi, Karten und zahlreichen neuen Inhalten versorgt werden. Das Ganze sogar kostenlos. Mit dem ersten großen Patch erschien schon ein Arena-Modus für größere Schlachten. Ab Mitte Dezember können dann alle Spieler selbst aktiv werden, wenn der mächtige Level Editor, die »Schmiede«, nachgereicht wird. Im Bereich der Versorgung mit neuem Material gibt es also nichts zu bemängeln. In der Tat sollte das Modell eines vollwertigen Produkts zu einem Preis vermehrt Schule machen, besonders bei Multiplayer-Shootern, wo sonst die Spielerschaft stark fragmentiert wird. Solch eine Philanthropie aufseiten Microsofts beruht natürlich auf dem Kalkül, das ein hauseigener Titel einen größeren Wert durch Kundenzufriedenheit generieren kann, als durch die Mehreinnahmen für kostenpflichtige Zusatzinhalte.

Liegt auch in technischer Hinsicht ein Produkt vor, das nicht nur sich selbst, sondern auch sein ganzes Ökosystem präsentiert? Vieles spricht dafür. Vonseiten der Entwickler lag das Hauptaugenmerk früher auf einer konstanten Bildrate von 60 Bildern pro Sekunde und diese wird auch rigoros eingehalten. Treten Leistungsspitzen auf, werden diese gewöhnlich durch weniger Bilder bei gleichbleibender Bildqualität aufgefangen. Bei ›Halo 5: Guardians‹ wurde ein gegenteiliger Ansatz gewählt. Die Bildauflösung wird dynamisch verringert, um weiterhin die Bildrate zu zementieren. Das erzielte Ergebnis ist erfreulich. Höchst selten bemerkt der Konsument solche Situationen, denn bei dem zu der Zeit auf dem Bildschirm herrschenden Tumult achtet selten jemand auf Unterschiede, die nur bei Standbildern genau zu erkennen sind. In Passagen, in denen es ruhiger zugeht, gibt es dann auch viel Schönes zu bestaunen. Die Darstellung von Oberflächen, die besonderen Plätze und  auch der künstlerische Aspekt machen einen großartigen Eindruck. Abermals liegt nur der Teufel im Detail. Nachlässigkeiten lassen sich zahlreich finden. Oftmals sind das zu unsaubere Texturen an Gegenständen oder kleine Findlinge am Wegesrand, die sich erst bei genauem Hinsehen als sehr primitiv entpuppen. Zusätzlich ist die Distanz, ab der hoch aufgelöste Texturen gegen niedrige ausgetauscht werden, oft zu klein. All das sind aber keine Gründe, die Nase zu rümpfen, dazu sind sie zu unauffällig und marginal. In der Gesamtheit verdeutlichen sie nichts weiter, als dass die Entwickler auf der knappen Kante der Leistung und Qualität sehr behände balancieren.

Fazit

›Halo 5: Guardians‹ kommt als sehr guter Online- und Koop-Shooter wie sein Vorgänger daher. Es bewahrt gute Prinzipien und lässt Raum für neue durchdachte Impulse. Bis zu dem bereits bestätigten Nachfolger im Herbst 2017 oder 2018 wird es sicher einer der Top Mehrspieler-Titel auf der Xbox One sein. Zwei klare Mankos sind aber auch in dieser Aussage enthalten; zum einen ist die Geschichte eine typische Mittelteil-Handlung, die nur als Steigbügelhalter für eine Fortsetzung fungiert, zum anderen erscheint ›Halo 5: Guardians‹ nur für die Xbox One. Wer aber eine solche besitzt und nicht nur ausschließlich Freude an einer Einzelspieler-Kampagne hat, sollte zugreifen.

| FLORIAN RUSTEBERG

Titelangaben
Halo 5: Guardians
343 Industries / Microsoft
seit dem 27. Oktober 2015 exklusiv für XboxOne erhältlich.
ab 52,99€ UVP

 

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