Freundschaft am Ende der Welt

Digitales | Games: Final Fantasy XV

Seit Release-Ankündigung belagerte ›Final Fantasy XV‹ den ersten Platz der Vorbestellerlisten, nach nunmehr einem Jahrzehnt konnte sich der Titel endlich aus der Entwicklungshölle befreien. Doch kann das lang ersehnte Spiel den Erwartungen gerecht werden? Ein Bericht von DANIEL MEYER

ffxv_PS4_2D_GERusk_1470658791In einem normalen Review würde ich nun sicherlich mit einer kleinen Einleitung beginnen, lediglich 3 bis 4 Sätze, in denen fachlich die (immerhin beachtlichen) 10 Jahre Entwicklungszeit des Spiels zusammengefasst werden würden. Eventuell käme dann eine kurze Diskussion hinzu, vielleicht darüber, ob die Transformation des ehemaligen ›Final Fantasy XIII‹-Spin-Offs geglückt sei und sich der einstmalige Titel unter der neuen Leitung von Hajime Tabata zu einem vollwertigen AAA-Spiel entwickeln konnte. In diesem Fall möchte ich jedoch einmal etwas anders beginnen.

Wie so viele bin auch ich mit den alten ›Final Fantasy‹-Teilen groß geworden; habe mit Cloud über Aeris‘ Tod getrauert, bin mit Squall durch das Universum getrieben und lernte durch Vivi und Zidane, dass jedes Leben einzigartig ist. Jeder einzelne Teil ließ mich dabei mit seinen 60+ Spielstunden in eine ganz neue Welt eintauchen. Man lernte einzelne Charaktere kennen, den einen mehr, den anderen weniger. Doch spätestens am Ende der Welt, wenn sich das personifizierte Böse gegen die Gruppe stellt, fühlte es sich stets so an, als ob sich der Leidensweg der (meist) zusammengewürfelten Truppe irgendwie auch auf einen selbst ausgewirkt hätte.

Ein neuer alter Ansatz

In den meisten Fällen, so denke ich mir, lag das an der komplex erzählten Geschichte, den Schicksalen der einzelnen Charaktere. Diese verschmolzen, manchmal zufällig, manchmal durch besondere Umstände, über die Zeit mit der gelenkten Gruppe und erzeugten so eine Art Verbindung, nicht nur zwischen den Akteuren, sondern auch mit dem Spieler – Freundschaft durch gemeinsam verbrachte Abenteuer, könnte man meinen. ›Final Fantasy XV‹ ist nun das erste Spiel, das diesen Spieß umzudrehen und gleichzeitig als sein eigenes Hauptziel zu unterstreichen versucht.
Von Beginn an spielt ihr dieses Mal keinen unbekannten Helden mehr. Ihr spielt keinen Straßendieb oder Söldner, der per Zufall oder durch irgendeine Mission auf andere Menschen trifft. Nein, ihr seid sofort Noctis, ein heranwachsender, etwas unsicherer Prinz, der auf dem Weg zu einer politischen Hochzeit noch einen letzten Roadtrip mit seinen drei Kindheitsfreunden und Waffenbrüdern unternehmen möchte. Alle Protagonisten kennen sich schon seit langer Zeit, spaßen über dieselben Dinge und erzählen sich die gleichen Geschichten. Zugleich wird immer wieder betont, wie wichtig die Freundschaft der Vier untereinander ist, angefangen von Balladen wie ›Stand by me‹ von Florence and the Machines zu Beginn des Spieles, bis hin zu unterschwelligen Dankesreden kurz vor der letzten Konfrontation – ›Final Fantasy XV‹ versucht sich gänzlich auf die Bindung innerhalb dieser Gruppe zu konzentrieren, wenn auch nur mit halbem Erfolg.

Ein Spiel, zwei Hälften

Ihr werdet schnell merken, dass diese innige Freundschaft über weite Strecken durchaus glaubwürdig erscheint; gerade innerhalb der ersten Hälfte, in denen sich das Spiel eher wie ein Roadmovie und durchaus unbeschwert anfühlt. Ihr werdet jedoch auch wahrnehmen, dass sie im zweiten, etwas dunkleren Teil schnell an Tiefe vermissen lässt. Zwar versucht das Spiel den Gehalt der einzelnen Protagonisten durch kleinere Twists oder Probleme zu verstärken, schafft es aber in vielen Fällen durch falsches Timing eher an Glaubwürdigkeit zu verlieren, als neue aufzubauen.

Stellt euch generell darauf ein, zwei verschiedene Erfahrungen innerhalb des Spiels sammeln zu können, unterscheidet sich doch die frei begehbare, offene Welt erheblich von dem späteren, relativ linearen Hauptplot der Geschichte.FFXV_Duscae_2_Screenshot_07_1433862524

Dabei fühlt sich der erstgenannte, unbeschwerte Anfang durchaus angenehm an. Eine kleine Autopanne zwingt euch zum Besuch einer abgelegenen Werkstatt und ihrer, sagen wir, »charmanten« Mechanikerin, mitten in der Einöde von Insomnia. Bereits ab diesem Punkt gibt euch das Spiel die Freiheit angrenzende Areale in der überaus groß und vielseitig gestalteten Welt zu erforschen. Monster- und allerlei Miniquests sind sofort zugänglich und lassen euch, den Spieler, selbst entscheiden, wann und ob sie überhaupt gemeistert werden möchten. Selbst schwerere Aufträge können nach kurzer Zeit freigeschaltet werden und ermöglichen die freie Wahl, sich schon früher an größere Gegner zu wagen. Gerade die gewonnene Freiheit gibt ›Final Fantasy XV‹ einen neuen Charme, den seine Vorgänger ein wenig vermissen ließen. Eine Welt, die sich von Anfang an erkunden lässt mit (scheinbar) nicht vorhanden Grenzen und Reißleinen.

Schreitet man allerdings in der Haupthandlung voran, so wird dieser überaus reizbare Gedanke alsbald beinahe grundlos über den Haufen geworfen. Die Gruppe muss den ihnen bekannten Kontinent verlassen, um sich auf die weitere Bestimmung des Prinzen konzentrieren zu können. Fortan verschwindet die Idee der freien Welt und wird von einem durchweg linearen und zunehmend dunkleren Leveldesign ersetzt. Wie auch beim Charakterdesign gelingt Square Enix dabei leider selten der Ausgleich zwischen actiongeladenen Kampfsegmenten und tiefgreifenden Handlungen.

In vielen Fällen fühlt sich die Geschichte flach und erzwungen an. Zu viele Stellen wurden mit zusätzlichen Umständen oder Elementen versehen, die im Wesentlichen nur zur Stärkung eines jeweiligen Charakterprofils genutzt wurden. Erschwerend gipfelt all das in einem mehrstündigen Level, in dem Noctis, all seiner Kräfte beraubt, unentwegt durch dunkle Gassen irren muss und ihr euch, gemäß eines sehr einfach gehaltenen Horrorspiels, in Nischen vor todbringenden Robotern verkriechen müsst. Versteht mich nicht falsch, selbst diese Szenen haben auf eine gewisse Art und Weise zum Gehalt des Spieles beigetragen und Noctis‘ Leid und Verzweiflung in seiner schwersten Stunde widergespiegelt. Sie fühlten sich jedoch gegenüber dem ersten Teil weitaus gehetzter und mit weniger Liebe zum Detail gefüllt an.

»Erst bin ich hier, huuuuusch, jetzt bin ich da!«

Kampftechnisch dürft ihr euch hingegen auf ein vollkommen neues ›Final Fantasy‹ freuen. Mit dem Hervorbringen des sogenannten Active Cross Battles gelingt Square Enix der Schritt vom rundenbasierten Abwehren der Monsterhorden zu einem gutaussehenden und agilen neuen Kampfmodus. Anders als in seinen Vorgängern beginnen und enden Kämpfe nun nahtlos mit dem Finden bzw. Besiegen der jeweiligen Gegner und können durch verschiedene Aktionen gestartet werden. Mit dem Halten oder Drücken eines einzelnen Buttons lassen sich nun zudem verschiedene Waffen anwählen, Combos, ähnliche der Form von ›Monster Hunter‹, vollziehen oder kombinierte Angriffe der gesamten Gruppe planen. Ihr selbst bleibt dabei jederzeit in der Rolle von Noctis, könnt aber unter speziellen Bedingungen vereinzelte Befehle an eure Mitstreiter vergeben.

Insgesamt fühlt sich dieses neue System sehr flüssig, wenn auch etwas zu simpel an. Noctis‘ spezielle Fähigkeit, sich über das gesamte Kampffeld zu warpen, macht Spaß und gibt der gesamten Handlung eine weitere, eher strategisch angehauchte Note. Gleichermaßen kann jedoch die Kamera bei zu schnellen Aktionen oder zu großen Gegner immer ein wenig hinterherhinken, was an bestimmten Stellen zu Frust und Unmut führen wird. Magiefreunde werden darüber hinaus verschiedene Aspekte früherer Teile vermissen dürfen. Zauber per se wurden stark vereinfacht und nur auf ihre grundlegenden Elemente (Feuer, Blitz und Eis), sowie ihre Verstärkungen beschränkt. Zudem lassen sie sich nur in begrenzter Zahl einsetzen und fühlen sich durch den Wurf der Magieflakons eher wie flächendeckende Granaten, als nach wirklicher Zauberei an. Schmerzlich ist zudem, dass Esper nicht mehr selbst beschworen werden können, sondern lediglich zufällig in Kämpfe eintreten.

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Das Fazit

Alles in allem fühlt sich ›Final Fantasy XV‹ nach einem etwas unfertigen Spiel an. Die freie Welt und das innovative Kampfsystem machen einiges gut, können aber leider nicht ganz über die Defizite des zweiten Teils sowie das schwache Charakterdesign hinweg täuschen. Es ist nichtsdestotrotz ein gutes Spiel, keine Frage. Nach einer zehnjährigen Entwicklung und den dabei entstandenen Erwartungen ertappt man sich jedoch trotzdem schnell dabei, ein kleines bisschen enttäuscht zu sein. Ein wenig vermisst man sie dann doch, die gewonnene Freundschaft am Ende der Reise.

| DANIEL MEYER

Titelangaben
Final Fantasy
Square Enix
seit November 2016 erhältlich für Playstation 4 und XboxOne.
ab 49,99 EURO UVP

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