Roman | Tetsuya Honda: Blutroter Tod
In Japan hatte sie bereits acht Auftritte. Weitere sind geplant. Die deutschen Leser lernen Reiko Himekawa jetzt mit zehnjähriger Verspätung in Tetsuya Hondas (Jahrgang 1969) Roman Blutroter Tod kennen. In ihrem ersten Fall bekommt es die blitzgescheite Ermittlerin der Tokioter Mordkommission gleich mit elf Leichen zu tun. Alle scheinen sie Opfer eines perversen Rituals zu sein – einer Todesshow, die so lange einmal pro Monat weitergehen wird, bis man ihren Organisatoren das Handwerk gelegt hat. Von DIETMAR JACOBSEN
Sie ist gerade einmal 29 Jahre alt und leitet schon ein Team der Tokioter Mordkommission. Zwei erfahrene Kommissare und zwei jüngere Polizeibeamte stehen unter dem Befehl der Hauptkommissarin Reiko Himekawa. Und die lässt sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen. Durchsetzungsfähig, intuitiv immer in die richtige Richtung denkend und – wenn es sein muss – knallhart und rücksichtslos auch sich selbst gegenüber, ist sie für ihre Vorgesetzten stets dann erste Wahl, wenn es einen Fall zu lösen gilt, der besonders schwierig scheint.
Dass man es mit einem solchen zu tun hat, als mitten in einem Tokioter Wohngebiet eine Leiche auftaucht, liegt auf der Hand. Vor seinem gewaltsamen Ende offenbar auf grausamste Weise gefoltert, wurde der Tote in eine blaue Plane verschnürt und an einem Ort liegen gelassen, wo er nicht lange verborgen bleiben konnte. Sollte der Mann schnell gefunden werden, fragt man sich unter den Ermittlern. Oder wurden der oder die Täter bei der Beseitigung des Leichnams gestört?
Als Reiko den Fall in Verbindung bringt mit dem mysteriösen Tod eines jungen Mannes, der sich kurz zuvor in einem nahe gelegenen Teich mit einer parasitären, das menschliche Gehirn zerstörenden Amöbe infiziert hatte, wird schnell klar, was passiert sein muss. Derjenige, der die eingeschnürte Leiche in dem Teich versenken sollte, war bereits selbst tot und konnte seiner Aufgabe deshalb nicht mehr nachkommen. Dies deutet freilich auf eine Routine hin, die den Schluss zulässt, dass es noch mehr Tote in dem Gewässer geben muss.
Eine Frau für die kniffligen Fälle
Als nach und nach weitere Leichen auftauchen, die Folterspuren aufweisen und in identische Planen eingewickelt sind, steigt die Nervosität bei den Polizeibehörden. Man weiß nun, dass man es mit einem gefährlichen Serientäter zu tun hat, der über Mittel und Wege verfügt, seine Taten geschickt zu verschleiern. Die Maßnahme, Reikos Männern eine zweite Ermittlungseinheit an die Seite zu stellen, die von dem der jungen Frau verhassten Kensaku Katsumata geleitet wird, erweist sich freilich als wenig glücklich.
Der ausbrechende Konkurrenzkampf zwischen den beiden Teams hemmt die Aufklärung des Falls mehr, als dass er sie fördert. Zudem beschwören Alleingänge einzelner Polizisten neue Gefahren herauf. Und über eine undichte Stelle in den Reihen der Polizei scheint sich der Gegner über jede gegen ihn eingeleitete Maßnahme auf dem Laufenden zu halten.
Eine Seite aus dem Darkweb führt die Ermittler schließlich auf die richtige Spur. Die Antwort, die sie auf alle Fragen bezüglich der mysteriösen Todesfälle gibt, will freilich zunächst niemand so richtig glauben. Treffen sich tatsächlich einmal im Monat mitten in Tokio Menschen, um live zuzusehen, wie in einer perversen Bühnenshow einer der ihren langsam zu Tode gequält wird? Und wer ist der brutale Henker, den man für das blutige Geschäft angeheuert hat?
Blutige Geschäfte
Mit Reiko Himekawa hat Tetsuya Honda eine interessante Frauenfigur geschaffen, auf deren weitere Entwicklung – für Ende 2017 hat der Fischer Taschenbuch Verlag den zweiten Teil der Serie angekündigt – man gespannt sein darf. Mit siebzehn Jahren selbst einem Gewalttäter zum Opfer gefallen, ist sie Polizistin geworden, um andere vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren. Und sie nimmt bei der Ausübung ihrer Profession, die sie immer wieder mit menschlichen Abgründen konfrontiert, keinerlei Rücksichten. Weder auf sich und ihre Familie, die sie gerne auf ganz traditionelle Weise verheiratet und damit fern aller Gefahren sähe, noch auf ihre Kollegen und Vorgesetzten, denen sie gelegentlich zu impulsiv und nicht berechenbar erscheint.
Titelangaben
Tetsuya Honda: Blutroter Tod
Aus dem Englischen von Irmengard Gabler
Frankfurt/Main: S. Fischer Verlag 2016
413 Seiten. 9,99 Euro
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