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Eschels. Eine Episode von Scammon

Textfeld | Wolf Senff: Scammon und der Wal

eins

Gramner hatte seine Kombüse vor dem Großmast. Der Nachmittag ging zu Ende, und die Männer kamen vom Strand, sich Essen zu holen. Die meisten ließen sich anschließend erschöpft auf dem Vorderdeck nieder und waren froh, zu essen. Scammon ging nach mitschiffs zu den Verwundeten, erkundigte sich nach ihrem Zustand, blickte besorgt nach Eldins lädierter Schulter und schlug Harmat, Crockeye und Mahorner vor, sie sollten morgen hinaus auf den Ozean rudern und dort den Teufelsfisch auskundschaften. Wer sie begleiten wolle, dem sei es erlaubt. Dort zu jagen sei nicht beabsichtigt.

Er sei ein guter Kapitän, darin waren sie einig.

Er kümmert sich um euch, sagte Eldin und nickte zustimmend.

Mich muss er morgen nach dem Teufelsfisch schicken, anderes geht gar nicht, widersprach Crockeye erzürnt: Wenn ich erst diese Nacht geschlafen habe, wird der Schmerz vorüber sein.

Du wirst dich mehrere Nächte gedulden, mahnte Mahorner.

Als es dunkelte, wachte Pirelli auf.

Eldin, der neben ihm lag und von dem gelegentlich ein Ächzen zu hören war, und Mahorner, der sich gegen den Fockmast gelehnt hatte und nach dem Himmel starrte, sahen überrascht zu ihm hin.

Pirelli war benommen und fand mit Mühe seine Sprache. Er fühle sich schwach, sagte er, aber spüre nirgends einen Schmerz, versicherte er ihnen. Der Kopf sei ihm müde und leer.

Je länger er sprach, desto deutlicher wurden seine Worte. Seine Sätze genauer.

Wir hatten gefürchtet, dich zu verlieren, sagte Mahoner.

Zu früh gefreut, sagte Thimbleman und lachte.

Pirelli war bald erschöpft; sie gaben ihm einen Schluck Branntwein, und er hörte ihnen noch zu, während sie von den Ereignissen beim Walfang erzählten, dann sank er in einen erfrischenden Schlaf. Erleichtert eilte Mahorner zum Kapitän und berichtete ihm.

 

zwei

Erneut nutzt Sut eine Unterbrechung und greift in das Geschehen ein; wendet sich wider die, wie er sagt, Parteinahme für die Verletzten. So keinesfalls! sei sein Jahrhundert gewesen. Krankenpflege an Bord: Ein Nonnenkloster! Das amüsiere ihn!

Der Alltag, konstatierte er kraftvoll, ereigne sich am Strand! Dort erwarteten die Männer am Brennofen und an den Schaluppen, zu welchen Befehlen sich Scammon finden würde, die Lage sei kritisch.

Doch sei niemand aufgeregt, zumal, fügte er hinzu, der Grauwal in großer Anzahl vor ihren Augen daherschwimme. Niemals zuvor hätten sie so reiche Beute gesichtet, der Teufelsfisch sei übermütig, das seien gute Neuigkeiten; denn sie wüssten genau, wie langwierig man dem Wal auf hoher See nachstöbere. Hätten nicht die Männer der ›Black Warrior‹ von ihren beschwerlichen Wochen des Nichtstuns berichtet?

In der Ojo de Liebre dagegen herrsche kein Mangel an Grauwal, niemand werde durch tosendes Meer bedroht, und der Kapitän habe gleich am ersten Tag zwei Tiere erlegt! Da verlange jemand nach einer Unterbrechung? Nur ein Narr komme auf solche Gedanken! Die Dinge seien bestens geregelt. Verletzte hätten sie stets gehabt. Keine Fangreise ohne Blessuren. Jede Wunde heile, jeder Schmerz vergehe.

Wer in diesem flachen Gewässer über Bord gehe, der müsse nicht aufgegeben werden, und niemand müsse deswegen ein Gewese veranstalten. Dort draußen das weite Meer sei es, das seinen Tribut einfordere! Und? Wer wolle das beklagen? Dem Menschen stehe nicht an, mit seinem Schicksal zu hadern! Wen die See rufe! Jeder kehre heim, ob Kapitän, ob Matrose!

 

Grauwal

drei

Sut gesellte sich den Männern an Bord zu: Auf allen Meeren setzt der Mensch dem Wal nach. Was wissen wir davon! Auch auf dem jenseitigen Ozean, den wir überqueren müssen, um nach der Alten Welt zu gelangen, ist der Wal begehrte Beute.

Der Mensch ist zügellos in seiner Gier, ergänzte Mahorner.

Thimbleman lachte empört auf: Der Goldsucher meldet sich zu Wort! Der Neunundvierziger! Der muss es wissen!

Gramner erinnerte an die Frisco 49ers, eine höchst erfolgreiche Football-Mannschaft. Sie hätten fünfmal den Cup gewonnen. Da hatte er sich in der Zeit vertan, wir müssen achtgeben, dass die Dinge nicht aus der Reihe tanzen, die Zeiten drohen ihre Balance zu verlieren.

In der Nähe des Britischen Königreiches, knüpfte Sut an und ignorierte die Unstimmigkeit, südlich des Kanals, dort leben die Holländer, eine alte Seefahrernation, ihr werdet von ihnen vernommen haben. Ihre Schiffe segeln auf allen Meeren der Welt, berühmt und gefürchtet ist ihre Ostindien-Kompagnie.

Heutzutage ziehen sie großen Ertrag aus dem Walfang und ernähren davon ihre Familien. Im Nordmeer, auf der anderen Seite der Erdkugel, besitzen sie ihre ergiebigsten Gründe. Nein, das sei nicht jenes Nordmeer, von dem Zhuangzi erzählt: Im öden Norden gebe es ein dunkles Meer, das sei das Meer des Himmels, sagt er, und dort lebe ein Fisch namens Kun, sagt er, der mehrere tausend Trizents breit sei, sagt er, aber niemand kenne seine Länge.

Doch glaubt mir, das ist eine andere Welt und es sind andere Geschichten, zum Beispiel die Episode vom Brunnenfrosch, die der Herr des Nordmeeres erzählt, ihr erinnert euch – ein andermal.

Die Männer waren neugierig auf Suts Geschichten. Meine Güte, wie kannte er sich aus! Sie hatten sich erwartungsvoll dazugesetzt, und es kamen noch einige andere, auch Schwarze vom Begleitschiff ›Marin‹, das war mutig, doch niemand störte sich daran, jedenfalls erhob niemand Einwände und würde einen Streit anzetteln; dass Sut erzählte, hatte sich in Windeseile herumgesprochen.

Wie alt ist Sut?, fragte McAlister.

Er wisse es auch nicht, flüsterte Harmat.

Ruhe!, zischte Thimbleman.

Auf Schmackschiffen – flachen, breiten Frachtseglern mit Großmast und niedrigem Besan – seien stets die Männer und die Jungen von weither nach dem großen Hafen Amsterdam eingeholt worden, um auf Robbenschlag zu gehen oder, besser noch, ihre Heuer auf einem Walfänger, einem Grönlandfahrer, anzutreten. Ich erzähle euch heute von Jens Jakob Eschels, der in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf Walfang fuhr, da wussten wir kaum, dass es den Teufelsfisch gab.

Zwölf war er, in einigen Monaten würde er dreizehn, ein schmächtiger Bursche noch, ein Ururenkel des Föhringers Matthias des Glücklichen, und war mit den verwegensten Kerlen im Nordmeer, ungehobelten Seeleuten. Sut lachte und blickte spöttisch in die Runde: Ihr wisst, wovon ich rede.

Welch verzweifelter Aufbruch für den Jungen! Ihr glaubt mir nicht, was für eine Kälte dort herrscht! Danach ging Eschels noch einige Male auf große Fahrt, wurde schließlich Kapitän und Eigner eines Handelsschiffes. Das ist ein Leben, von dem euch träumt.

Grönlandfahrten, müsst ihr wissen, waren gefährliche Abenteuer. Unser Teufelsfisch ist im Sommer Gast in den polaren Breiten und weiß ein Lied davon zu singen. Die Walfänger jagen dort entlang den Rändern weiter Eisfelder, die in Länge und Breite sich über mehrere Kilometer erstrecken, jedoch, da sie südwärts treiben, bald bersten und sich schmelzend ineinander schieben und über einander und stapeln sich auf.

Deshalb geschah es häufig, dass ein Schiff vom Eis besetzt wurde; es lag ausweglos zwischen geborstenen Schollen, die aufeinander zu gedrückt wurden und sich unter das Schiff schoben, bis es manövrierunfähig auf Eis lag, die Takelage verfroren, klirrend vor Eis, da gab es nichts mehr zu tun.

Suts Zuhörer nahmen Anteil. Sie waren abgelenkt. Crockeye hatte seine Schmerzen vergessen. Pirelli hörte aufmerksam zu.

Wenn Sut schon keine Medizin bereithält, sagte Mahoner, wollen wir wenigstens unterhalten sein.

Für keinen Walfänger, erzählte Sut, wäre dieses Schicksal überraschend. Die Mannschaften waren an die Unwirtlichkeit des Eises und an seine Kälte gewöhnt. Sie hielten zusammen, versteht ihr? Nein, versteht ihr nicht, ich sehe es euch an! Sut blickte seine Zuhörer nachdenklich an, niemand sagte ein Wort.

Wer neu war, sagte er, musste sich eben anpassen, und jedes in Sichtweite jagende Schiff war bedingungslos bereit, eine auf dem Eis gestrandete Besatzung aufzunehmen, das würde niemand infrage stellen.

Sieh einer an!, rief der Ausguck: Kein Wettbewerb? Keine tückische Konkurrenz? Kein erbitterter Streit um Beute?

Eine andere Welt, sagte Crockeye und stöhnte.

Europa, sagte Pirelli.

Jens Jakob Eschels, sagte Sut und ließ sich nicht stören: So jung war er zum ersten Mal auf See, jünger als du, Thimbleman, und hatte sich mehrfach in solcher Not gefunden. Davon sollt ihr vernehmen!

Auch heute, Thimbleman, geben Eltern ihre Kinder auf See, das weißt du von San Francisco, nicht selten im zehnten oder elften Lebensjahr. Hast du kleine Brüder? Das Elend in der Stadt nimmt überhand, doch die Seefahrt ist überall gleich. Auf jedem Grönlandfahrer waren ein Schiffsjunge und ein zwei Jahre älterer Kochsmaat an Bord. Im Herbst kehrten sie zurück, wenn sie die Gefahren überlebt hatten, und besuchten während der Wintermonate eine Schule. Dir wird nichts geschenkt.

Jens Jakob Eschels stammte von der Insel Föhr an der Westküste Jütlands. Das Leben aus den Erträgen der Seefahrt war schlicht. Kein Vergleich mit dem pompösen Lebenswandel derjenigen, die in der Stadt Frisco vom Goldrausch profitieren, sagte Sut.

Überall stößt man dort auf Krösusse, die sich gewissenlos bereichern, sagte McAlister.

Kein Wunder, wenn eine Stadt vom Goldrausch komplett besoffen ist, erwiderte Thimbleman: Wenn jeder an sich denkt, ist für alle gesorgt? Nein, so klappt es nicht.

Amsterdam!, rief Sut aus: Ihr habe keine Ahnung, wo die Stadt Amsterdam liegt?

Nicht weit von Brüssel, brummte Gramner, Brüssel sei die Hauptstadt Europas, doch niemand hörte ihm zu.

Der Walfang nahm seinen Anfang in Amsterdam!, rief Sut: Jedes Frühjahr wurden tausendzweihundert Mann überallher von den Inseln auf Schmackschiffen nach Amsterdam geschafft und heuerten auf den auslaufenden Seglern an. Eine bedeutende Hafenstadt, das war Amsterdam!

Glückte es einem wie später Jens Jakob Eschels, dass er sparsam mit den Erträgen umging und davon etwas erübrigte, so erwarb er Landbesitz. Sobald einer ausreichend besaß, dass seine Familie ernährt war, verließ er für gewöhnlich die See.

Was erzählst du Geschichten, Sut!, riefen ihm einige dazwischen: Die See ist unser Leben!

Sut ließ sich davon nicht abbringen, er ließ sich nie von etwas abbringen: Nur der einfache Seemann, sagte er, der müsse im Alter sein Brot auf See verdienen. Wer klug sei, lege beizeiten Geld auf die hohe Kante.

Jens Jakob Eschels war bitterarm. Seine Eltern waren durch Schulden des Großvaters belastet, eintausendfünfhundert Mark Courant, die sie nicht abzutragen wussten. Wegen dieser Not verließ er sein Elternhaus und ging so jung zur See. Denkt euch nicht, dass es ihm leichtfiel, er war kein Bruder Leichtfuß, die Mutter trennte sich schweren Herzens von ihm.

Nun fahren sie doch zur See? Du bringst uns durcheinander, Sut!, unterbrachen ihn einige Zuhörer erneut.

Sut erzählt seine Geschichten!, alberten die, die auf dem Vorderschiff saßen. Kommt her!, riefen sie zum Strand hin und winkten: Kommt alle her! Sut erzählt Geschichten vom Wal!

 

Hunting of sperm whale

vier

Wenngleich sich die Männer, wie eben gerade, bisweilen lustigmachten, gab es unter den Matrosen kaum einen, der Suts Geschichten geringgeschätzt, gar missbilligt hätte. Manchmal hielten sie ihm vor, er erzähle stets dieselben Geschichten, ach, heute redeten sie so und morgen wieder anders, der Widerspruch lag ihnen im Blut.

Wenn sie getrunken hatten und sich mutig fühlten, riefen sie es ihm hinüber, während er erzählte: Galapagosfahrt 1847! Ladenhüter! Welch ein Bart! Kannten wir längst! Das hörte sich trotzig an, doch handgreiflich wurden sie nicht. Und wenn einer aufstehen wollte, sich unter Suts Zuhörer zu mischen, hielten seine Kumpane ihn fest.

Sut ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, weshalb sollte er. Missgunst, sagte er sich, findest du überall. Er kannte andere, die noch am hämischen Einwurf sich aufgerichtet hätten. Doch herablassend auftreten? Menschenverachtend? Nein, das war seine Art nicht, er schätzte seine Zuhörerschaft. Im Hafen, wusste er, wenn er im Hafen erzählte oder in einer der Spelunken, scharten sich vierzig, fünfzig Mann um ihn und hingen ihm an den Lippen, weshalb, er konnte sich das nicht erklären.

Auch diejenigen verkannten Sut, die ihm vorwarfen, er lebe in anderen Zeiten oder nur fern jeder Gegenwart. Zwar nistete sich mancher in einer Vergangenheit ein und verlor alles übrige aus dem Sinn, dass er sogar aus der eigenen Gegenwart herausfiel. Aber doch nicht Sut!

Was wollt ihr denn hören?, tadelte er seine Zuhörer: Die Verhältnisse sind nirgends anders, zu keiner Zeit. Jens Jakob Eschels, ich will von diesem Jens Jakob Eschels erzählen, der soll euch ein Beispiel sein. Er war das älteste Kind gewesen; diese empfinden stets eine besondere Verantwortung gegen die übrigen Geschwister und die Familie. So mancher unter euch weiß das. Obgleich die Mutter ihn liebgewonnen hatte und ihr die Trennung nicht leichtfiel, wird sie ihm zugetraut haben, dass er sich behaupten könne, und hoffte inständig auf seine unversehrte Rückkehr.

Scherzhaft, heißt es in Eschels‘ nachgelassenen Schriften, scherzhaft nur habe sie gesagt, er solle aufbrechen, sein Geschick in die eigenen Hände nehmen, sich um eine Heuer kümmern, solle zu Martin Knudten nach Midlum, dem Nachbardorf, gehen, sich zu erkundigen. Ihr war die Bürde ihrer Kinder schwer geworden. War es wirklich im Scherz gesagt? Ich zweifle daran, sagte Sut, wenngleich Jens Jakob sie liebevoll gegen jeglichen Vorwurf verteidigt.

Nach und nach, heißt es weiter in jenen Schriften, sei ihr die Tragweite ihrer Worte bewusst geworden: als Eschels sich nach Midlum auf den Weg machte, als er mit einer Zusage heimkehrte, als er zielstrebig und ernsthaft seine Abreise betrieb. So nutze, preisen die nachgelassenen Schriften, der waltende Geist die Sprache und gestalte die Welt, ohne dass des Menschen schwankendes Bewusstsein schritthalte.

Ich muss mich besinnen, sagte er, was denkt ihr, die Dinge fallen mir nicht zu. Doch Jens Jakob Eschels soll euch Beispiel sein.

Ist euch überhaupt klar, wie elend eine Überfahrt auf dem Schmackschiff verläuft? Ach! Was wisst ihr! Rücksichtsloser transportiert wurden allein noch die Ahnen unserer eigenen farbigen Mannschaft – vom afrikanischen Erdteil die Schwarzen über den atlantischen, von China die Gelben über den pazifischen Ozean. Das sind die Namen der großen Meere, versteht ihr, und wer sie überquert, setzt sein Leben aufs Spiel.

Eng, sagt ihr, sei es für dreißig Mann auf der ›Boston‹. Das Schmackschiff, auf dem der kleine Eschels Amsterdam erreichte, ein Zweimaster wie unsere ›Marin‹, trug hundert Mann über die Nordsee. Unter Deck quer über die Breite waren sie in vier Reihen gelagert. Jeder spürte die Füße seines Vordermanns neben dem Kopf. Eschels war nicht der einzige Junge und war zum ersten Mal auf Fahrt. Viele mussten sich übergeben, hatten vorsorglich bei ihrem Kopfkissen einen Stiefel liegen, worein sie sich erbrachen. Die nicht seekrank wurden, lachten über die Qualen der anderen. Am Abend wurden Luken und Luftlöcher fest verschlossen, damit die nächtliche Kälte nicht einzog und kein Salzwasser einschlug.

Währenddessen pafften die älteren Seemänner im Zwischendeck noch dichte Rauchwolken aus ihren Stummelpfeifen, sagte Sut.

Ach! Was denkt ihr!, rief er den Männern zu: Wie stellt ihr euch die Welt vor! Welch eine Überfahrt!

Sie sahen einander an, zwinkerten einander zu und waren prächtig unterhalten.

Die Schiffsreise dauerte von der Insel Föhr vier Tage. Eschels wurde von seinem Oheim begleitet, der neun Jahre älter war. Er werde ebenfalls auf dem Grönlandfahrer anheuern, hatte dieser fest versprochen. Doch als sie eingetroffen waren in Amsterdam, als sie angeheuert hatten und Eschels in die Schaluppe stieg, an Bord überzusetzen, zog der Oheim eilig seinen Fuß zurück und blieb an Land.

Wie sehr, meint ihr, fühlte Eschels sich getäuscht? Vermögt ihr gar nicht nachzufühlen, wie es dem Jungen erging? Was seid ihr für verstockte Kerle!

Nur gut, sagte Sut, dass Jens in seinem Alter die Tragweite des Geschehens gar nicht verstand. Er fühlte sich nicht einmal betrogen, vielleicht dass er sich im Stich gelassen fühlte und ratlos einige Tränen weinte; doch er erinnerte sich an die Mutter, die ihn in den Armen hielt, während sie klagte, wie schwer es ihr falle, die Kinder großzuziehen. Er sei nun alt genug, hatte sie gesagt, sein eigenes Geld zu verdienen, und er werde in wenigen Monaten zurückkehren. Sie hatte Tränen in den Augen, es herrschten andere Zeiten.

Oder vielleicht gar nicht andere Zeiten, überlegte Mahorner, der das Elend in San Francisco kennengelernt hatte. Der Mensch schaffe es einfach nicht, für seinesgleichen zu sorgen. Doch müsse man sich damit abfinden?

Alles Aufgeschriebene, sagte Sut, sei Legende, wie jeder wisse. So hocke Scammon in seiner Kajüte und schreibe Aufsätze über den Lagunenwalfang. Wer von euch möchte zweifeln, dass die Mutter den Jungen ungern hergab? Die Trennung war herzzerreißend, und dennoch war sie erleichtert, den ersten Sohn außer Haus zu haben. Der Oheim stieß ihn ins Leben, Jens Jakob war ein guter Junge, nun war er in Arbeit und Lohn. Welch ein Aufbruch!

 

fünf

Mit drei anderen Grönlandfahrern lagen sie im Nordmeer zwischen schier endlosen Eisschollen eingeschlossen, Eis wohin der Blick fiel, Eis bis zum Horizont, die Schiffe jeweils nicht weiter als fünfzig Meter von einander entfernt, nein, Jens Eschels verstand nicht, was um ihn herum vorging. Er sah wohl das Eis, die Kälte setzte ihm zu, doch er war unter Menschen, sie sprachen einander Mut zu und hofften alle, die Eisfläche werde aufbrechen und zur offenen See hin werde sich eine Lücke öffnen. Zwei Tage lang ereignete sich nichts. Sie froren erbärmlich, und allmählich ging ihnen das Feuerholz aus. Proviant wurde geiziger ausgegeben als zuvor.

In der dritten Nacht hörten sie ein Knirschen und Knacken wie sonst nicht, das Eis drückte dicht aufeinander zu, dass ihnen angst und bange wurde, kaum jemand schlief.

Früh bei Sonnenaufgang wurden alle Mann an Deck kommandiert, denn die Eisdecke drohte sich unter ihrem Schiff zu schließen, das Schiff war in Gefahr, leckgeschlagen oder vom Eis aufs Trockene gelegt zu werden. Schon krachte das Schiff unter dem Druck des Eises, das gegen den Rumpf drückte und das Schiff langsam hob.

Für langes Reden war nicht die Zeit. Die Männer beeilten sich, den übrigen Proviant von Bord zu schaffen, und waren froh, wenn für einige Minuten der Druck vom Eis nachließ. Doch er setzte daraufhin nur desto stärker ein. Das Holz der Planken krachte furchterregend.

Soll ich euch ausmalen, fragte Sut, wie die Mannschaft um ihr Schiff zitterte? Kein Wal richtet größeren Schaden an! Wer noch im Lagerraum beschäftigt war, Lebensmittel zu packen, stieg heraus und kümmerte sich hastig um seine Kleider und um das Schlafzeug. Alles lief durcheinander.

Die Männer stöhnten auf. Lagen sie doch hier in einer Lagune nicht weit entfernt vom Äquator und ließen sich vom Walfang in der Arktis erzählen. Am Nordpol! Welch unwirtlicher Ort! Sut war ein schauriger Geschichtenerzähler, so grausam konnte das Leben sein, und sogar Thimbleman dachte darüber nach, vielleicht doch nicht auf große Fahrten zu gehen.

 

sechs

Der junge Eschels stand im Begriff, seine Habseligkeiten zu retten, sagte Sut, als der Commandeur von seiner Hütte auf Deck brüllend mahnte, zuerst sich um die Lebensmittel zu sorgen. Jetzt sei nicht die Zeit, zu trödeln.

Eschels wandte sich sogleich um und rannte zum Lagerraum. Jedoch es war zu spät; das Eis drückte heftiger gegen die Bordwand, das Holz krachte, als wolle es bersten. Das Schiff ruckte bedrohlich und schien sich seitwärts zu neigen.

Die letzten Männer hasteten aus dem Lagerraum, schleppten Bottiche und rollten Fässer. Eschels, der weitere Sekunden zögerte, hörte den Ruf eines Älteren und folgte endlich.

`Kappt die Masten über Bord!‘, erscholl da der Ruf des Commandeurs, indes das Schiff bereits zur Seite überfiel.

Es wurde denkbar knapp für unseren jungen Mann, das möchtet ihr glauben. Zu guter Letzt, den Seesack über der Schulter, erwischte er glücklich eine Schaluppe, die steuerbords hing, sprang von dort hinab aufs Eis und rannte wie der Blitz unter den Masten hinweg, sich aus ihrer Reichweite zu retten. Aus sicherem Abstand sah er zu, wie sie, gekappt, auf das Eis herabstürzten. Weshalb werden die Masten gekappt?, fragte er sich, er verstand wenig und war verwirrt.

Nun hatten sie ihr Schiff verloren und schauten verlassen um sich her. Dem jungen Eschels trieb die Kälte Tränen in die Augen. Die ›Seeschlange‹, ein solider Dreimaster, war im Nebel nur als Schemen sichtbar, sie hatten auf dem glatten Eis einen ordentlichen Weg vor sich, ihn fror.

Die Zuhörer schüttelten sich. Sut hatte in jeder Situation eine geeignete Geschichte auf Lager. Er war aber auch ein feuriger Erzähler, bewegte leidenschaftlich seine kräftigen Arme, fuchtelte dramatisch mit den Händen und fühlte sichtlich mit dem jungen Eschels mit, wenn dieser bedrängt war oder unter der Kälte litt.

Das Eis nahm kein Ende, versteht ihr? Es war bitterkalt, ein Desaster, nicht wahr, eine Welt brach zusammen. Eschels beobachtete, dass auch von den anderen festliegenden Seglern Männer zur ›Seeschlange‹ aufbrachen, die dem Drängen des Eises bislang wohl als einziger Walfänger schadlos widerstanden hatte. Ihn tröstete der Gedanke, dass er nicht allein war. Im Grunde genommen erfüllte ihn eine kaum erklärliche Zuversicht, das Leben werde ihn stets voranführen, auch wenn das Ziel noch unbekannt war. Er war neugierig und dachte nicht über sein Geschick nach, die Ereignisse kamen ja unausweichlich auf ihn zu.

So einer passt perfekt auf die ›Boston‹!, rief Eldin mit schwächlicher Stimme, zuckte und hielt sich erschrocken die Schulter.

Auf der ›Seeschlange‹ trafen Mann für Mann die Schiffbrüchigen ein und richteten sich ein, so gut es möglich war, sie hatten überlebt. Zwei Tage lang sollten sie es hier aushalten.

Dieses Schiff war, wie Eschels jetzt bemerkte, ebenso vom Eis eingeschlossen und sogar ein gutes Stück emporgehoben worden. Doch es war nicht beschädigt und stand fest auf seinem Sockel wie ein Denkmal.

Sobald das Eis zur Ruhe gekommen war, hatten die Männer verzweifelt versucht, ihr Schiff mit Tauen und mächtigen Eishaken ruckweise ingang zu zerren, dass es vielleicht Fahrt aufnehme und über den Rand des Eises zurück in die See gleite. Die gesamte Mannschaft stand auf dem Eis und zog auf Kommando mit allen Kräften, die Gefahr nicht achtend, der sie sich aussetzten. Die Neuankömmlinge schlossen sich ihnen an, doch sie hatten kein Glück.

Da schlug einer der älteren Matrosen vom Nachbarschiff, der selbst einmal als Kapitän auf Grönland gefahren war, vor, sie sollten sich alle an Deck versammeln und auf Kommando gemeinsam zum Bug laufen, das Schwergewicht zu verlagern, und wirklich, sie spürten es und erschraken, das Schiff ruckte ein wenig.

Das schien ihnen ein kleiner Erfolg gegen das frostige Element, sie jubelten, sie schöpften Hoffnung, und als sie zum zweiten Mal liefen, neigte sich der Kiel und das Schiff schlitterte und glitt plötzlich mit solcher Geschwindigkeit, als ob es von der Helling gelassen sei. Von der heftigen Erschütterung riss sich unterhalb des Schiffskörpers ein mächtiger Eisbrocken los. Ehe die Männer begriffen, was geschah, rutschte das Schiff geradewegs bis ins offene Wasser. Die Freude unter den Männern war unermesslich, sie brachen in Jubel aus.

Death_Flurry_of_a_Sperm_Whale
Millet, Samuel (1924) Whaling Voyage in the Bark Hales&Willis 1849-1850, Boston, MA: Privately Printed

Sie ließen sogleich zwei Schaluppen zu Wasser, um die Zurückgebliebenen vom Eis zu holen, dann setzten sie erleichtert Segel, der Wind trieb sie südostwärts, wo sie ganz aus dem Eis herauskämen. Am äußersten Eisfeld trafen sie auf ein ganzes Dutzend holländischer Schiffe und verteilten ihre Schiffbrüchigen unter diesen.

Die Männer atmeten erleichtert auf und applaudierten: Was für eine Geschichte!

Blieb man aber über einen längeren Zeitraum vom Eis besetzt, sagte Sut, und nichts änderte sich, konnte die Lage lebensgefährlich werden, man war den Unbilden der frostigen Natur schutzlos ausgeliefert.

Die Männer stöhnten. Was für ein Glück hatten sie hier in ihrer Lagune! Eis? Was war das, Eis? Die meisten von ihnen hatten in ihrem Leben kein Eis gesehen.

Manche Besatzung war gezwungen, sagte Sut, im Eis zu überwintern, und wurde manchmal in der nächsten Fangsaison gerettet.

Die Männer fröstelte.

Ohne Feuerwaffen, sich gegen Eisbären zu verteidigen, fügte Sut hinzu, war man verloren. Die Mannschaften der eingeschlossenen Walfänger hatten außerdem großes Glück, dass der Kapitän gewissenhaft darauf achtgegeben hatte, sich in Sichtweite anderer Schiffe zu halten.

Wie gut, dass wir dicht über dem Äquator jagen!, riefen ihm einige zu und lachten: Da werden wir kaum vom Eis eingeschlossen!

Bildoon widersprach: Auch für uns ist das Meer das Seemannsgrab.

Nach dem Wal zu jagen, ist überall gefährlich, beschwichtigte Harmat.

 

sieben

Die Mannschaft der ›Boston‹ war beinahe vollzählig bei der Persenning versammelt. Vom Schoner waren Farbige hergekommen. Sie waren geduldet, und niemand belästigte sie. Die Nachricht, dass Sut erzählte, hatte auch sie erreicht, und Sut hatte gegen ein zahlreiches Publikum nichts einzuwenden. Einige waren vom Alkohol berauscht und ganz in der Nacht versunken. Manche schliefen. Die meisten aber hörten aufmerksam zu und tauschten ihre Meinungen nebenher und flüsternd aus, damit sie Sut nicht störten.

Die Sonne kündigte sich gegen die Finsternis an. Die Nacht wich nach Westen zurück, am östlichen Firmament dämmerte der Tag. Der Meeresspiegel machte Anstalten, seinen Glanz des Tages anzulegen.

Erzähl, Sut!, spornten ihn einige an: Bravo, Sut!

Sut verschenkte seine Geschichten gern so großzügig wie in dieser Nacht. Dass er kein bisschen abgespannt aussah! Irgendwann hatte er eine Stunde geschlafen. Nun verlieh ihm die Aufmerksamkeit der Männer Flügel, er hob sich über alle Gitter und Grenzen.

Warum schreibt er seine Geschichten nicht nieder?, fragten sich die Männer. Veröffentliche doch auch Scammon Aufsätze und verdiene damit Geld, und dabei handle es sich um fade Aufsätze, nicht um lebendige Geschichten.

Was wollt ihr hören?, unterbrach Sut und lachte: Nehmt euch Jens Jakob Eschels zum Beispiel. Von einer seiner Heimreisen will ich ein letztes Ereignis berichten. Hört zu! Sind die Schiffsjungen wach? Ihr Schiffsjungen: Hört aufmerksam zu!

Während der Schmackfahrt zurück zu seiner Insel Föhr verdunkelte sich der Himmel, weil ein Sturm aufzog. Sie näherten sich bereits den Seelöchern von Amrum, die sie wegen der lebensgefährlichen Brandungen fürchteten. Vor wenigen Jahren war dort ein Schmackschiff in einem starken Nordweststurm leckgeschlagen und niemand der hundertzehn Männer überlebte, vierundsechzig davon waren von Föhr.

Zum Schutz wurden nun sämtliche Passagiere, rund achtzig Mann, in den Decksraum beordert. Die Luken wurden zugespeicht oder zugenagelt. Drinnen wurde es stockduster. Die Leute hatten große Angst, mit dem Schiff in die Brandings getrieben und umgeworfen oder leckgeschlagen zu werden.

Ein nobler Walfangcommandeur setzte mit all den anderen zu den Inseln über. Er hatte sich bei seinem Bäcker in Amsterdam eine prächtige Kalbskeule braten lassen. Von dieser hatten er, seine beiden Söhne und sein Schwiegersohn vor aller Augen einige kräftige Stücke geschnitten und mit sichtlichem Genuss verzehrt.

Nun aber herrschte Dunkelheit. Die See wurde rauh. Die Menschen erschraken und suchten sich aneinander festzuklammern. Unser Eschels, der den Commandeur zuvor genau beobachtet hatte, schlich sich in diesem Durcheinander tollkühn bis zu dessen Proviantkorb, schnitt sich heimlich ein reichliches, pfundschweres Stück von der Kalbskeule ab und verzehrte es sofort mit größtem Appetit.

Er hatte eben Hunger, sagte Thimbleman und lachte.

Was für ein Mensch Jens Jakob Eschels war, sagte Sut: Wer könnte das erzählen! Rückblickend sagt Eschels, dass er selbst oft belogen und verleumdet worden sei. Seine Gewissheit, dies sei stets zu Unrecht geschehen, sei ihm, sagt er, Trost gewesen.

Selbstvertrauen? Gradlinigkeit? Aufrechter Gang? Wer von euch maßt sich ein Urteil an? Seinen inneren Überzeugungen, gesteht Eschels in seinen nachgelassenen Aufzeichnungen, habe er stets getraut. Gewissen und Vernunft seien ihm von Gott ins Herz gepflanzt. Was diesem entgegenstand, habe er niemals geglaubt.

Mehr kann ich euch davon nicht erzählen.

Nichts, rein gar nichts war geblieben von dem aufschneiderischen Tonfall seiner Pottwal-Episode. Wer weiß, wie Sut sich weiterhin verändern mag!

Eschels, knüpfte Sut wieder an, stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Er liebte seine Mutter von Herzen und gab nach seinen Fahrten zu Hause ab, was er erübrigen konnte. Das müsste vielen von euch ein Beispiel sein.

Halte deine Predigten anderswo, Sut!, bellte einer vom Vorschiff dazwischen, und die Zuhörer blickten sich nicht einmal nach ihm um.

Eschels, setzte Sut ungerührt fort, ist sein Leben lang gottesfürchtig und redlich gewesen.

Hör‘ doch, Sut!, unterbrach Mahorner: Indes alle übrigen geduckt und ängstlich verharren, sagst du selbst, schleicht Eschels zielstrebig durch den Raum und fürchtet nicht Tod noch Teufel. Wie kühl wird er sich den Plan überlegt haben, längst bevor es dunkel war! Was weißt du über seine Persönlichkeit!

Stets verfolgte er gradlinig sein Ziel, entgegnete Sut.

Der Hunger wird es gewesen sein, der ihn trieb, sagte McAlister.

Die Männer lachten.

Glaubt mir, Eschels war ein redlicher und pflichtbewusster Mensch, der seine Aufgaben zuverlässig erfüllte. Wo wäre er geendet, wäre er rebellisch gewesen?

Da gaben sie ihm recht und waren amüsiert.

| WOLF SENFF

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