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Simply touched!

Bühne | Denise Stellmann: Touched. Im Hamburger Sprechwerk

Was kann eine Krankheit noch ausrichten, wenn ihr Gegner entschieden hat, diesen Kampf als Sieger zu verlassen? Denise Stellmann erzählt in ihrer neuesten Bühnenproduktion die bewegende Geschichte einer starken Frau, die mit einer Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung lebt, aber unerschütterlich an Wunder glaubt. Ihr Wunsch: dass wir genauer hinsehen, um Traumata in der Gesellschaft transparenter zu machen. Von MONA KAMPE

Stellmann Touched Hamburg 1Man stelle sich ein Kind in Aleppo vor, das täglich mit Kriegsbildern und in Zerstörungsszenarien aufwächst. Was fühlt es? Wie verarbeitet es diese? Wird es sie jemals los? Wer kümmert sich darum? Was können wir tun, damit es später nicht an Folgen wie Angst und Hilflosigkeit zerbricht?

Forscher nehmen an, dass die Hälfte aller Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit einem traumatischen Ereignis konfrontiert wird. Dieses kann verzögerte Folgeerscheinungen hervorrufen, die sich in mentalem Wiedererleben oder Vermeidung sowie Verzweiflung äußern. Eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung, die aus schweren Kindheitserlebnissen herrührt, kann in jedem schlummern – auch ohne, dass der Betroffene es weiß. Denise Stellmann möchte mit ihrer neuen Bühnenproduktion ›Touched‹ ein Bewusstsein für Traumata und Heilung in der Gesellschaft schaffen.

Inspiriert von zwei persönlichen Geschichten aus ihrem Umfeld und einem Jahrzehnt intensiver Recherche, erzählt die Regisseurin den authentischen Lebensweg einer jungen Kriegerin, die den schonungslosen Weg der Heilung geht. »Touched ist ein Drama. Da ich eine wahre Geschichte erzähle, müssen bestimmte Dinge schonungslos abgebildet werden, aber nicht auf überspitzte Weise. Obwohl es ein echtes Drama ist, ist es durch den besonderen Charakter der Protagonistin aber auch unglaublich berührend und es finden sich schöne, inspirierende Dinge darin, wie Mut, Hoffnung und Stärke«, so die Autorin.

Mit sorgfältig ausgewählten Darstellerinnen, in den Hauptrollen Ines Nieri und Cosma Dujat, die die emotionale Herausforderung meistern können, und den für Stellmann Produktionen signifikanten »Stage meets Movie«-Elementen – dieses Mal 65 Prozent Bühne und 35 Prozent Filmeinspieler – möchte sie vor allem die Folgen und die Heilungsmöglichkeiten einer Belastungsstörung abbilden, die bisher immer noch wenig bekannt oder transparent sind.

 
 
 

Genauer hinsehen, um Traumata transparenter zu machen

Die Regisseurin möchte sensibilisieren – ihre Zuschauer sollen lernen, genauer hinzusehen, dass Traumata allgegenwärtig sind und wie Betroffene und Angehörige positiv damit umgehen können. »Man weiß leider immer noch viel zu wenig über diese Erkrankung, selbst Ärzte kennen sich oft nicht gut genug aus. Eine traumatische Erfahrung aus der Kindheit kann so viel mit Menschen machen und sich auf ihr weiteres Leben auswirken. Ich wünsche mir, dass diese Geschichte mein Publikum berührt, es ein Gespür für Traumata in der Gesellschaft bekommt, vielleicht dem einen oder anderen hilft, eigene Belastungen und Heilungschancen zu erkennen. Dass der eine oder andere genauer hinsieht, um die Folgen und positiven Lebenswege mit Trauma transparenter zu machen.«

Stellmann Touched Hamburg
Denise Stellmann möchte ihr Publikum sensibilisieren

Wie auch in ihren vorigen Produktionen erzählt Denise Stellmann den Heilungsweg einer starken Frau, die trotz ihres schweren Schicksals unglaublichen, beispielhaften Lebensmut und Zuversicht ausstrahlt. Sie hat viel durchgemacht und dennoch viel zu geben. Ihr unerschütterlicher Glaube an Wunder macht sie zu einem besonderen Menschen, der andere positiv inspirieren und Hoffnung schenken kann. »Mir begegnen diese Lebensgeschichten von tollen Menschen und ich glaube, dass sie gehört werden sollten. Daher erzähle ich sie.«
Davon können sich Besucher des Hamburger Sprechwerks ab 25. November 2017 selbst überzeugen. Was sie mitbringen sollten: »Respekt, Offenheit und Vorfreude«.

| MONA KAMPE
Fotos: JULIA SANTOSO

Titelangaben
| Touched im Hamburger Sprechwerk
Eine ›Wortgefechte‹-Produktion des Sprechwerks
Mit: Ines Nieri, Cosma Dujat.
Und: Linda Marlen Runge, Iris Mareike Steen, Christina Richter, Ebba Ekholm, Konstanze Ullmer, Leonie Fuchs, Hristina Kuzmanovska, Jana Jörissen, Christopher Fliether, Aybakis Erucar.
Regie: Denise Stellmann

Termine
Fr 24.11.2017 (Premiere), Sa 25.11.2017 jeweils um 20 Uhr, So 26.11.2017 um 18 Uhr
Fr 19.01., Sa 20.01., Fr 23.02., Sa 24.02.2018 jeweils um 20 Uhr

Reinschauen
| Homepage von Denise Stellmann

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