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Wissenswertes über Erlangen

Comic | Interview | Comic Salon Erlangen 2012

Bodo Birk, der schon 2010 mit Andreas Alt auf TITEL über den Comic Salon geplaudert hat, gibt erneut Wissenswertes über den Comic Salon und eine kleine fränkische Stadt zum Besten. PETER KLEMENT hat sich eine Anspielung auf Foyer des Arts nicht verkneifen können, sich aber sonst nicht daneben benommen.

Comic Salon 2012Zum lockeren Einstieg erst mal ein paar Worte zu Ihnen selbst?
Mein Name ist Bodo Birk, ich bin im Kulturprojektbüro der Stadt für die großen Festivals zuständig, die Erlangen organisiert: Neben dem »Internationalen Comics Salon«, gibt es noch das »Poetenfest« in Erlangen, ein großes Open-Air-Literaturfestival, das eine niederschwellige Form der Literaturvermittlung bietet. Das Festival ist sehr renommiert in Deutschland und findet jedes Jahr an einem Augustwochenende statt. Abwechselnd mit dem »Internationalen Comic Salon«, gestalten wir außerdem das »Internationale Figurentheater-Festival«, gemeinsam mit dem Städtegroßraum Nürnberg, Fürth und Schwabach. Das Figurentheater-Festival ist für alternatives Theater in Deutschland, also Figuren-, Bilder- und Objekttheater oder Theater mit neuen Medien auf der Bühne, genau so bedeutsam, wie es der Comic Salon für die grafische Literatur in der Bundesrepublik ist. Ansonsten macht das Kulturprojektbüro auch andere kleine Aufgaben, wie das eben so in Kulturämter von mittelgroßen Städten ist. In erster Linie hat sich die Stadt aber vorgenommen, dass ihr Kulturprofil diese großen Festivals sind. Neben mir betreut ein Team von vier Festangestellten Kollegen und Mitarbeitern diese Veranstaltungen schwerpunktmäßig. Wenn ein Festival näher rückt, verstärken wir uns zunehmend mit freien Mitarbeitern und befristeten Kräften. Und wenn dann beispielsweise der Comic Salon seine Tore donnerstags um zwölf Uhr öffnet, sind ungefähr 150 Menschen in allen verschiedenen Veranstaltungsorten im Einsatz.

Der Comic Salon in Erlangen existiert sei 1984 und findet alle zwei Jahre statt. Auf welche Themen können sich die Messebesucher in diesem Jahre freuen?
Erstmal möchte ich sagen, dass wir versuchen eine große Bandbreite an Themen, Gattungen und Genres zu bespielen, da wir passendes Angebot für die ganze Breite des Comicpublikums schaffen wollen. Wir fokussieren uns nicht ganz auf ein Motto oder Thema, sondern wir wollen von den Fans des klassischen frankobelgischen Comics über die Graphic-Novel-Fraktion bis hin zu den Anhängern von Mangas oder Superheldencomics für jeden etwas in Erlangen im Programm haben. Unser Ziel ist es, viele Menschen zu erreichen und die Veranstaltung zu sein, die in Deutschland eine Brücke schlägt zwischen den verschiedenen Genres innerhalb der grafischen Literatur, die sich teilweise in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Trotzdem kristallisieren sich natürlich im Vorfeld immer wieder Schwerpunkt und Themen heraus: In diesem Jahr wird man, denke ich, danach von einem sehr politischen Comic Salon sprechen.
 
Das liegt in erster Linie daran, dass wir unsere Hauptausstellung im großen Saal der Heinrich-Lades-Halle dem arabischen Raum widmen werden. Wir erwarten Künstler aus Ägypten, Algerien, Marokko, Tunesien, dem Libanon, Jordanien und Palästina als Gäste in Erlangen und werden ihre Werke ausstellen. Unser Ziel ist es, über die Rolle, die Comics, Karikaturen und Cartoons in diesen Ländern spielen, etwas über den politischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess dort zu erzählen. Das ist ein zentrales, wichtiges und großes Anliegen und ein ambitioniertes Ausstellungsprojekt für uns. Unsere Kuratoren waren dafür Wochen auf Reisen und haben die Künstler in ihren Ländern besucht. Wie gesagt: Für ein Comic Festival ist das schon ein sehr ambitioniertes Unterfangen. Andere wichtige Ausstellungen und Themen des Salons sind ein Comic, das sich mit dem deutschen Afghanistaneinsatz befasst; und erst vor Kurzem sind die Bücher von Marzena Sowa und Sylvain Savoia erschienen, die auch eine wichtige Rolle spielen werden. Ich denke, dass es ein politischer Salon wird, sieht man schon an der Reihe der Neuerscheinungen.
 
Außerdem veranstalten wir vom 07. bis zum 10. Juni das Black.Light Project, das sich zeichnerisch und über Foto- und Textreportagen mit den Kriegen von Charles Taylor in Westafrika auseinandersetzt. Der Boxer von Reinhard Kleist wird ebenfalls erstmals in Erlangen präsentiert. Die Graphic Novel erzählt die Geschichte eines deutschen Boxers, der nach dem Krieg nach Amerika geht und der in einem Konzentrationslager, hier ganz in der Nähe gefangen gehalten wurde. Sie sehen, Politik und gesellschaftliche Themen spielen eine große Rolle im Salon 2012. Wir glauben auch, entdeckt zu haben, dass diese Themen auch im Comic insgesamt zur Zeit sehr stark aufgegriffen werden. Natürlich haben wir auch andere wichtige Ausstellungen, die nicht direkt mit Politik zu tun haben: Wir feiern 50 Jahre Spiderman, mit einer Ausstellung, in der auch wertvolle Originale gezeigt werden. Wir zeigen eine große Retrospektive des Lebenswerks von Charles Burns, wir bieten eine schöne Ausstellung zu David Beuchard. Im ganzen Stadtgebiet gibt es auch dieses Jahr wieder viele kleinere Ausstellungen mit unterschiedlichen Themen.

Auf welche Autoren oder Zeichner freuen Sie sich dieses Jahr besonders?
Also ich muss ja immer wieder gestehen, dass ich kein ein Festivalleiter bin, der mit Comics aufgewachsen ist. Ich komme nicht aus der Fankultur, ich bin sogar ehemaliger Waldorfschüler, bei uns waren Comics ganz verpönt. Natürlich hab ich ein Interesse an Comics entwickelt, gerade in den letzten Jahren hat sich da wahnsinnig viel entwickelt, das finden wir im Team natürlich irrsinnig interessant und haben eine große Leidenschaft für das Thema entwickelt. Auf der anderen Seite ist unsere distanzierte Situation auch von Vorteil, so werden wir nicht von vereinnahmt und können ganz gut die Szene beobachten, um bestimmte Entwicklungen aufzugreifen, Tendenzen wahrzunehmen und sie dann zu unterstützen, wenn wir sie interessant finden. Wenn sie mich nach meinen besonderen Favoriten fragen, dann hab ich das im Grunde mit den thematischen Highlights schon erwähnt. Aber natürlich haben wir mit Charles Burns einen großartigen Grafiker und Künstler und ich freue mich sehr darauf, ihn persönlich zu treffen. Da gibt es natürlich noch David B., der für die Entwicklung des »bande dessinée« so etwas wie eine Gallionsfigur ist.

Inzwischen ist es vermutlich eine stolze Tradition, dass der Comic Salon auf der Kippe steht, wie sieht es in diesem Jahr aus?
Der Comic Salon ist eigentlich schon vor zwei und vor vier Jahren nicht mehr auf der Kippe gestanden. Natürlich ringen wir immer um Budgethöhen und sind auch immer wieder von Kürzungen im Kulturbereich betroffen, in diesem Jahr jedoch nicht. Tatsächlich hat sich, meiner Meinung nach, die Akzeptanz des Comic Salons in Erlangen in der Öffentlichkeit, bei der Stadtspitze und der Politik stark verbessert. Früher war es eher so, dass sich die Erlanger mit dem Poetenfest und mit dem Figurentheater-Festival identifiziert haben. Der Comic Salon war eher so etwas Exotisches, das von außen kam, nicht so etwas ureigenes Erlangerisches war. Wir haben uns in den letzten Jahren sehr bemüht, Themen aufzugreifen und Ausstellungen zu machen, die nicht nur für die Comicszene interessant sind, sonder die wirklich für alle die sich für Kunst und Kultur interessieren von Bedeutung sind. Gerade mit der Thematisierung des arabischen Raums in diesem Jahr wollen wir viel mehr erreichen als nur ein paar Künstler und Autoren vorzustellen. Der Comic Salon wird in Erlangen immer stärker angenommen und ist inzwischen genau so akzeptiert, wie die anderen Festivals. Vor zwei Jahren wäre sogar beinahe das internationale Figurentheater-Festival dem Spardruck zum Opfer gefallen. Der Comic Salon ist eigentlich seit einigen Jahren nicht mehr infrage gestellt worden. Dazu kommt ja auch, dass eine Veranstaltung, bei der man einige Tausend Gäste erwartet, der Stadt, dem Einzelhandel, der Gastronomie und der Hotellerie gut tut. Ich sehe den Comic Salon in Erlangen im Augenblick nicht gefährdet.
 

Verfilmungen von Comics sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen, aktuell locken die Avengers alle Altersgruppen in die Kinos. Spürt man diese Entwicklung in Erlangen?
Erlangen ist außerhalb des Comic Salons nicht unbedingt ein Comiczentrum in Deutschland. Das spürt man in Erlangen, so wie man das in anderen Städten auch spürt. Ich denke, es uns jetzt nicht unbedingt gelungen, eine weitergehende Identifikation über das ganze Jahr hinweg mit der grafischen Literatur herzustellen, wir arbeiten aber dran: Zusammen mit den Erlanger Programmkinos versuchen wir immer wieder, interessante Comicverfilmungen zu zeigen und räumen auch im Rahmen des Poetenfestes Graphic Novels einen Programmplatz ein. Wir versuchen schon sukzessive, das Interesse an Comic und grafischer Literatur immer wieder zu wecken. Ich muss aber ehrlich sagen, dass Erlangen nicht mehr oder weniger comicaffin ist, als andere Universitätsstädte in Deutschland – eventuell könnte man sagen, dass ein stärkeres Bewusstsein für Comics in Erlangen gibt.
 
Wirken sich Comicverfilmungen auf den Salon direkt aus? Bringt beispielsweise ein neuer Spiderman 2000 Besucher mehr, da die Leute neugierig sind und zu den Quellen wollen?
Ich hoffe natürlich schon, dass das so ist. Auf der anderen Seite hat es sich in den letzten Jahren auf ungefähr 25.000 Besucher eingepegelt. Ich erwarte da keine großen Quantensprünge und bin froh, wenn wir dieses schöne Niveau trotz der EM halten können. Natürlich freue ich mich immer, wenn es uns gelingt, neue Zielgruppen zu gewinnen. Ich glaube aber, dass diejenigen, die sich für Comics interessieren und bereit sind eine Reise zu machen, Erlangen sowieso kennen und so weit es ihnen möglich ist, dann auch kommen. Zusätzliche Potentiale liegen vermutlich jenseits des comicaffinen Publikums: Die zu erreichen, die sich nicht als Comicfans bezeichnen, sehe ich als eine unserer größeren Aufgaben an.

Felix Görmann realisiert spannende Literaturadaptionen und Uli Österle wagt mit Hector Umbra einen Ausflug in die Unterwelt. Geht die Entwicklung weg vom Cartoon?
Es gibt bestimmt, ohne dass ich eine Experte bin, zahlreiche Gegenbeispiele von erfolgreichen Cartoonisten und in Buchhandlungen erzielen Cartoon- und cartoonverwandte Publikationen im Geschenkbuchbereich sehr hohe Verkaufszahlen. Ich weiß nicht, ob ein Trend weggeht vom Cartoon, aber es geht bestimmt ein Trend hin zum erzählenden, zum literarischen Comic. Sie haben ja schon Namen von Künstlern, wie Flix, genannt, die anfangs von dem unterhaltsamen leichteren Stil her kommen und sich immer ernsteren und komplexeren Themen widmen. Es gibt eine ganze Reihe von deutschen Künstlern, die ich als Erzähler und Autoren bezeichnen würde. Ob es also weg vom Cartoon geht, weiß ich nicht, aber hin zum Erzählen von Geschichte durchaus; da besteht ein großes Bedürfnis sowie ein großes Interesse.

Zum lockeren Ausstieg eine spaßige Frage: Foyer des Arts hat in Wissenswertes über Erlangen der Stadt keinen Gefallen getan. Was gibt es Wissenswertes über Erlangen? Wie kam beispielsweise der Comic Salon dort hin?
Naja, zuletzt haben Sie ja doch eine ernsthafte Frage gestellt, die ich gerne ernsthaft beantworten würde, denn das werden wir ja des öfteren gefragt. Aber kurz zurück zu Foyer des Arts: Man sagt ja »Jede Werbung ist gute Werbung«. Ich glaube nicht, dass Foyer des Arts der Stadt mit Wissenswertes über Erlangen geschadet hat und es gibt mit Sicherheit das eine oder andere wissenswerte über Erlangen.
Zur Frage, wie der Comic Salon nach Erlangen kam: Meine Vorgänger und Gründer der Erlanger Festivals, Karl Manfred Fischer, ist ja so etwas wie ein Mythos, sowohl in Erlangen als auch in der Comicbranche: Er hat Ende der Siebziger das kulturelle Leben in dieser Stadt neu aufgebaut und über Jahrzehnte hinweg geprägt. Als Leiter der Abteilung »Bildende Kunst und kulturelle Programme« hat er sich sehr intelligent und strategisch langfristig Nischen gesucht, die in Deutschland noch nicht durch andere große Veranstalter in großen Städten besetzt waren. Als er das Erlanger Poetenfest gegründet, das jetzt ja quasi die Mutter der Literaturfestivals in Deutschland ist, war das Konzept eher verpönt: Niederschwellige Literaturvermittlung bei einem Glas Bier im Park, das wurde mit großer Skepsis betrachtet, denn Literatur war damals Hochkultur und ist es auch noch heute. Doch inzwischen gibt es mit ›lit.cologne‹ und ›leipzig liest‹ gleich zwei ähnliche Veranstaltungen und mehr schießen wie Pilze aus dem Boden. Das Figurentheater wurde in Deutschland, ähnlich wie der Comic, nicht wirklich ernst genommen und daher hat Fischer, als die ICOM-Mitglieder Burkhardt Ihmem, Achim Schnurrer und einige andere auf ihn zugekommen sind und ihm von der Entdeckung der frankobelgischen Comics in Deutschland erzählt haben, eine Ausstellung in Angoulême besucht. Vor Ort wurde ihm schnell klar, wie ich aus persönlichen Erzählungen weiß, dass diese Art von Veranstaltung auch etwas für Erlangen sein könnte. Aus dem Bedürfnis heraus, für Erlangen etwas Einzigartiges zu finden, mit dem sich der Ort auch profilieren kann, brachte Karl Manfred Fischer den Comic Salon in diese kleine fränkische Stadt.
 
Eine schöne Geschichte zum Abschluss, ich bedanke mich für das Interview und wünsche eine fantastischen Comic Salon 2012.

| PETER KLEMENT

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