Conan reloaded

Comic | Conan der Barbar 1 – Die Königin der Schwarzen Küste

Autor Brian Wood widmet sich in einer neuen Conan-Reihe den Abenteuern des jungen Cimmeriers und seiner ersten großen Liebe, der Piratenbraut Belit. Beeindruckend in Szene gesetzt wird die Reihe von den taltentierten Künstlern Becky Cloonan und James Harren. Von BORIS KUNZ
conan
Es ist noch nicht lange her, dass der junge Conan seine eiskalte Heimat, das raue Cimmeria, verlassen hat. Jetzt hat es ihn in warme, südliche Gefilde verschlagen, in die Hafenmetropole Messantia, wo er sich unabsichtlich mit der Obrigkeit anlegt – und zum Tode verurteilt wird. Bei seiner Flucht hinaus auf das Meer des Westens hört er zum ersten Mal von der »Königin der Schwarzen Küste«, der gefürchteten und blutrünstigen Piraten Belit. Es dauert natürlich nicht lange, und Conan legt sich mit Belits Mannschaft an, was schnell in blutiges Gemetzel ausartet, das in dem Moment endet, als der Barbar die Piratin zu Gesicht bekommt und sich in die bleichhäutige, dunkelhaarige Schönheit verliebt. Es beginnt eine wilde Amour fou, und die Zwei werden zu einer Art Bonnie und Clyde des hyperboreanischen Zeitalters. Doch bald werden nicht nur Conans Kampfkünste, sondern auch seine Liebe zu Belit auf einige harte Proben gestellt.

Ein Cimmerianer in Sin City

Weil Wood hier einen kleinen erzählerischen Neustart hinlegt, eignet sich dieser Band auch für Neueinsteiger, die bis dahin noch nicht mit der Comic-Reihe um den schwertschwingenden Cimmerianer vertraut waren. Die werden sich dann vielleicht um so mehr wundern, was so modern und revolutionär an diesen Storys sein mag, bekommt man doch genau das geliefert, was man erwarten könnte, wenn man einen Comic aufschlägt, der Conan der Barbar heißt: Harte Burschen, blutige Kämpfe und eine ganze Reihe klangvoller Namen aus einem archaischen Fantasy-Universum.

Allerdings ist der weibliche Sidekick hier kein austauschbares Busenwunder, und der Autor lädt die Liebesgeschichte mit mehr Emotion und Ambivalenz auf, als das für Conans Abenteuer üblich ist. Mit dem Fantasy-Aspekt der Conan-Reihe, also mit schwarzen Magiern und Monstern, hält sich Brian Wood komplett zurück und bleibt hauptsächlich bei den menschlichen (und unmenschlichen) Zügen seiner Protagonisten. Auch liefert er kein ausuferndes Epos über große Kriege und Schlachten, sondern eine recht schnörkellose Crime-Story, die in hohem Tempo voranschreitet, ohne sich lange um Exposition zu scheren. Was man wissen muss, wird dann erklärt, wenn man es wissen muss. Mit Landkarten und Königsdynastien muss sich der Leser nicht herumschlagen, er wird in diese alte Zeit hineingeworfen und muss wie der junge, wilde Protagonist darin zurechtkommen. Doch kompliziert sind die Regeln sowieso nicht: Es gilt das Faustrecht des Stärkeren, und die daraus entstehenden Konflikte sind so simpel und so wuchtig wie zeitlos. Diese Conan-Abenteuer könnten auch Episoden aus Frank Millers Sin City sein, nur dass hier Piraten gegen Soldaten anstatt böse Gangster gegen noch bösere Gangster antreten.

Symphonien in Pastell und blutrot

Eine besondere Kraft entfalten dabei die Zeichnungen. In einem ebenfalls in dem Band abgedruckten Interview erklärt Brian Wood, dass man als Comic-Autor immer für die Stärken seiner Zeichner schreiben sollte. Man merkt dem Comic an, dass Wood genau das getan hat. Die ersten drei Kapitel, die hauptsächlich auf dem Meer bzw. an Bord einfacher Segelschiffe spielen, und in denen Conan und Belit einander zum ersten Mal begegnen, stammen spannenderweise von einer Zeichnerin. Becky Cloonan arbeitet gern mit großen Panels, in denen die Figuren viel Raum einnehmen können. Ihre Segelschiffe und ihre Figuren sind keine besonders komplizierten, geschweige denn fragilen Gebilde, sondern erinnern an Holzschnitte, als wären ihre Bilder auf dem rauen, schartigen Holz der Schiffsplanken entstanden. Ihr Hang zur Abstraktion rückt Conan und vor allem Belit in die Nähe archetypischer Idealbilder, und das entspricht vermutlich dem Eindruck, den diese Figuren zu diesem Punkt der Geschichte auch voneinander haben.

Im zweiten Teil übernimmt James Harren das Ruder und steuert den Kahn zurück nach Messantia. Ohne zu kleinteilig zu werden, versieht er die reicher werdende Kulisse mit mehr Details, widmet sich architektonischen wie anatomischen Besonderheiten, überzieht die alten Mauern der labyrinthischen Stadt mit Patina und die nackten Häute der Figuren mit den Narben ihrer zahlreichen Kämpfe. Belit verliert ihre überirdische, düstere Schönheit und wird fleischlicher, ihre und Conans Anatomie geraten oftmals in eine leichte Schieflage, genauso wie Conans Vertrauen zu seiner Geliebten, die ihn hier in eine äußerst missliche und gefährliche Lage bringt. Und wie unser Barbar läuft auch Harren dann zur Hochform auf, als es ans Gemetzel geht! Durch den gekonnten Einsatz von Speedlines und Bewegungsunschärfen suggeriert er dem Leser das Tempo und die Dramatik eines gut choreografierten Actionfilms. Lange haben in einem Comic hervorstürzende Blutfontänen nicht mehr so poetisch ausgesehen! Und Altmeister Dave Steward taucht das ganze in eine stimmige, gedeckt pastellige Farbpalette aus Grau, Braun und gelegentlichem Blau, und kann damit den relativ modernen Zeichnungen genau jenes Flair verleihen, das eine Geschichte braucht, die aus alter Zeit zu uns kommt.

Man darf sich bei all dem Lob nichts vormachen: Conan ist so wenig hohe Kunst, wie die Vorlage von Robert E. Howard große Literatur war; und es tauchen hier keine Themen und Motive auf, die dem Conan-Universum radikal neu wären. Wenn diese Reihe als atemberaubende Modernisierung gefeiert wird, ist das eher ein Zeichen dafür, wie viel Staub das Fantasy-Genre im Comic an mancher Stelle schon angesetzt haben mag. Hier greift einfach nur das handwerkliche Können von Autor, Zeichnern und Coloristen ziemlich perfekt ineinander. Das Ergebnis ein unterhaltsames Spektakel, ebenso rasant wie stimmungsvoll, das im direkten Vergleich auch manchen französischen Konterpart blass aussehen lassen könnte.

| BORIS KUNZ

Titelangaben
Brian Wood (Text), Becky Cloonan / James Harren (Zeichnungen): Conan der Barbar 1: Die Königin der Schwarzen Küste (Conan the Barbarian 1-6: Queen of the Black Coast, The Argos Deception).
Aus dem Amerikanischen von Michael Strittmatter
Stuttgart: Panini Comics 2013
144 Seiten, 16,95 Euro

Reinschauen
Leseprobe
Homepage von Brian Wood
Infos über Becky Cloonan
Blog von James Harren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Das Leben feiern

Nächster Artikel

Cancer and the City

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Und ewig lockt das Weib

Comic | Brubaker: Fatale / Lapham: Ferals Ed Brubaker (Scene of the Crime, Criminal) und David Lapham (Caligula, Stray Bullets), zwei im Krimigenre erprobte Autoren, wenden sich in ihren neuen Serien jeweils einer ganz besonderen Mischung aus Thriller und Horror zu. BORIS KUNZ ist vor allem von der gemeinsamen Botschaft alarmiert, die ganz klar lautet: Schöne Frauen bringen Unglück!

Hilda im All?

Comic | Craig Thompson: Weltraumkrümel Ein abenteuerlustiges Mädchen, das keinerlei Berührungsängste mit fremdartigen Kreaturen hat, begibt sich mutig und unerschrocken auf eine Mission durch den Weltraum um ihren verschollenen Vater zu suchen. Begleitet wird sie von einem intellektuellen Hühnchen und einem aufbrausenden Lumpkin: ein ungleiches Trio aus Außenseitern, denen es durch ihren Zusammenhalt gelingt, aussichtslose Situationen zu meistern. ›Weltraumkrümel‹ ist das neue Werk des gefeierten Comiczeichners Craig Thompson und verspricht einen originellen Abenteuerspaß für die ganze Familie. BORIS KUNZ hat bei der Lektüre festgestellt, dass Thompson seinen Comic allerdings auch mit schwereren Themen reich bestücktv hat.

Ein dicker Meilenstein

Comic | Turf (Zeichnungen und Text): Das Narrenschiff Die skurrile Comicreihe ›Das Narrenschiff‹ lief in Deutschland eher unter dem Motto »Geheimtipp«. Dabei hätte sie dank aberwitziger Einfälle und fabelhafter Zeichnungen das Zeug zum Kult gehabt. Vielleicht ändert sich dank der bei Splitter erschienenen Gesamtausgabe daran noch etwas. BORIS KUNZ musste staunen, was Comicfans mit dieser Serie bislang alles entgangen ist.

Die philosophierende Katze

Comic | Joann Sfar: Die Katze des Rabbiners Selten schaffen es Graphic Novels in die Feuilletons der Mainstream-Medien. Die Reihe ›Die Katze des Rabbiners‹ des französischen Comiczeichners und Filmregisseurs Joann Sfar ist da eine Ausnahme. Sie gilt als genreübergreifend interessant, was nicht verwunderlich ist, da die in den 2000er Jahren entstandene Reihe 2011 verfilmt wurde, für mehrere Preise nominiert war und wohl als das schönste Kurzkompendium des Judentums fungiert – sowie gleichzeitig ein toller Schmöker für Katzenfans ist. Wegen der großen Beliebtheit der Reihe verlegt der Avant-Verlag nun alle fünf Teile neu und publiziert sie in zwei Sammelbänden. Vor kurzem

Geniale Fingerübung

Comic | Neil Gaiman / Dave McKean: Veilchenblau Der Verlag Nona Arte widmet sich in seinem Programm auch modernen Klassikern aktueller Comic-Größen. BORIS KUNZ durfte sich über ein Frühwerk von Neil Gaiman freuen. Leider hat es einen dummen deutschen Titel.