Willkommen!

Kinderbuch | Bernard Friot: Pension Hélène

Madame Hélène Führt eine Pension und tut das mit einer Leidenschaft, die ihresgleichen sucht. Acht Gäste haben sich angekündigt und Madame macht sich an die Arbeit. ANDREA WANNER hat ihr über die Schulter geschaut.

Bernard Friot: Pension Hélène
Gut, wenn man weiß, welche Gäste kommen und sich darauf vorbereiten kann. So sieht es wenigstens Madame Hélène, die nicht nur Fotos ihrer zukünftigen Gäste hat, sondern auch über deren Berufe und Leidenschaften genauestens Bescheid weiß. So legt sie sich bei der Komplettrenovierung und Möblierung der Zimmer mächtig ins Zeug und gestaltet sie liebevoll bis ins kleinste Detail.

Sage mir wer du bist …

»Mademoiselle Lucie ist Primaballerina an der Oper, für sie denkt Madame Hélène sich ein Zimmer mit Mond und Nachtfarben aus, leichte Vorhänge, weiche Daunen, Pailletten und gedämpftes Licht.« Es wird ein Traum von einem Zimmer, das geheimnisvoll violett schimmert, eine große Mondkugellampe an der Decke, zarte, weiße Blüten, die wie Sterne am Nachthimmel funkeln, in gläsernen Vasen. Eine Sonne-Mond-und-Sterne-Mobile, ein Himmelbett mit Baldachin und auf dem Boden kleine Kerzen in Windlichtern. Die zauberhafte Leichtigkeit, die vom Tanzen ausgeht, ist sofort zu spüren.

Monsieur Louis ist ein Chamäleon. Farbenfroher, bunter Mustermix bei der Wahl des Tapete und der Teppiche, knallige Möbel, ein Zimmer mit allen Farben des Regenbogens sollte für ihn der passende Hintergrund sein, um sich wohlzufühlen.

Ein Rennwagenfahrer wie Monsieur Oscar bekommt nicht nur ein Bett in Form eines schnittigen Autos mit schwarz-weiß-karierter Bettwäsche und Vorhängen aus demselben Stoff, die der Zielflagge beim Formell-1-Rennen gleichen. Pokale, Helme und Modellautos füllen die Regale, die Nachtischlampe ist raffiniert aus einem Autoreifen konstruiert und eine Modellrennbahn (mit der sich auch Madame vergnügt) sorgt dafür, dass es dem Sportler nicht langweilig wird.

… und ich sage dir, wie du wohnen willst

Auch Madame passt sich in ihrem Tun dem jeweiligen zukünftigen Gast an. Auf der Leiter im Zimmer von Mademoiselle Lucie posiert elegant sie im Passé, den Spielbein-Fuß am Knie des Standbeins angelegt. die Ausstattung des Raums für Monsieur Simon, bei dem es sich unverkennbar um einen Fisch handelt, absolviert sie im Badeanzug mit Taucherbrille, Flossen und Badekappe.

Ob für den Karatemeister oder die Romantische: jedes Zimmer wird höchst individuell gestaltet. Magali Le Huche hat sich dafür Bilder ausgedacht, bei denen man ins Schwelgen kommt. Von Außen erinnert die Pension bereits an ein Puppenhaus, Innen bekommt jedes Zimmer eine eigene Doppelseite, links der Text mit Madame in Aktion beim Herrichten, rechts der fertige Raum , an den noch letzte Hand angelegt wird, um alles zu perfektionieren. Bei jedem Durchblättern lassen sich neue Details entdecken! Der knappe Text von Bernard Friot begleitet die Hausherrin in ihrer Arbeit. Enthusiastisch, eifrig und nimmermüde wirbelt Madame Hélène durchs Haus bis alles fertig ist. Die Gäste können kommen.

Freiräume

Dann sind sie da. Alle acht gleichzeitig. Mit Taschen und Rucksäcken kommen sie an und werden fröhlich in Empfang genommen. »Ich habe für jeden von euch ein Zimmer hergerichtet! Ein Zimmer ganz nach eurem Geschmack! Findet es!« begrüßt die Hausherrin sie. Und das lassen sie sich nicht zwei Mal sagen. »Nach zwei Minuten hat jeder das Zimmer entdeckt … das ihm gefällt!« Mehr braucht es nicht. Den Rest erzählt das Bild, das wieder eine Sicht der gesamten Pension ist. Acht zufriedene Gäste sind durch die Fenster zu sehen und wer wo gelandet ist, ist eine Überraschung.

Eine subtileres Bilderbuch über Klischees und Schubladendenken muss man sich erst mal einfallen lassen. Es gibt einen weiteren kleinen Schlussgag und spätestens dann ist man sich sicher: da möchte ich mal Urlaub machen!

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Bernard Friot: Pension Hélène (Les Invités, 2011)
Mit Illustrationen von Magali Le Huche.
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel.
Hildesheim: Gerstenberg 2013.
32 Seiten. 12,95 €
Bilderbuch ab 4 Jahren

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Gänsehaut im Hochsommer

Nächster Artikel

Das Erbe der Bilderhefte

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Die faszinierende Welt der Erfindungen

Kinderbuch | Clive Gifford: Erfindungen

Wir gehen ganz selbstverständlich ins Kino, wenn ein toller neuer Film läuft, sausen mit dem Staubsauger durch die Wohnung, um es schön sauber zu haben oder nehmen ein Buch zur Hand, um zu lesen. Aber Kino, Staubsauger und Buchdruck mussten erst einmal erfunden werden. ANDREA WANNER staunt über hundert weltverändernde Ideen.

Was es noch alles zu entdecken gibt

Kinder- und Jugendbücher | Buchmarkt in Russland – 7. Berliner Bücherinseln vom 28. Mai bis zum 12. Juni Wie spannend, farbig, originell es auf dem Kinderbuchmarkt in Russland heute zugeht, erzählten Olga Maeots, Leiterin der Kinderbuchabteilung der M.I. Rudomino-Bibliothek für fremdsprachige Literatur und die beiden Verlegerinnen Tanya Kormer und Ksenia Kovalenko, alle drei aus Moskau, anlässlich einer Veranstaltung der 7. Berliner Bücherinseln vom 28. Mai bis zum 12. Juni, die in diesem Jahr Buch und Lesen in Russland zum zentralen Thema hat. Von MAGALI HEISSLER

Pack die Badehose ein…

Kinderbuch | Ich packe in meinen Beutel

Der Sommer ist da, das Wetter ist perfekt, auf geht’s zum Baden. Das Känguru packt alles ein. ANDREA WANNER staunt.

Eine Herausforderung – und ein Dank an Kekse

Kinderbuch | Lorenz Pauli: Pass auf mich auf! »Pass auf!« und »Pass auf dich auf!« mahnen die Großen die Kleinen. Und natürlich geben sie ständig auf die Kinder acht. Das kann auch ganz schön lästig sein. Umso ungewöhnlicher, dass ein Kleiner von einem Großen fordert: »Pass auf mich auf!« ANDREA WANNER freut sich über einen besonderen Erziehungsratgeber.

Leichte Abkühlung

(Kinder-)Sachbuch | David Böhm: A wie Antarktis

Draußen herrscht eine Affenhitze. Aber in diesem Sommer ist alles anders. So anders, dass ein gedanklicher Ausflug in die Antarktis auch nicht abwegiger ist als alles andere, was man gerade tun – beziehungsweise eben nicht tun – kann. ANDREA WANNER ließ sich darauf ein.