Schmetterling und Eulenmann

Musik | Toms Plattencheck

Die Londoner Breton machte sich einen Namen als Kollektiv, das zwischen Film und Sound aktiv ist. Seit dem letztjährigen Debütalbum Other People´s problem auf Fat Cat Records werden sie definitiv mehr als Band wahrgenommen. Und das wird sich mit dem neuen Album War room stories bestätigen. Von TOM ASAM
Breton - War Room Stories
Der auf dem Cover zu sehende, in Nagellack ertränkte tote Schmetterling versinnbildlicht die verschiedenen Aspekte von Bretons Musik passend. Die verbindet Widersprüche zu einem nicht unbedingt zu erwarteten Genremix. Was in einem Moment, wie polierter Underground klingt, mutet im nächsten Moment wie unerwartet tiefer Mainstream an – und dürfte die Geschmacksnerven vieler zugleich Treffen. Die glitchy Synths mit Waberbeats und catchy Refrain verbindende Singleauskopplung Got well Soon läft sich schon in diversen Radiosendern fest, das ganze Album wird in seiner äußerst zugänglichen Mischung aus Electronica, Breitwandpop und Indie inklusive Soundschnipsel-Fundstücken und leichtem Hip-Hop Einschlag für große Resonanz sorgen. Vormerken: Breton – diesen Namen wird man bald öfter hören!

La Femme - Psycho Tropical Berlin
La Femme. Neben la musique natürlich das Wichtigste – erstaunlich, dass dieser Bandname noch zu vergeben war. Eine großartige Pariser Formation hat ihn sich unter den Nagel gerissen. Diese verbindet auf ihrem Debüt Psycho tropical Berlin wie selbstverständlich Lofi-Sixties-Surfsound, 80´s New Wave, Rockabilly und Indiepop zu einem spritzigen Stilgebräu, welcher den geschmackssicheren Eklektizismus von Stereolab mit der spitzbübischen Frische von Stereo Total verbindet und Nouvelle Vague dabei wie einen etwas biederen Gag erscheinen lässt. Passend zum Bandnamen hat sich die fünfköpfige Truppe für ihr Debüt gleich vier verschiedene Gastsängerinnen an Bord geholt, da sie sich auf der Suche nach einem perfekten Nachhall zu alten Größen a la France Gall oder Francoise Hardy so gar nicht entscheiden können. Mehr ist halt manchmal mehr!

Gletscher - Devout
International erfolgreiche Rockbands aus der Schweiz heißen heimatverbunden Krokus oder Gotthard. Dass sie im üblichen Popdiskurs nicht stattfinden, hat nichts mit ihren Namen und nur bedingt mit der für Rockmusik (vermeintlich) exotischen Herkunft zu tun, sondern eher mit dem hier bedienten Subgenre. (Melodiöser) Hardrock wird und wurde doch eher belächelt. Wobei an dieser Stelle unbedingt erwähnt sei, dass Krokus´ One vice at a time so etwas wie der heimliche Nachfolger zu AC/DC´s Back in Black darstellt. Um was es nun eigentlich geht? Ach ja: eine Schweizer Rockband namens Gletscher. Die haben allerdings wenig mit AC/DC am Hut, mit Föhnfrisuren und schmachtenden Halbballaden schon zweimal nichts. Gletschers Sound ist schwer wie Gletschereis und mächtig wie eine Lawine. Die Band kann man getrost Fans des frühen Seattle-Sounds, Anhängern des tollen deutschen Labels blue Noise ( Harmful, Scumbucket etc) oder auch flexiblen Hard´n´Heavy Jüngern empfehlen. Wuchtige Rhythmusarbeit und schwere Lavariffs kommen dabei zeitlos und ohne Etikettierungsnot aus. Einen interessanten Kontrast zu den Instrumentalparts zweier junger Züricher bietet der Gesang der jungen New Yorkerin Joileah Concepcion (Ex Sleeping People ). Kurios: Ein Track heißt Eulenmann, ein weiterer Owl man. Diese Band sollte man mit Eulenaugen im Blick behalten!

| TOM ASAM

Titelangaben
Breton: War room stories – Cut Tooth/ Believe Recordings/ Soulfood
La Femme: Psycho Tropical Berlin – Disque Pointu / Groove Attack
Gletscher: Devout – self released (www.gletscher.bandcamp.com)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Was geschah wirklich mit Melina Migoya?

Nächster Artikel

Hoppla, jetzt komm ich

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

Nachts auf der Autobahn, den Kopf aus dem Beifahrerfenster

Musik | Interview mit Mirage

Irgendwie mystisch und kryptisch, irgendwie modern und direkt: Mirage werfen mit ihrem Debüt ›Decaying Decades‹ eine Scheibe in die Welt, die nach Vorsaufen auf der Autobahn schmeckt. MARC HOINKIS plaudert mit dem Künstler-Duo.

Mehr ist manchmal mehr!

Musik | Toms Plattencheck Asmus Tietchens ist ein deutscher Musiker, der in den Jahren 1981 bis 1983 vier Alben auf dem Label Sky veröffentlichte. Auf diesen tobte er sich mit Zisch- und Fiepgeräuchen, Stolperbeats und schrägen Harmonien aus. Die Alben kamen in »quietschbunten Schallplattenhüllen«, die Ära wurde als »Zeitzeichenphase« abgehakt, bevor Tietchens (der tatsächlich so heißt) sich geräuschvolleren Stücken im Übergang zu Industrial widmete. Von TOM ASAM

Folkdays… Lambchop mit FLOTUS

Musik | Lambchop: FLOTUS »In the end I just really wanted to make a record that my wife would like,« verbreitet Kurt Wagner über seine aktuelle CD ›FLOTUS‹. Jedenfalls hat der 58-jährige Wagner, immerhin so was wie Musikergenius mit Lambchop, diese Veröffentlichung seiner Frau Mary gewidmet. Die Songs sind ein facettenreiches, komplexes Themenspektrum. Von TINA KAROLINA STAUNER

Art Farmer’s Jazz-Eleganz

Musik | Porträt: Art Farmer Die Geistesverwandtschaften und Seelenverwandtschaften im Jazz sind fast unzählig. Manche Jazz-Großväter fingen in den 1940er und 50er Jahren an. TINA KAROLINA STAUNER hat Art Farmer in den 90ern live gehört. Ein Genuss. Im Jazz-Club mit Leuten, die auch wissen, wer Lester Young ist und denen die Ära von Swing, Bebop und Hard Bop vertraut ist.

Folkdays… Sonne und Schatten mit Italian Americana

Musik: | L’improvvisata: Absolument Fabrizio Cammarata e Marta Collica e un po’di Lucio Dalla Singer-Songwritern aus Italien begegnet man hier in unserem Land nicht immer. TINA KAROLINA STAUNER entdeckte nun die Ankündigung für Fabrizio Cammaratas Konzert für Dezember in München. Und fand die Neuveröffentlichung von Marta Collica.