Die neuen Helden des Lichts

Digitale Spiele | Bravely Default

Von Steampunk-Luftschiffen, belebenden Phönixfedern und bedrohlichen Behemoths. Wenn es aussieht wie Final Fantasy, sich anfühlt wie Final Fantasy und klingt wie Final Fantasy, ist es wahrscheinlich Bravely Default. Das 3DS-Spiel wandelt auf den Spuren klassischer Rollenspiele und bricht mit altmodischen Konventionen. Ein Spiel im Test. Von DANIEL MEYER

TITEL

 

Bereits 2012 veröffentlichte der Hersteller Square Enix das Nintendo 3DS Rollenspiel Bravely Default, damals unter dem Namen Bravely Default – Flying Fairy, in Japan. Gut anderthalb Jahre später können auch wir den ursprünglich als Nachfolger des bereits erschienenen Final Fantasy – The 4 Heroes of Light bewundern – und finden neben althergebrachten Rollenspielelementen auch einige gerade für Fans der alten FF-Schule interessante Innovationen wieder.

Hoch war die Erwartung, gerade von einem Spiel, das nicht von der berühmten Final Fantasy kreierenden Firma Square Enix, sondern aus den Händen der sonst für Adventures wie 3D Dot Game Heroes bekannten Silicon Studios stammt. »Dabei sollte es sich in der frühen Planungsphase noch um ein Sequel zu Final Fantasy – The 4 Heroes of Lights handeln«, so Square Enix Produzent Tomoya Asano, »als wir dann aber mit Silicon Studio, die eine Demo für das Projekt erstellt hatten, sprachen, gefiel uns was wir sahen und wir beschlossen uns mit ihnen zusammen zu arbeiten«.

Und dennoch – auch wenn Bravely Default nicht offiziell als Teil der Final Fantasy Familie gezählt wird, so liegt das lediglich an seinem Namen. Denn von Steampunk-Luftschiffen oder belebenden Phönixfedern bis hin zu Gegnergruppen mit den Namen Behemoth oder Cait Sith, viele Teile des Spiels erinnern bereits auf den ersten Blick an den großen Bruder der japanischen Rollenspiele und machen es insgeheim schon zu einem der »besten Final Fantasy der letzten Jahre«.

(Un)begrenzte Bewegungsfreiheit und treue Mitstreiter

Woran liegt das? Zuerst einmal an der schier unendlichen Bewegungsfreiheit und wundervoll künstlerischen Darstellung der Welt Luxendarc, mit der wir bereits in den ersten Spielstunden konfrontiert werden. Denn im Gegensatz zum geradlinigen Verlauf der neueren Final Fantasy Spiele, überrascht Bravely Default mit einem von vielen Spielern lange vermissten Konzept: Eine frei begehbare Welt, die zum Erkunden einlädt. Schnell ist jedoch klar, dass das nur der halben Wahrheit entspricht. Gefundene Dungeons können nämlich erst dann erforscht werden, wenn es die Hauptgeschichte vorgibt. In der restlichen Zeit werden wir mit kleineren Shortcuts und Begründungen á la »Wir müssen uns beeilen!« oder »Wir haben keine Zeit dafür!« vertröstet, sodass auch hier prinzipiell dem roten Faden gefolgt werden muss. Einzig die ergiebigen Nebenmissionen durchbrechen das planmäßige Geschehen und ermutigen uns mit besonderen Errungenschaften abermals in bereits besuchte Kontinente zu reisen.

Eine ähnlich schnell fallende Spannungskurve ist auch bei der Story zu erwarten: Der 19-jährige Protagonist Tiz Arrior, ein bis dahin normaler und sorgloser Jugendlicher, verliert durch eine scheinbar zufällige Explosion mit einem Schlag sein gesamtes Heimatdorf. Auf der Reise nach Antworten trifft er dabei auf die Wind-Priesterin Agnés, die einen Zusammenhang zwischen der Zerstörung und dem Verfall der 4 heiligen Kristalle sieht. Tiz schließt sich Agnés‘ Vorhaben, die vier Kristalle wieder zu erwecken und damit die Welt zu retten, unverzagt an. Bald schon muss er sich gegen die übermächtige Nation Eternia behaupten, die mit allen Mitteln versucht, den Plan zu vereiteln. Kurz nach Spielbeginn gesellen sich zudem der an Amnesie leidende Frauenheld Ringabel sowie Edea, die bekehrte Tochter des feindlichen Großmarschalls, hinzu, sodass wir mit einer 4-köpfigen Gruppe die Welt retten dürfen.

Leider überzeugt das Konzept der Handlung nur selten. Die Dialoge bleiben oft flach und dienen scheinbar nur der Streckung der ohnehin bekannten Story. Zwar ist Bravely Default bemüht durch tiefgründige Problematiken Spannung aufzubauen – sollte man beispielsweise Menschen opfern dürfen, um dadurch die Welt retten zu können? – jedoch werden die oft mit lachhaft simplen Argumentationen gelöst. Hier zweifelten wir manches Mal an der Ernsthaftigkeit des Spiels.

Brave und Default

Nein, die wirklichen Stärken des Spiels liegen woanders: im Kampf- und Charaktersystem. Die maßgeblich spielprägenden Kämpfe laufen flüssig ab und erhalten durch die 3D-Funktion des neuesten Nintendos das gewisse Etwas. Gekämpft wird dabei nach alter Rollenspielmanier, rundenbasiert und den Initiativwerten der einzelnen Mitglieder folgend. Wie auch in den älteren FF-Vertretern kann jeder Charakter zwischen normalen Angriffen, klassenabhängigen Fähigkeiten und den Einsatz von verschiedenen Items wählen. Weiterhin lassen sich durch bestimmte Handlungen starke Spezialaktionen freischalten, die der Gruppe einen weiteren, zeitabhängigen Vorteil verschaffen. Die große Neuheit des Spiels beschreiben jedoch die namengebenden Funktionen »Brave« und »Default«. Wählen wir »Brave«, können bis zu 3 Aktionen eines Helden vorgezogen werden. »Default« versetzt den Charakter hingegen in eine Verteidigungsstellung und hebt bis zu 3 Runden für schlechte Zeiten auf. Gerade die kleinen Neuerungen lassen Bravely Default zu einem frischen, aber gleichzeitig herausfordernden Spielerlebnis werden. Denn nicht nur unsere Helden können sich verschiedener Brave/Default-Strategien bemächtigen, auch jeder neue Gegner nutzt dadurch seine ganz spezielle Taktik. Und so kommt es, dass bei manchen Gegnern ein zweiter oder gar dritter Versuch benötigt wird, bis eine effektive Gegenstrategie gefunden ist.

Hauptberuflich Schwarzmagier

Darüber hinaus bietet das Spiel ein weiteres Feature. Ein mit bis zu 24 verschiedenen Jobs versehenes und jederzeit änderbares Klassensystem, das in Adaption zu Spielen wie Final Fantasy III, eine Fülle von Möglichkeiten verspricht. Jeder neue Job (Schwarzmagier, Beschwörer etc.) kann durch den Sieg gegen bestimmte Gegner erlernt werden, die zum Teil über die Hauptmission, in den meisten Fällen aber über optionale Nebenmissionen auf die Heldengruppe stoßen. Zudem bietet das Spiel die Möglichkeit neben der gewählten Hauptklasse einen sekundären Job festzulegen, dessen Fähigkeiten zum Primärpool hinzugefügt werden kann. Die so entstehende Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten ist eine willkommene Abwechslung zu den sonst strikten Regeln heutiger Rollenspiele und bietet jedem Spieler den Raum, die Gruppe nach eigenen Vorstellungen zu gestalten –  besser noch ertappen wir uns manches Mal selbst dabei, wie wir lieber im Klassenmenü nach neuen Jobkombinationen Ausschau halten, als die wirkliche Geschichte voranzutreiben.

Die lässt sich durch allerlei Kleinigkeiten beschleunigen und verlangsamen. Der Spieler hat zusätzlich die Möglichkeit, Tiz‘ zerstörtes Dorf in einem Browsergame ähnlichem Konzept wiederauferstehen zu lassen. Außerdem besteht zu jeder Zeit des Spiels die Option, den Schwierigkeitsgrad sowie die Erscheinungswahrscheinlichkeit der auftretenden Monster zu verändern – was spätestens in längeren Abschnitten des Spiels passieren wird; denn Lebens- und Magiepunkte lassen sich allein in Raststätten oder durch Tränke auffüllen, die bei unbedachtem Einsatz schnell Mangelware werden können.

Mit Strategie zum Erfolg

Alles in allem besticht Bravely Default also vor allem durch eins: Strategie. Wo bei den meisten Rollenspielen heutzutage simples Knöpfedrücken zum Erfolg führt, muss bei diesem endlich wieder etwas nachgedacht werden. Nicht alle Gegner sind auf den ersten Blick mit jeder Gruppenkonstellation machbar und gerade das macht unser Grinsen dann noch etwas breiter, wenn der Lebensbalken des vorher nahezu unsterblichen Endgegners mit ein paar kleinen Veränderungen wie Staub zerfällt. Vermutlich werden die einen oder anderen RPG-Anhänger bei der Geschichte und vor allem bei einigen Dialogen die Augen verdrehen müssen, doch das nahezu durchgehende Voicecover und die buchstäblich malerische Fantasiewelt Luxendarcs besänftigen schnell wieder. Bravely Default gilt zu Recht als »bester Final-Fantasy-Teil der letzten Jahre«.

| DANIEL MEYER

Titelangaben
Bravely Default für Nintendo 3DS.
Square Enix / Nintendo
Seit dem 06. Dezember 2013 erhältlich
64,90€

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

straßbesetzt

Nächster Artikel

Watching the Watchmen

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Erinnerungen an die gamescom 2010

Digitales | Interview: Gamescom 2010 Zwei Wochen nach der gamescom 2010 wirft die ehemalige gamepals.de-Redakteurin und Spiele-Liebhaberin STEFFI MARX einen gemischten Rückblick auf die Entertainment-Messe, die erneut die Rheinmeteropole zum Zentrum der Spielefreunde in Deutschland machte: Welche Spiele begeisterten? Welche sollten wir besser meiden? Diese und mehr Fragen beantwortet uns die Leipzigerin im folgenden Interview.

*thunk* Du bist nicht zum Spass hier!

Digitales | Games: Men of War: Assault Squad Der neueste Ableger der Reihe ›Men of War‹ von DigitalMindSoft nimmt den von Spielindustrie verhätschelten Spieler, donnert seinen Kopf auf die Tischplatte und flüstert ihm leise ins Ohr, dass ›Men of War: Assault Squad‹ nichts für Casual-Weichflöten ist. PETER KLEMENT reibt sich die Beule, arbeitet an Mikro- und Makromanagement und paukt die Namen von Kriegsgeräten aus fünf Nationen.

Raus hier!

Digitales | Games: A Way out Achja, der schnöde Alltag: Immer wieder der ewig gleiche Trott, alles wirkt so festgefahren. Da wünscht man sich, doch einfach mal auszubrechen. Nichts wie weg hier, das Establishment aufrütteln und dem Verantwortlichen für unsere Misere eine Lektion erteilen, die sich gewaschen hat. Genau das machen Vincent Moretti und Leo Caruso in dem am 23. März 2018 erschienenen ›A Way Out‹. Erstmals auf der E3 des Vorjahres im Rahmen des Indi-Programms EA Originals vorgestellt, versprach der Titel einigen frischen Wind in die Branche zu bringen: ›A Way Out‹ setzt seinen Fokus auf eine spannende und mitreißende

Die eierlegende Wollmilchsau des digitalen Kriegsspiels

Digitales | Games: Battlefield 3 Mit dem dritten Teil der ›Battlefield‹-Reihe versprach der Entwickler EA DICE die Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe: Einer Balance aus Spiel und Simulation, die der Reihe seit 2002 eine treue Gefolgschaft – und viele Klone – eingebracht haben. PETER KLEMENT ist im neuesten Spross der Battlefield-Familie geflogen, gefahren und ziemlich oft gesprengt worden.

Das macht Spaß, ich geb Gas

Digitale Spiele | Mario Kart 8 Vorsicht, Schildkrötenpanzer kreuzen.  Am 30. Mai war es so weit. Zusammen mit Mario und seinen Freunden werden die Straßen im Nintendo-Universum wieder unsicher gemacht. Geheizt wird auf kunterbunten Regenbögen und in trockenen Wüstenregionen, geschossen mit Bananen, Bomben und Tintenfischen. Zugegeben, neu klingt das nicht. Warum Mario Kart 8 seinen Vorgängern in nichts nach steht und wie es der sympathische Italiener trotz Oldies auf die Überholspur schafft, erklärt unser Review. Eine Testfahrt von PHILIPP LINKE und EVA HENTER-BESTING.