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Dinge, die man am am Strand findet

Musik | Interview mit Dominik Eulberg

Dominik Eulberg macht elektronische Musik, die von Herz und Seele förmlich überläuft. Die neue EP ›Spülsaum‹ – jetzt von allen guten Plattenläden und Download-Seiten (und Amazon, HMV, iTunes usw.) erhältlich – besteht aus drei wunderschönen elektronische Tracks, die Dominiks Talent als Produzent eindrucksvoll unter Beweis stellen. Von JOHN BITTLES und IRENE FUCHS

_MG_6492Nach den gefeierten Alben ›Bionik‹ und ›Diorama‹, auf denen er erfolgreich treibende Technogrooves mit üppigen Melodien verband, kreiert Dominik mit ›Spülsaum‹ wieder einen klanglich dichten jedoch euphorischen Sound.

Im folgenden Interview spricht Dominik über die neue EP, erörtert den Stellenwert von Melodien in seiner Musik und gibt einen Einblick in seine Leidenschaft für die Natur. Für einen kleinen Vorgeschmack checkt hier! Und kaufen könnt ihr die EP (u.a.) hier.

Kannst Du uns ein wenig über Dich und was Du gerade machst erzählen?
Ich bin ein Musiker mit Naturaffinität und wohne im idyllischen Westerwald. Ich bin gerade aufgestanden, esse ein Soja-Müsli mit Avocado und Naturjoghurt, trinke einen Espresso mit zermahlenen Sonnenblumenkernen drin und fange nach diesem Interview an ein Gemüsebeet anzulegen.

Deine neue Drei Track EP ›Spülsaum‹ kam am vierten Mai. Was können die Hörer erwarten?
Drei sehr bunte, mannigfaltige und emotionale Lieder, mit organischen Arrangements. Konzeptionell geht es diesmal um Dinge, die man am ›Spülsaum‹, also am Strand finden kann. Ich habe mal als Nationalpark-Ranger im Wattenmeer gearbeitet und kam so auf die Idee den Menschen drei interessante Dinge vorzustellen, die man hier finden kann: Hühnergott, Meerjungfrauenportemonnaie und Unechte Wendeltreppe.

Du bist sehr bekannt dafür, besonders intensiv Emotionen in Deiner Musik darzustellen. ›Spülsaums‹ Eingangstrack ›Hühnergott‹ ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Was ist Dein Geheimnis so viel Emotion in Deine Tracks zu fassen.
Zum einen, weil ich sehr im Einklang mit der Natur und selbstreflektiert lebe, ich meditiere viel und mache Hypnose. Nur so kommt man in einen transzendenten Zustand; seinem inneren Kern nahe und hat auch etwas Individuelles zu sagen. Zum anderen nehme ich mir sehr viel Zeit, hämmere wie ein Bildhauer immer mehr Details aus den Liedern, sodass das ganze immer mehr Tiefe bekommt.

Gibt es genug Emotionen in der aktuellen Tanz-Musik?
Finde ich leider nicht. Gute Musik ist dann gute Musik, wenn sie was zu sagen hat. Die meiste Musik ist leider nur »bla,bla,bla«. Aber das hat auch was mit dem ganzen System zu tun. Heutzutage ist das Musikgeschäft wahnsinnig schnelllebig geworden. Im digitalen Zeitalter von illegalen Downloads kann man als Musiker ja kaum noch alleine von den Verkäufen seiner Musik leben und kann das eher als Merchandising- oder Reputationsinstrument fürs Touring sehen. Dadurch fehlt natürlich auch oft die Zeit, bei der Musikproduktion in die Tiefe zu gehen. Das sich ein Künstler heutzutage monatelang in seinem Studio verschanzt um sich voll und ganz auf ein Album zu konzentrieren gehört eher der Vergangenheit an.

Ich bin ein großer Fan von der Melodie und dem Gespür für Raum in Tracks wie ›Meerjungfrauenportemonnaie‹. Wie kam es zu diesem speziellen Lied?
Als mentales Blueprint diente mir hier das Meerjungfrauenportemonnaie, eine mysteriöse Tasche mit vier Laschen an den Ecken, die man am Strand finden kann. Die Menschen malten sich früher aus, es sei das Portemonnaie einer Meerjungfrau, welches sie um ihr Handgelenk geschlungen trug. In Wirklichkeit ist es aber die Eikapsel eines Nagelrochens. Ich visualisiere dieses Objekt und diesen Mythos und komponiere dann Melodien und Atmosphären dazu.

Melodien in der Dance Music fristen in London eher ein Nischendasein auf den eher Percussion und Bass dominierten Dancefloors. In Deutschland wird eine gute Melodie so hoch angesehen wie eine griffige Bassline. Warum denkst Du, ist das so?
Deutschland war schon immer ein Land großer Komponisten, wie Bach, Beethoven oder Brahms. Gerade zu Beginn der Technobewegung herrscht im Land auf Grund der politischen »Wende«, dem Mauerfall, eine euphorische Aufbruchsenergie, die sich nun mal am Besten mit Melodien ausdrücken lässt. Vielleicht ist das ein kleiner kulturhistorischer Ansatzpunkt für Deine Beobachtung…

Der letzte Track der EP, ›Unechte Wendeltreppe‹, pumpt wie ein älteres Laurent-Garnier-Stück and wird im Club Wunder bewirken. Wie viel Beachtung schenkst Du der Dancefloor-Tauglichkeit der Stücke, wenn Du im Studio bist?
Musik machen ist für mich neben meinem Beruf gleichzeitig auch Hobby und auch Therapie. Es gibt kaum etwas Befreienderes, als seine Gefühle und Emotionen in einem Stück Kunst zu manifestieren. Ich mache meine Musik also eher intrinsisch. Mir ist es in erster Linie wichtig, ein Gefühl klar zu transferieren. Die Dancefloor-Tauglichkeit ist mir dabei sekundär. Wäre dem so, würde ich ganze andere Musik machen.

Für mich ist es gerade die letzte Minute dieses Tracks, wenn alles runterkommt und eine wunderschöne Melodie nach vorne kommt, vielleicht das Highlight der gesamten EP. Hast Du von Anfang an den plan gehabt, dieses Stück so enden zu lassen?
Nein, ich gehe eigentlich immer sehr intuitiv an die Sache ran, lasse mich von der Musik treiben, lasse sie die Kontrolle übernehmen, so dass ich nur noch der Ausführende bin.

dioramaDein letztes Album ›Diorama‹ war im Jahr 2011. Arbeitest Du an einem neuen Album? Wenn ja, wie geht es voran?
Ich habe mir gerade erst ein neues Studio eingerichtet, was aber mit einer Menge Arbeit und Problemen verbunden war. Es ist jetzt zu 95% fertig und ich kann endlich wieder Musik machen. Ja, ich arbeite an einem neuen Album, sogar an zweien, nämlich auch an einem Ambientalbum. Sie sind dann fertig, wenn ich das Gefühl habe, dass sie fertig sind. Deadlines sind bei mir der Tod der Kreativität!

Deine Liebe zu Nature ist gut dokumentiert. Wie steht es in Verbindung zu der Musik, die Du kreierst. Zum Beispiel würde Deine Musik anders klingen, wenn Du in London, Paris oder New York gelebt hättest?
Sicherlich! Natur ist für mich einfach der größte Künstler von allen! Meine Inspirationsquelle und auch mein Ruhepol! Aber diesen Schatz kann man nur bergen, wenn man ihn auch kennt, da der Mensch nur das sieht, was er kennt. Für mich war es ein Geschenk ohne TV aufzuwachsen und mich intensiv mit der Natur zu befassen. Schmetterlinge wie der Brombeerzipfelfalter, das Blaue Ordensband , der Schwalbenschwanz oder der Große Schillerfalter waren mein Entertainment-Programm. Wenn man alleine die Formen, Muster und Farbvielfalt der Schmetterling betrachtet, die biologisch gesehen ja meist keinen effizienten Sinn haben, sondern nur dazu dienen das Fest der Liebe bunter und schöner zu feiern, versteht man schon sehr viel.

Du hast über die Jahre eine angesehene Karriere auf die Beine gestellt. Welche Deiner Release machen Dich besonders Stolz?
Schwer zu sagen, ich liebe natürlich alle meiner Kinder. Ich bin aber am meisten Stolz auf Release die 100% ich selber bin! Als Mensch verändert man sich natürlich im Laufe seines Lebens, wird immer definierter, reflektierter und detailreicher. Ich finde, das hört man auch gut in meiner Discographie. Ich liebe ›Flora&Fauna‹ für seine jugendliche Energie, das Verschmitzte, aber ich liebe auch genauso ›Wenn Es Perlen Regnet‹ oder ›Hühnergott‹ für ihre Tiefe, ihre Wendungen und ihr Detailreichtum.

Kannst du uns ein bisschen über Dein Studio-Setup verraten?
Ich arbeite immer auf drei Ebenen. So benutze ich für warme Bässe und Leadsounds meist analoge Klangerzeuger, wie Roland Jupiter 8, Moog Voyager, Studio Electronics Omega 8, Prophet 5, GRP A4 und für Atmosphären und breite Pads digitale Synths wie Prophet VS, Prophet 12, oder auch Plugins wie Omnisphere. Gewürzt wird das Ganze dann mit akustischem Material, wie Fieldrecordings. So entsteht ein tiefer, mehrschichtiger Sound. Zudem arbeite ich viel mit Outboardeffekten, wie Bricasti M7 oder Eventide H8000FW, was noch mal Türen zu ganz neuen Klangdimensionen im Vergleich zu Plugins öffnet!

hechtDeine erste Traum 2003 war ›DER HECHT IM KARPFENTEICH‹ und Du arbeitest immer noch mit Traum zusammen. Wie ist es mit Riley, Jacqueline und dem weiteren Team von Traum zusammenzuarbeiten?
Ich mache ja schon seit 1993 elektronische Musik, wollte aber nie etwas veröffentlichen, da ich Angst davor hatte, die Marionette einer Musikindustrie zu werden. Ich habe ja Biologie studiert und war nicht auf das Musizieren angewiesen. Bei Traum hatte ich direkt das Gefühl ich selber sein zu können, was man ja auch an den »Eulbergesken« Plattentiteln immer schon sieht. Mittlerweile ist es wirklich schon eine wahnsinnig lange Zeit der Zusammenarbeit für das sonst sich so schnell drehende Technokarussell.

In welcher Weise hat sich die Welt der Musik seit jenen Tagen geändert?
Der Produktionsstandard hat sich zum einen immens verbessert, früher braucht man schon richtig viel Geld, ein riesiges Studio mit Mischpult und so um gut klingende Musik zu machen, heute ist das auch schon mit fantastisch klingenden Plugins wie zum Beispiel von UAD oder U-He »in the box« möglich. Ich finde aber, dass generell leider die Spiritualität etwas verloren gegangen ist. Heute tummeln sich ne Menge »Presetschlampen« in dem Zirkus und man hört selten noch Platten mit ausgefuchst zueinanderpassenden Sounds.

Du bist sehr aktiv als DJ unterwegs und Dein ›RAVELINE MIX 2011‹ ist eines meiner liebsten House Sets. Welche drei Tracks funktionieren für Dich momentan am Besten in den Clubs?
Stephan Bodzin – ›Powers Of Ten‹
Jon Hopkins – ›Open Eye Signal‹ (George Fitz Gerald Remix)
Voigt&Voigt – ›Superpitch‹

Und welches sind Deine drei All-Time Favoriten?
Das schwankt immer, wie das Wetter :)
Gerade sind es:
Boards Of Canada – ›Amo Bishop Roden‹
Cold – ›Strobe Light Network‹
Trancesetters – ›Drive‹

Was hat Dich als allererstes in den Bann und die Freude der House Music gezogen?
Es war die Radiosendung ›HR3 Clubnight‹ mit Sven Väth auf dem Ghettoblaster meiner Nachbarjungs. Die elektronischen Klänge und Beats standen in völliger Polarität zu meinem sonstigen Leben, welches ohne TV, Technik und in totalem Einklang mit der Natur stattfand. Ich kam mir vor, wie ein Astronaut der auf einem fremden Planeten gelandet war, konnte mir einfach nicht erklären, wie diese Geräusche und Energien entstanden sind.

Und was begeistert Dich heutzutage, was interessiert Dich Heute an House Music?
Funktioneller Loop-Techno langweilt mich total. Ich bin immer auf der Suche nach Innovation und nach Künstlern, die eigene Wege gehen, etwas zu sagen haben. Und ja: es gibt sie immer wieder, ich denke da an Künstler wie Jon Hopkins, Weaval oder Klaus. Es ist der ewig währende Goldrauch, auf der Suche nach den glitzernden Nuggets der mich reizt.

Hast Du ein paar letzte Worte für unsere Leser?
Ja, und zwar in Form eines Gedichtes von Hermann Hesse. Ich finde, es sagt so viel über das Leben und den Sinn des Lebens aus, nämlich SEIN Leben zu leben. Die Lebenszeit ist für alles andere zu kurz und man sollte erkennen, dass das Leben ein Süßigkeitenladen ist, wenn man sich von Mustern, Ängsten und Scham freimacht:

Gestutzte Eiche

Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Rohheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt,
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.

Vielen lieben Dank!
Bitte Bitte!

| JOHN BITTLES

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