Von Geräuschen hinter den Wänden und unheimlich (süßen) Kuscheltieren

Film | Auf DVD: Housebound

Wenn sich der Komplize bei dem Versuch, einen Bankautomaten auszurauben, mit dem Vorschlaghammer selbst KO schlägt, ist die gerichtliche Verurteilung dazu, bei der Mutter Hausarrest zu bekommen, ähnlich dämlich, wie die versuchte Tat. ANNIKA RISSE über einen Grusel-Thriller mit Slasher-Elementen – oder umgekehrt!

housebound.posterKylie Bucknell (Morgana O’Reilly) wird nach diesem vollkommen misslungenen Raub für acht Monate im Haus ihrer Mutter Miriam Bucknell (Rima Te Wiata) festgesetzt. Und wie das so ist, könnte sich Kylie wahrlich etwas Besseres vorstellen, als mit dieser ständig Kleinstadt-Tratsch labernden Frau zusammenzuleben. Ähnlich einem bockigen Teenager verbringt Kylie den Tag damit, Fernsehen zu schauen und den Kühlschrank zu leeren. An eine familiäre Kommunikation ist hier nicht zu denken. Der neue Freund ihrer Mutter, Graeme, ist da auch keine große Reintegrationshilfe: selbst ein Baumstumpf scheint gesprächiger zu sein als er. Als Kylie noch dazu mitbekommt, dass ihre Mutter daran glaubt, im Hause spuke es, nimmt sie diese erst recht nicht mehr ernst.

Doch dann ergreift sie eine Hand an ihrem Knöchel, während sie sich im Keller aufhält und sie hört nun auch die Geräusche der Geister hinter den Wänden. Glücklicherweise wohnt der an übersinnliche Phänomene glaubende Sicherheitsmann Amos, welcher ihre Fußfesseln überwacht, direkt in der Nachbarschaft. Dieser versucht mittels Diktiergerät mit dem Geist Kontakt aufzunehmen, installiert eine Überwachungskamera ins Wohnzimmer der Familie und nimmt den attackierfreudigen Teddybären von Kylie in Gewahrsam. Als Kylie jedoch entdeckt, dass in ihrem Kinderzimmer vor ihrem Einzug ein 14-jähriges Mädchen umgebracht wurde, wendet sich das Blatt und sie stellt den unheimlichen Nachbarn unter dringenden Tatverdacht.

Horror und Komödie

Der Film beginnt amüsant und recht harmlos und steigert sich zu einem dem Popkornkino aushaltbaren blutigen Niveau mit einem Splattereffekt als i-Tüpfelchen, was ebenfalls an der Freigabe (FSK 16) abzulesen ist. Die Stärke des Films ist es, dass sich die Story nicht nur einmal wendet und die Comedyanteile sich bis zum Schluss durchziehen, ohne dabei albern zu wirken. Zusätzlich haben wir es glücklicherweise mit einer Hauptfigur zu tun, die kombinieren kann und sich nicht von ihrem laufenden Teddybären unterkriegen lässt, sondern zurückschlägt.

Die Besetzung dieses Regiedebüts ist geschickt gewählt: Morgana O’Reilly spielt die Kylie stark, störrisch und überzeugt, Rima Te Wiata bleibt bis zum Ende glaubwürdig in der Rolle der tratschenden, liebenswürdigen, gewaltlosen Mutter. Ob es an der Charakterzeichnung oder der schauspielerischen Leistung liegt, dass der Sicherheitsmann Amos (Glen-Paul Waru) eher schwach auf der Brust daherkommt, darf jeder Zuschauer für sich entscheiden – doch solche kleinen Schwächen schaden dem Film nicht. Kein Wunder, dass er den letztjährigen (2014) ›Freshblood Award‹ (=Publikumspreis für Regiedebüts) auf dem Fantasyfilmfest abräumte. Mit einer Laufzeit von 107 Minuten raubt dieser Film niemanden seine Zeit. Ob nun Spukfilm oder Slasher: die Story – gespickt mit Komödienelementen und fein gesetzten Schreckmomenten – geht gut voran und entwickelt eine dichte Atmosphäre, die dem Geisterhaus-Horror frisches Leben einhaucht.

Dieses Erstlingswerk des Regisseurs Gerard Johnstone ist, um es mit den Worten Peter Jacksons zu sagen: »A wonderfully witty Comedy Horror that delights in scaring the hell out of you! BLOODY BRILLIANT!«

| ANNIKA RISSE

Titelangaben
Housebound
Neuseeland, 2014
Regie: Gerard Johnstone
Mit: Morgana O’Reilly
Rima Te Wiata
Glen-Paul Waru
Erwerben Sie diese DVD bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Trägerin eines Zeitenschicksals

Nächster Artikel

Vom Leben in der Stadt

Weitere Artikel der Kategorie »Film«

Bis zur letzten Sekunde

Film | Tatort: Der sanfte Tod (NDR), 7. Dezember »Wir sind die Niedersachsen/ sturmfest und elbverwachsen« – genau. Es geht um einen Schweineschlachtbetrieb, der international prächtig aufgestellt ist, mit vierhundertfünfzig Angestellten zuzüglich zweitausend Arbeitern auf Werksvertragsbasis, also Hungerlohn, mit drei Betrieben in Holland, zweien in China, einem Joint Venture in Russland, so eine Firma, gewiss, muss straff organisiert sein. Von WOLF SENFF

Sieg der Technik über die Story

Film | Im Kino: Gemini Man Für Liebhaber des Action-Genres gibt es einigen Anreiz, dem Auftragskiller Henry beim Kampf gegen die jüngere Version von sich selbst zuzusehen. Was ihm jedoch mehr als sein digitalisiertes »Ich« den Rang ablaufen dürfte, ist die neue Filmtechnik von Oscar-Preisträger Ang Lee. ANNA NOAH fragt sich, wie viel Spaß Filme mit der neuen Bildrate wirklich machen.

Das Leben geht weiter

Film | Jia Zhang-Ke: Still Life

Der englische Titel, unter dem Jia Zhang-Kes semidokumentarischer Spielfilm den Goldenen Löwen auf der venezianischen Mostra del Cinema 2006 gewonnen hat und unter dem er bei uns läuft, enthält die widersprüchliche Doppeldeutigkeit des Films in nuce. ›Still Life‹ ist zum einen die wörtliche Übersetzung des kunstwissenschaftlichen Fachbegriffs für »Stilleben«; zum anderen annonciert der Titel, dass es immer noch Leben gibt, wo alles nicht bloß »den Bach hinunter«, sondern von dem größten Staudammprojekt der Welt, dem umstrittenen »Drei- Schluchten-Damm des Yangtze«, verschlungen, nämlich überflutet wird – z.B. die 2000 Jahre alte Altstadt Fengjis. Von WOLFRAM SCHÜTTE

Trennung, Schmerz & Katastrophe

Film | Asghar Farhadi: Nader und Simin Das iranische Kino, das schon so viele großartige Künstler hervorgebracht hat, deren Œuvre die engen, zensoralen Grenzen des Staates auf die erstaunlichsten Weisen gesprengt & transzendiert hat, gehört nach wie vor (und auch in Zeiten verstärkter Repression) zu den großen Kinematographien der Welt. Asghar Farhadis ›Nader und Simin‹ beweist es. Von WOLFRAM SCHÜTTE

Oper als Arbeit

Film | Auf DVD: Die singende Stadt. Calixto Bieitos Parsifal entsteht Wer ein Theater oder eine Oper besucht, sieht auf der Bühne ein abgeschlossenes Kunstwerk. Nicht zu erahnen ist, wie viel Stunden Arbeit von unzähligen Menschen, von denen sich nur ein kleiner Teil nach der Vorstellung verneigt, zu diesem Ergebnis geführt haben. Unter diesem Gesichtspunkt ist es zu verstehen, wenn die Beteiligten verärgert auf jede negative Kritik reagieren. Sie ist ja auch eine Missachtung der Anstrengungen, die sie investiert haben. Von THOMAS ROTHSCHILD