Swinglegende, Dandy, Charmeur

Bühne | »›My way‹- the true story of Frank Sinatra and Ava Gardner«

Nicht wenige Sänger, vor allem Rocklegenden, sind entweder durch Alkoholexzesse oder andere Eskapaden schon zu Lebzeiten aufgefallen und am Ende durch diese stellenweise sogar zu Tode gekommen. Die Biographien anderer Autoren und Sänger wiederum sind nicht nur von der Qualität ihrer Lieder und Texte geprägt, sondern auch von ihren erotischen Abenteuern und Frauengeschichten gezeichnet. Zum Beispiel die von Francis Albert »Frank« Sinatra (1915-1998), Swinglegende, Dandy, Entertainer und Frauenschwarm, der unter anderem mit Songs wie ›My Way‹ und ›Strangers in the night‹ bekannt und berühmt wurde. Von JENNIFER WARZECHA

THPF_MyWay_Bild10_Schürmann_ZanggerLetzteren Song sang er im Duett mit einer seiner späteren Ehefrauen Ava Gardner (1922-1990, verheiratet mit Sinatra von 1951 bis 1957). Mit ›Strangers in the night‹ beschließen Samuel Schürmann als Frank Sinatra und Jula Zangger als Ava Gardner ihre musikalische Interpretation von Sinatras Lebensgeschichte nach dem Stück ›My Way‹ von Andy Hallwaxx, unter der Inszenierung von Markus Löchner und der musikalischen Leitung von Frank Rosenberger, im Podium des Stadttheaters Pforzheim.

Dafür ernten beide einen nicht endend wollenden tosenden Applaus, wenn auch gerade diese Interpretation am Ende die einzige war, die nicht ganz stimmig war. Samuel Schürmann verkörpert die Rolle des Frank Sinatra gesanglich herausragend, gekonnt und sympathisch mit Parodie, Ironie, unschuldigem Charme und Erotik, wie sie auch der Person Sinatras zu Lebzeiten auf den Leib geschrieben waren. Gerade in der Interpretation des Sinatra-Klassikers ›My Way‹ am Ende des Stückes ist Sinatra zwar wieder zu seinem beruflichen Erfolg zurückgekehrt, hat Ava (selbstbewusst, erotisch, frech, aber gesanglich nicht ganz so stark wie Schürmann: Jula Zangger) aber verloren. Erst enttäuscht sie ihn, nach durchzechter Nacht, mit einer erotischen Begegnung mit seiner Exfreundin und der Weitergabe intimer Details über Sinatra an die Medien. Passend dazu schwebt sie grazil und aufreizend mit kokettem Blick dem Publikum zugewandt in rosa-durchsichtigem Mantel, den sie aufreizend auf den Bühnenboden fallen lässt, über die Bühne. Das Bühnenbild (Bühneneinrichtung und Kostüme: Dirk Steffen Göpfert) unterstützt Schauspiel, Parodie und Gesang dem Anlass angemessen im Stil der 50er Jahre mit goldenem, glitzerndem Vorhang, Garderobenspiegel mit Fotos dekoriert, Blümchentapete, Piano und aufklappbarer Bartheke.

THPF_MyWay_Bild12_Zangger_SchürmannDiese ist es auch, die Ava umfunktioniert und in ein Schaumbad verwandelt, in das sie sich in keckem rosa Bikini hinein setzt und dort, mit einer Champagnerflasche in der Hand, verführerisch räkelt. Erst als Sinatra sie zur Rede stellt – für seine Eskapaden war der Sänger auch im echten Leben berühmt – nachdem er sie zuvor mit einer edlen Kette anlässlich ihres ersten Hochzeitstages überrascht hat, schwingt sie sich aus dem Bad heraus, direkt auf den Schoß eines Zuschauers. Immer wieder beziehen beide Schauspieler und Sänger das Publikum mit ein, zum Beispiel, wenn Schürmann bei einzelnen Liedpassagen einzelne Zuschauer mit zugleich emotionalem und festem Blick direkt ansieht und quasi in den Song integriert. Oder wenn er auf seine erotischen Begierden und sexuellen Abenteuer selbst zu sprechen kommt. Zum Beispiel dann, wenn er einige prominente Sexualpartnerinnen benennt, dabei suchend ins Publikum schaut und arrogant-snobistisch davon spricht, dass er mit diesen Damen schon lange nicht mehr geschlafen habe. Ava selbst ist es, die ihm gerade diese Affären nicht zuletzt übel nimmt und sich dann von ihm trennt.

Sinatras Affären zerstören Sinatras wahre Liebe

Das tut sie, kurz nachdem sie einen entrüsteten Blick ins Publikum geworfen hat und ihm eine Affäre mit der Schauspielerin Mia Farrow vorwirft, mit der Sinatra tatsächlich von 1966 bis 1968 verheiratet war. Im eleganten schwarzen Abendkleid mit silbernen Pailletten, in dem sie schon in der ersten Szene die Bühne betritt und Frank kennenlernt, packt sie ihre Koffer und bombardiert den Sänger noch einmal, den Rücken dem Publikum zugewandt und Sinatra an der linken Bühnenseite stehend, mit Vorwürfen. Dabei erinnert sie an die Zeit eines Filmdrehs in Afrika – auch Gardners beruflicher Erfolg im Kontrast zu Sinatras auch aufgrund seiner Erkrankung der Stimmbänder erlittenen Karriereeinbruch trübten Ehe und Liebesverhältnis der beiden. Während der Zeit in Afrika war Gardner schwanger mit Sinatras Kind.

Im Stück steht sie Seite an Seite mit ihrem Ehemann, beide haben jeweils ein aus den 50er Jahren stammendes Modell eines Telefons am Ohr und sorgen durch ihr gegenseitiges akustisches Nicht-Verstehen für eine dementsprechende Situationskomik. Sie hält ein Nutella-Glas in der Hand, in das sie eine Gurke taucht, ein Zeichen für ihre Schwangerschaft. Sinatra, abgelenkt durch ein berufliches Erfolgserlebnis, hört ihr erst nicht zu und redet selbst noch weiter, als sie längst wieder hinter dem Vorhang verschwunden ist. Erst mit Koffer bepackt, im Zeichen des Abschieds, verrät sie ihm dieses Ereignis und erzählt, dass sie das Kind habe abtreiben lassen, weil sie den Sänger bereits zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Eskapaden und seines Lebensstils, auf der Suche nach Erfolg, ohne Rücksicht auf Verluste, gehasst habe.

Emotional ergriffen über den Verlust seiner augenscheinlich großen Liebe singt Schürmann alias Sinatra sein ›My Way‹, das dementsprechend prägnant den Titel des Stückes ziert.

THPF_MyWay_Bild1_SchürmannWie in oben genannten Phänomenen bei Persönlichkeiten der Musikgeschichte und der Geschichte des öffentlichen Lebens geschildert, fragt man sich auch hier, wie der große Hunger nach Leben, Ekstase, Erotik und Verbrechen – Sinatras Verbindungen zur Mafia waren nicht nur bekannt, sie werden im Stück auch durch entsprechende Telefonate und die Verwendung einer Waffe angedeutet, die Schürmann alias Sinatra fast ins Jenseits und Zangger alias Ava fast an den Rande eines Nervenzusammenbruchs befördern – den Sänger und Künstler wohl für immer unglücklich werden ließen. Viermal verheiratet, mit drei Kindern von seiner ersten Frau Nancy (verheiratet von 1939 bis 1951), die im Stück von Ava und der Live-Band (top! Saxofon: Angela Weiss, Trompete: Thomas Neuberth, Posaune: Clemens Braun, Klavier: Frank Rosenberger, Gitarre: Jonas Khalil, Bass: Klaus Dusek und Schlagzeug: Holger Nesweda) thematisiert und geradezu anklagend und anprangernd zur Sprache gebracht werden, zeigt der Verlauf des Stückes doch: Ava Gardner war Frank Sinatras große Liebe. Schade, dass seine zahlreichen Affären ihn dieses Glück nicht leben ließen. Beziehung leben und lieben zu können, bleiben damit stetige Lebensaufgaben eines Jeden.

Das Publikum im bis auf den letzten Platz besetzten Podium des Stadttheaters Pforzheim lässt sich von dieser Trauer nicht die Stimmung trüben und applaudiert mit Händen und Füßen solange, bis eine Zugabe das Stück beschließt. Ein großer Erfolg und gelungener Abend!

| JENNIFER WARZECHA

Titelangaben
My Way – The true story of Frank Sinatra and Ava Gardner
Theater Pforzheim
Frank Sinatra — Samuel Schürmann
Ava Gardner — Jula Zangger

Inszenierung — Markus Löchner
Musikalische Leitung — Frank Rosenberger
Bühne und Kostüme — Dirk Steffen Göpfert
Dramaturgie — Peter Oppermann
Nächster Termin:
Freitag, 11. März 2016, ab 19. 30 Uhr, Großes Haus

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Vergewaltigende Engel

Nächster Artikel

Let her rock!

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Ist ja alles so schön bunt hier

Bühne | ›Peer Gynt‹ von Henrik Ibsen in der Inszenierung von David Bösch im Residenztheater München Theatereffekt, Theatereffekt, Theatereffekt und turbulente Komik mitten im Wald. ›Peer Gynt‹ von Henrik Ibsen in der Inszenierung von David Bösch im Residenztheater München – TINA KAROLINA STAUNER war dabei.

Not the great Hippie-Swindle

Musik | Woodstock-Shortlist 1967 – Summer of Love. 1968 – Flower People. 1969 – Woodstock. Das Folk-, Rock-, Psychedelic-, Blues- und Countryfestival Woodstock, 3 Days of Peace & Music, fand vor 50 Jahren vom 15. bis 17. August 1969 statt – in White Lake in der Nähe der Kleinstadt Bethel des Bundesstaats New York. Auf dem Set waren mindestens 32 Bands und circa 400.000 Zuschauer und dies völlig friedlich im teilweisen Festivalchaos und in einer Zeit gesellschaftlicher Konflikte. Von TINA KAROLINA STAUNER

Geschichten über Pierrot

Musik | Pierrot in der Musik und im Musiktheater Der Pierrot, 1816 aus dem Pedrolino der Commedia dell’arte entwickelt, entsprang der Fantasie des Pantomimen Jean-Gaspard Deburau. Eigentlich gab es solche Figuren, die zu Zirkus-Weißclown wurden, schon im Straßentheater des 15. Jahrhunderts. Eine einfache Figurine für’s Volk. Der Sänger Alexsander Wertinski erfand einen schwarzen Pierrot. Von TINA KAROLINA STAUNER

Coming in and Coming out

Bühne | Comedy: Cavequeen Sven wacht nach seiner eigenen Geburtstagsfeier ziemlich verwirrt im Vorgarten auf – splitternackt. Quasi fast scheintot. Doch sein eifersüchtiger Freund Bruno lässt ihn lieber in der Kälte zittern, statt ihn ins Haus zu lassen. Geschickt lenkt der Entertainer sein Publikum und erklärt den »in-den-Vorgarten-Gaffern« (Zuschauern) Klischees von Homosexuellen, die – oh Wunder – alle wahrer zu sein scheinen, als man auf den ersten Blick denken könnte. ANNA NOAH staunt über Svens ausdrucksstarke Art, das Publikum in seinen Bann zu ziehen.

Suche nach der eigenen Identität, fernab vom Vater

Bühne | Friedrich Schiller: ›Die Räuber‹ – Badisches Staatstheater Karlsruhe Fast mahnend wirkt die Bühne im Kleinen Haus. Diverse Holzplanen und Stahlstäbe in Weiß und Schwarz bilden ein verpixeltes Gesicht, dessen Gesichtszüge erst bei näherer Betrachtung deutlich werden. Mahnend wirken auch die in die Fragen des Protagonisten einstimmenden Männer, die, ähnlich einer Mauerschau im klassischen Drama, hoch oben über Bühnengeschehen und Protagonisten thronen. Ihre Gesichter sind Masken, die einzigen materiellen Beweise im Stück, die belegen, dass eben diese Protagonisten tatsächlich einen Vater haben. Von JENNIFER WARZECHA