TITEL-Textfeld | Slata Kozakova: Von kalten Elefanten
Kälte weht durch das gekippte Fenster. Der Erzähler wickelt sich einen Schal um den Hals und schreibt weiter. Der Porzellanelefant neben seinem rechten Arm sieht ihn vorwurfsvoll an und versucht sich umzudrehen, es gelingt ihm nicht. Tut mir leid, entschuldigt sich der Erzähler, Ich brauche frische Luft. Ist ja kein Durchzug.
Der Elefant zieht ein verächtliches Gesicht – wenn ein Elefant ein Gesicht hat. Er hat ständig Angst sich zu erkälten.Vorgestern habe ich vergessen, die Balkontür zuzumachen, gerade als der erste Frost kam. Jetzt bin ich erkältet, mein Erzähler auch, der Elefant ein bisschen. Aber der Leser bekommt es ja nicht mit, ob ich, der Autor, erkältet bin oder nicht. Vielleicht glaubt es mir jemand nicht. Aber ich bin wirklich erkältet, der Beweis dafür ist, dass ich den Schal angezogen habe. Wenn man gesund ist, tut man es meistens nicht, ich jedenfalls nicht.
Mit diesem Schal sind Tausende Geschichten verbunden. Er ist eigentlich ein ganz gewöhnlicher Schal, fünfzig Prozent Wollanteil, ein langer roter Schal. Das hat den Vorteil, dass man ihn mehrere Male um den Hals binden kann, besonders wenn man erkältet ist wie ich, wärmt er sehr gut. Es gibt wenige gelungene Erzähler, die ihre Aufgabe so gut erfüllen wie mein Schal – aber genug davon, sonst fühlt er sich geschmeichelt.
Was ich erzählen wollte, ist eine Geschichte, die mit ihm verbunden ist. Ich ging einst in den Park. Das ist vielleicht zu weit hergeholt, ich mag es immer nicht, wenn jemand beim Erzählen ganz von Anfang an anfängt. Man soll ja auch mit dem Anfang anfangen, aber nicht ganz von Anfang an, sondern da, wo es schon spannender wird. Jetzt ist der Erzähler irritiert. Wo bin ich eigentlich stehengeblieben. Beim Anfang war ich. Nein, da war doch noch etwas davor, vor dem Anfang, warum ich nicht damit anfangen will. Ich vergesse oft und viel, manchmal fallen mir Sachen wieder ein, aber zu spät, wenn mein Erzähler aufhört zu reden, werde ich mich bestimmt erinnern, aber dann liest ja keiner mehr weiter, wenn ich so lange dafür brauche, um mich zu erinnern, was vor dem Anfang war. Am Anfang war das Wort, aber was für eins. Jetzt redet der Erzähler mit dem Elefantenrüssel wieder sein eigenes Zeug und ich sitze immer noch da und denke darüber nach.
| SLATA KOZAKOVA