Kinderbuch | Norman Messenger: Stell dir vor … Das Wunder-Bilder-Buch
Stell dir vor, du hast Durst, eine Tasse und eine Teekanne. Aber leider eine Kanne ohne Ausguss. Stell dir ein Haus vor, aus roten Backsteinen, einem Dach nebst Dachrinne und einer grünen Haustür. Und stell dir vor, das Haus hat kein einziges Fenster. Stell dir eine Uhr vor, eine schöne, bemalte Uhr mit Zifferblatt und den Zahlen von Eins bis Zwölf. Aber ganz ohne Zeiger. Verrückt? Norman Messenger nimmt uns mit in eine Welt, in der all das möglich ist. ANDREA WANNER staunt.
Er ist ein Magier, ein Illusionist. Mit seinen Bilder zaubert er uns in eine verdrehte Welt, die nicht den Regeln gehorcht, die wir zu kennen meinen. Sein erstes Kunststück ist das Cover mit dem zu klein geratenen Schutzumschlag. Wir sehen eine Frau mit Hütchen, die Augen erstaunt aufgerissen, in der rechten Hand hält sie ein Törtchen vor dem geschlossenen Mund. Der Umschlag lässt sich nach oben schieben, bis er mit der Buchoberkante bündig ist – und dabei geschieht das Erstaunliche. Die Frau öffnet ihren Mund weiter und weiter, entblößt ihre Zähne, wir können ihr in den Rachen schauen: ein tiefer, dunkler Schlund, in dem das Törtchen jetzt gleich verschwunden sein wird.
Oder wir schauen auf eine Landschaft, die eine ganze Doppelseite einnimmt. Grüne Hügel, Wälder, eine Burg einzelne Gehöfte, eine kleine Kapelle, im Vordergrund ein Fluss und weiter hinten höhere Berge. Schön. Und in diesem Land sollen Riesen leben? Dazu muss man das Bild genauer unter die Lupe nehmen. Plötzlich verwandelt sich ein Bergrücken zur Nase, ein vorbeifliegender Vogel zum Nasenloch. Eine Kuh wird zum Auge, der Busch, neben dem sie weidet, zu Augenbrauen. Eins, zwei, drei, vier, fünf… aus dem Nichts erscheinen die Riesen, nimmt die Landschaft menschliche Gestalt an, türmen sich Steine zu einem Profil, bilden Hügel Umrisse von menschlichen Gesichtern. Man fängt an Gesichtszüge in die Landschaft hineinzuträumen, wo gar keine sind.
Oder ein Blick auf ein ganz normales, kleines Dorf. Nett. Aber ist das alles wirklich möglich? Die Wäsche reckt sich an der Leine hoch in die Luft, die Leute auf der Brücke stehen auf der falschen Seite vom Geländer, da, wo sie eigentlich ins Wasser fallen müssten. Und was ist mit dem Kirchturmfenster geschehen?
Abenteuerliche Such- und Rätselbilder, merkwürdige Szenen, Seiten, die man drehen und bewegen kann und dabei Änderungen herbeiführt und kleine Denksportaufgaben wechseln sich ab. Überraschend und verblüffend seigen sich Verwandlungen und kommt Unerwartetes zum Vorschein. „Das Versteckte in einem Vexierbild sei deutlich und unsichtbar. Deutlich für den der gefunden hat, wonach zu schauen er aufgefordert war, unsichtbar für den, der gar nicht weiß, dass es etwas zu Suchen gilt.“ schrieb Kafka in sein Tagebuch.
Giuseppe Arcimboldo, Max Ernst, René Magritte und M.C. Escher lassen grüßen. Es lockt eine Bilderwelt voller Verdrehungen und Täuschungen, so hinreißend präsentiert, dass man sich gerne in ihr verliert und rätselt, was denn nun sein kann und was nicht.
Stell dir vor, es ist ein langweiliger Regentag und du weißt nichts mit dir anzufangen. Und dann liegt da das Wunder-Bilder-Buch…
Titelangaben
Norman Messenger: Stell dir vor … Das Wunder-Bilder-Buch
Hildesheim: Gerstenberg 2016
32 Seiten, 19,95 Euro
Bilderbuch ab 4 Jahren
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