/

Die letzte Rockband – Guns N’Roses und der weiße Wal

Musik | Ottar Gadeholt über die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil IV)

Die erste – und vielleicht überraschendste – Abweichung der Guns N‘Roses vom Rockmythos, war, dass Izzy Stradlin abgesprungen ist. Indem er sich immer mehr für die Musik und die Attitüde interessierte als für das Geld, und indem seine Ästhetik weit mehr von den 1969er Rolling Stones (!) geprägt war als von den Stadion-Rock-Idealen seiner eigenen Zeit, hörte er auf, als Axl Rose das Video für ›Don’t Cry‹ durchsetzte, das erste der drei megalomanen Musikvideos (mit ›November Rain‹ und ›Estranged)‹, die die ›Use-Your-Illusion‹-Alben Anfang der neunziger Jahre begleitete.

guns-n-roses the-perils-of-rock-n-roll-decadence coverStradlin muss schon eine Weile gewusst haben, dass die Band nicht ewig bestehen würde, denn in ›Pretty tied up‹, einem der Höhepunkte von ›Use your Illusion II‹, schreibt er nicht nur über eine Dominatrix in Melrose Avenue, sondern auch über seine eigene Situation: »Once there was this rock’n’roll band rollin’/ on the streets/time went by and it became a joke/we just needed more and more fulfillin‘ /time went by and it all went up in smoke.« Der Untertitel des Songs, ›The perils of rock’n’roll decadence‹, unterstreicht die Unzufriedenheit des Autors, mit der Richtung, in die die Band ging. Im Klartext heißt dies, dass Izzy Stradlin mehr Wert auf den Rockmythos legte, auf seine Vorstellung, wie die Band sein sollte, als auf den größtmöglichen Reichtum und Erfolg. Und es ist zweifellos paradox, dass der erste richtige Bruch in der Band entstand, weil sie den Mythos von den 1969er Rolling Stones übertroffen hatten (der Schlagzeuger, Steven Adler, war bereits wegen Heroinmissbrauchs gefeuert worden, aber sowohl die Aussagen der anderen Bandmitglieder als auch die musikalischen und intellektuellen Fähigkeiten, die er an den Tag legte und legt, deuten darauf hin, dass er nicht als großen Verlust gesehen wurde).

Die Grenzen des Rockmythos

Axl Rose überschritt auch die Grenzen des Rockmythos, allerdings auf weit unbequemerer Art und Weise. Obwohl Rock’n’Roll in der Begegnung zwischen schwarzer und weißer Musik entstand, gab es, paradoxerweise mit einer Ausnahme im amerikanischen Süden, meist klare Trennungen zwischen den kulturellen Ausdrücken der beiden Bevölkerungsgruppen. Trotzdem ist in der Popmusik offenkundiger Rassismus nie eine relevante Haltung gewesen, und das Problem ist fast ausschließlich vonseiten der Schwarzen thematisiert worden.

Dafür war Homophobie schon immer eine häufige Erscheinung, was zum Teil darin begründet ist, dass die Rockmusik schon immer randvoll mit Alpha-Männchen war, die ihr Revier markieren wollten. Bei diesen ist der sicherste Weg zum Sieg in einem Konflikt zu kommen, über die Potenz und Stärke des Rivalen Zweifel zu säen. Dieses Macho-Gehabe, gekoppelt mit der recht üblichen Einstellung, dass Frauen ein Statussymbol wie Karren und Koks sind, hat auch dazu geführt, dass Misogynie in der Rockmusik eine häufige Haltung ist; zu ihrer Verteidigung kann man notfalls anführen, dass diese Frauenverachtung eher Ausdruck für die Ansichten grenzdebiler Halbstarker ist als für einen aggressiven und aktiven Frauenhass. Genauer gesagt: All dies stimmte nur, bis Axl Rose die Bühne betrat. Der früher genannte Song ›One in a Million‹, war der letzte auf dem Album ›GN’R Lies‹ aus dem Jahre 1988 – ein Album, das nur veröffentlicht wurde, um die Band in der Öffentlichkeit zu halten, bis das nächste Album (genauer die nächsten!) rauskommen konnte (das dauerte drei Jahre …)

Guns n Roses-LiesDie Band zählt an, und der Song beginnt mit einem hämmernden E-Dur-Akkord auf akustischer Gitarre und eine unheimliche Melodie, die noch stärker erlebt wird, indem sie gepfiffen wird. Das darauffolgende Riff wird auf einer etwas übersteuerten elektrischen (oder halbakustischen?) Gitarre gespielt, und Rose singt mit kreischender Stimme, wie er mit dem Bus abgereist ist, um Frieden zu finden. So weit, so gut, man vermutet schon das Motiv, das man aus ›Welcome to the Jungle‹ kennt und findet den Groove ziemlich geil, dann aber knallt es: »Police and Niggers, that’s right«, singt der Protagonist, und mit dem »that’s right« bestätigt er, dass wir richtig gehört haben, dass er ein Wort benutzte, das weit jenseits vom anständigen Vokabular ist; »get out of my way, don’t need to buy none of your/ gold chains today.«

Die Aussage ist durch seinen primitiven Rassismus peinlich, und als Zuhörer kann man es nicht vermeiden, sich unbequem zu winden, wie wenn ein angetrunkener Onkel peinliche Witze vor deiner Freundin erzählt. Gleichzeitig gibt es etwas Bäuerliches an der Rhetorik, insbesondere weil das Wort »PO-lice« so ausgesprochen wird, bilde ich mir ein, wie man es in Indiana tut (R. Kelly, aus Chicago in Indianas Nachbarstaat Illinois, spricht in ›Step in the name of love‹ »GUI-tar« mit einer ähnlichen Betonung der ersten Silbe aus), und diese Besonderheit verleiht den Eindruck, dass die Ich-Person ein Dorfidiot aus »Bumfuck« ist und somit nicht ganz ernst genommen werden kann.

»You’re one in a million«, folgt der Refrain, und man muss davon ausgehen, dass dies der Abschiedsgruß aus der Heimat ist; von allen, die sich lieber ein Leben in der Peripherie machen, als zu einer unsicheren Existenz in einer der Großstädte aufbrechen wollen. Diese Hinterbliebenen lehnen jede Verantwortung ab, für das was passieren wird, ihre Phrasen klingen aber hohl und heuchlerisch: »Maybe some there will see you/before you make us cry/You know we tried to reach you/but you were much too high«; Rose hatte offensichtlich schon in seiner Jugend ein Problem mit Drogen.

Von peinlich zu unerträglich

Aber dann, nachdem »much too high« endlos wiederholt wurde, ändert der Song seinen Charakter von peinlich zu unerträglich, indem die Rhetorik krasser wird als in jedem anderen Mainstreamrocksong, so hässlich, dass selbst die Gangsta-Rap-Pioniere von NWA wahrscheinlich die Bremse gezogen hätten:
»Immigrants and faggots, they make no sense to me/they come to our country/ and think they’ll do as they please/like start some Mini-Iran or spread some fucking disease/They talk so many goddamn ways/it’s all Greek to me.« Die Aussage ist so haarsträubend hasserfüllt, so bösartig in ihrer Erniedrigung bestimmter Bevölkerungsteile, dass sie nicht mehr verteidigt werden kann – und der arme Slash, dessen Mutter Afroamerikanerin war, schämte sich so sehr, dass er sich lange Zeit nicht traute, ihr in die Augen zu gucken. Rose, aber, geht weiter, ohne zu blinzeln: »Some say I’m crazy…/I guess I’ll always be«, und das mag sein. Weit schlimmer aber, als dass er verrückt ist – was in der Rockkultur ein Stück weit akzeptabel ist – ist, dass er ein unverblümter Rassist der schlimmsten Art ist. Man hat ihn gezwungen, eine Entschuldigung auf dem Albumcover zu schreiben, diese klingt aber halbherzig und gezwungen: »This song is very simple and extremely generic or generalized, my apologies to those who may take offense.« Andererseits: ›One in a Million‹ ist ein musikalisch äußerst gut gespielter, mitreißender, halbakustischer Rocksong mit einem erstklassigen Gitarrensolo, und wenn man es hört, kann man es nicht vermeiden, sich in dieser Hinsicht darüber zu freuen.

In ›One in a Million‹ geht Guns N’Roses von einer konventionellen Art weg, die »gefährlichste Rockband der Welt« zu sein und wird etwas weit Unangenehmeres, ihre Popularität aber, litt nicht nennenswert darunter. Das Charisma und das unbestreitbare Talent der Band sicherten, dass sie immer noch die größte Rockband der Welt waren, man sah aber die Zeichen, dass die Band in Flammen aufgehen würde.

GnR - Use your Illusion 1Auf dem darauffolgenden Album ›Use your Illusion I‹ veröffentlichten die Guns den Song ›Back off Bitch‹, ein Stück, das Rose schon viele Jahre früher geschrieben hatte. Musikalisch gesehen ist er nicht sonderlich interessant, bis auf das spektakuläre Gitarrensolo, der Text ist aber auffällig Misogyn, selbst für einen Hardrocksong: »Back off, back off bitch/Down in the gutter, dyin’ in the ditch/ you better back off, back off bitch/face of an angel with the love of a witch oder Stay out of my head, out of my bed/if it’s lovin’ you, I’m better off dead.« Die Frau ist kein Objekt der männlichen Begierde, sie ist nicht einmal ein (Sex-)Spielzeug, das er wegschmeißen kann, wenn er keine Lust mehr hat. Sie ist das Objekt eines Hasses, der so kalt und wütend ist wie ein Schneesturm.

Kalt und wütend wie ein Schneesturm

Diese älteren Songs bekamen ein Nachspiel auf dem nächsten Album der Band, dem aufgedunsenen Doppel-Single-Album ›Use your Illusion‹. Auf ›Don’t damn me‹, von ›Illusion I‹, wie so viele der kontroversiellen Songs der Band ist er einer der am besten gespielten, geilsten Songs der beiden Platten überhaupt, erklärte Rose seinen Standpunkt und gab weitere Einsicht in seine Geisteshaltung: »Don’t damn me when I speak a piece of my mind/’Cause silence isn’t golden when I’m holding it inside/I’ve been where I have been and I’ve seen what I have seen/I put the pen to the paper ‚cause it’s all a part of me.« Axl Rose ist es offensichtlich so wichtig, seine eigenen Gedanken zu dokumentieren, dass er das Recht hat, alles zu sagen, was er möchte, und ungeachtet, was seine Aussagen andere kosten. »My words may disturb but at least there’s some reaction«, singt er weiter, und drückt damit den Gesichtspunkt des mit Ressentiments beladenen Außenseiters auf die Gesellschaft als solche aus.

In der nächsten Strophe zeigt er mehr von dem, was sich in der Tiefe seiner Seele bewegt: »Sometimes I wanna kill, sometimes I wanna die/Sometimes I wanna destroy, sometimes I wanna cry/Sometimes I could get even, sometimes I could give up/Sometimes I could give, sometimes I never give a fuck.« Gleichzeitig ist er voller Selbstmitleid: »It’s only for a while, I hope you understand/I never wanted this to happen, didn’t want to be a man/So I hid inside my world, I took what I could find/I cried when I was lonely, I fell down when I was blind«, bevor ein neuer destruktiver Impuls zum Ausdruck kommt: »So I stepped into your world, I kicked you in the mind/And I’m the only witness to the nature of my crime.«
Der ganze Text wechselt zwischen hasserfüllter Aggression und pathetischem Nörgeln, bevor er am Ende prinzipieller wird und die Beziehung zwischen der Band und ihren Fans schmäht: »Don’t hail me and don’t idolize the ink/Or I’ve failed in my attentions, can you find the missing link?/Your only validation is living your own life/Vicarious existence is a fucking waste of time.« Hier sagt Rose ausdrücklich, dass die Anerkennung der Plattenkäufer ihm nichts bedeute, dass alle, die einen Künstler bewundern und Zeit verbringen, ihn zu verstehen, ihr eigenes Leben vergeuden. Damit drückt er einen nihilistischen Solipsismus und eine Verachtung über seine Mitmenschen aus, die man nur selten formuliert sieht.

Obwohl jeder einigermaßen anständige Mensch vom Menschenbild und vom Wertverständnis, das Axl Rose in diesen Songs an den Tag legt, Abstand nehmen würde, findet man sich dabei – und das ist sowohl beeindruckend als auch beunruhigend – den Rose’schen Gedankengängen zu folgen und sich zu einem gewissen Grade zu eigen zu machen. Nicht nur, wenn er die Gassen LAs in ›Welcome to the Jungle‹ schildert, sondern auch, wenn er sich dem Nihilismus hingibt, zumindest in ›One in a Million‹. Man versteht das Bedürfnis, von Straßenverkäufern, übergriffigen Bullen und aufdringlichen Schwulen in Ruhe gelassen zu werden; und erst, wenn das mahlende »much too high« zum letzten Mal erklungen ist, denkt man wieder klar.

Es gibt etwas an Roses mythischem Format und überwältigendem Charisma, das es einem schwer macht, an seinen grundlegenden Prinzipien festzuhalten. Mit den Worten Ishmaels [aus Moby-Dick]: »What skiff in tow of a seventy-four can stand still?«

»A socio psychotic state of bliss«

Watch You Bleed: The Saga of Guns N' RosesLaut Stephen Davis’ Bandbiographie ›Watch You Bleed: The Saga of Guns N‘ Roses‹ war es in dieser Zeit, dass bei Axl Rose die Diagnose einer bipolaren Erkrankung gestellt wurde, aber – mit dem Vorbehalt, dass ich kein Psychiater bin, jedoch nach eigener Einschätzung etwas vom Fachbereich verstehe – hört sich die Diagnose nicht sonderlich plausibel an. Sie sei durch die schnellen Stimmungsschwankungen von Rose begründet, durch seine Neigung zu Gewalt und zu seinem eisig-wilden Blick; diese Züge sind aber eigentlich untypisch für bipolare Patienten. Letztere haben eher manische Episoden mit übermäßiger Extroversion; d.h. Größenwahn; Redseligkeit; flüchtige und unrealistische Ideen; Hypersexualität und eine ausgesprochene Neigung, von Kleinigkeiten abgelenkt zu werden; darauf folgen depressive Phasen mit Selbstmordgedanken, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen und Niedergeschlagenheit. Aggression und Gewalttätigkeit sind weder Ausdruck von Manie noch von einer Depression, außerdem sind die Stimmungsschwankungen, die bei Rose beschrieben wurden, viel zu schnell, als dass die Diagnose gerechtfertigt ist.

Die zuletzt zitierten Zeilen von »Don’t damn me« sind weit von dem Rausch eines Manikers an sich selbst und seinem eigenen Hirn entfernt und vielmehr als die eiskalt gleichgültige Welteinstellung einer dissozialen Persönlichkeit, oder in Laienbegriffen, eines Psychopathen oder Soziopathen, zu verstehen. Es kann gut sein, dass seine Psychiater dies wussten, meiner Erfahrung nach wird eine bipolare Störung immer wieder als tarnende Diagnose genutzt, um eine (weit gefährlichere und stigmatisierendere) Persönlichkeitsstörung nicht zu nennen; Letztere kann auch nicht behandelt werden. Rose hat es auf jeden Fall gewusst, denn auf ›My World‹, dem merkwürdigsten Song auf ›Use your Illusion‹; ein Song, der angeblich auf das Album kam, ohne dass es die restliche Band wusste, sagt er: »You wan’da step into my world/It’s a socio psychotic state of bliss.« Er ist ein Psychopath, und es gefällt ihm.

Im Bauch des Walfischs

Moby Dick (PD)Hier platzt der Mythos endgültig, und das auf die schlimmste mögliche Art. Gleichzeitig eröffnet diese Interpretation von Axl Rose eine neue Perspektive, eine, die soweit ich weiß, nie angesprochen wurde. Die Geschichte von Axl Rose und Guns N’Roses ist die einer brillanten, charismatischen Person, die vom und im Mythos lebt und diesen auslebt – eine Geschichte von Sex, Drogen und Rock’n’Roll, vom geplagten Künstler und vom Rotzlöffel aus Bumfuck, der den Gipfel der Charts erreicht. Gleichzeitig rebelliert er gegen die Mythen, er benutzt seine außergewöhnlichen Fähigkeiten nicht nur, um sich selbst zu zerstören – wie es ein anderer Mythos vorschreibt – sondern um auch alle anderen zu vernichten. So gesehen wird Axl Rose eine Art Hamlet, der sich gegen die Rolle des »Rächers« erhebt, noch mehr wird er aber ein Kapitän Ahab aus ›Moby-Dick‹.

Ahab mit den vielen Rollen: der große Seefahrer und der heldenhafte Walfänger; der gottfesürchtige Hiob, der ein Bein ans Meer verliert: Jonah, der vom Wal gefressen wird. Statt aber seine Leute zu retten, führt er sie in Verdammnis; anstatt, dass er seine Verluste mit der Sanftmütigkeit und mit dem Glauben an den Herrgott eines wahrlich Gläubigen trägt, fordert er ihn zum Zweikampf aus; anstatt, dass er im Bauche des Walfisches ausharrt, bis der Herr ihn wieder in die Freiheit entlässt, kämpft er gegen das übermächtige Ungeheuer. Ähnlich geht es Axl Rose, der sich nicht wie Robert Plant der grenzenlosen Dekadenz hingibt, wie David Bowie versucht, die Irrungen des Zeitgeistes vorzugreifen, oder wie Marc Bolan, eine schöne Leiche zu werden.

»I’d strike the sun, if it insulted me«

Stattdessen kämpft er ohne Rücksicht auf die Verluste von sich selbst oder von anderen gegen die mächtige Musikpresse. In ›Get in the Ring‹ bringt er eine spektakuläre Tirade gegen bekannte Musikjournalisten und –Herausgeber: »That means you Andy Secher at Hit Parader/Circus Magazine, Mick Wall at Kerrang/Bob Guccione Jr. at Spin/What, you pissed off ‚cause your dad gets more Pussy than you?/ Fuck you, suck my fuckin‘ dick!« (wie Audun Vinger sagt: »Oh!«). Axl Rose beließ es nicht dabei, einer der wenigen zu sein, die einen der spannendsten Mythen unserer Zeit ausleben durfte, er wurde auch zur lebendigen Romanfigur. Gleichzeitig kann man kaum den obenstehenden Ausbruch hören, ohne an Ahab zu denken: »I’d strike the sun, if it insulted me.« Axl und Ahab kämpfen ohne Zögern gegen einen unschlagbaren Gegner; sie können es nicht lassen und weigern sich, es zu tun.

Wie interessant Axl Rose auch immer war (er lebt zwar noch, ein Leben geht aber im Gegensatz zum Roman weiter auch, wenn alles vorbei ist, während der Roman weiterlebt, auch wenn die Menschen sterben), ist es aber nicht das Unerträgliche an seinem Lebenslauf, das Guns N’Roses so unbeliebt macht. Die großen Stars der Popmusik (und des Films) können fast alles machen, ohne zu leiden, wenn sie weiterhin Kunst auf einem gewissen Niveau produzieren, zumindest wenn sie über das »One-Hit-Wonder-Stadium« hinaus sind, und soweit mir bekannt ist, hat GN’R nie etwas gebracht, was an den ›Mudshark incident‹ von Led Zeppelin (bei der die Band und ihre Hangers-on angeblich ein Groupie mit einem lebendigen Hai vergewaltigt haben) herankommt. Außerdem: Die, die Guns N’Roses hören, betreiben in der Regel keine Textanalyse, während die, die Textanalyse betreiben, selten Guns hören. Selbst aber die abartige Persönlichkeit von Axl Rose reichte nicht aus, um Guns N’Roses vom Parnass zu stürzen; der letzte Stoß kam aus einer unerwarteten Ecke.

| OTTAR GADEHOLT

Reinschauen
| Die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil I)
| Die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil II)
| Die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil III)
| Die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil IV)
| Die mythologische Seite von Guns N’Roses (Teil V)

2 Comments

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Folkdays aren’t over… »Schwarzes Gold« und das Plattenlabel ›Folkways‹

Nächster Artikel

No man’s people

Weitere Artikel der Kategorie »Live«

Easter Sunday in Harlem

Ausstellung | »Working Together: The Photographers of the Kamoinge Workshop«

Die wunderbare Ausstellung ›Working Together: The Photographers of the Kamoinge Workshop‹ im New Yorker Whitney Museum zeigte eine Perspektive afro-amerikanischer Fotografen der 1960er und 1970er Jahre. Die Bilder – voll Soul, Poesie und politischer Relevanz – beweisen: Black Photography Matters! Von SABINE MATTHES

»Jeder Mensch ist ein Abgrund«

Bühne | ›Woyzeck‹ im Stadttheater Pforzheim

Ein Mann am Ende seiner Kräfte, zerrieben zwischen der Sorge um seine Familie und regelrecht missbraucht mittels eines zynischen Menschenexperiments – so erscheint der Friedrich Johann Franz Woyzeck (ausdrucksstark, emotional-authentisch und empathisch: Jan-Hendrik von Minden) dem Publikum im Pforzheimer Stadttheater auf der Bühne (Inszenierung: Elias Perrig). Im Gegensatz dazu tanzt sich der Tambourmajor (ebenfalls authentisch und ausdrucksstark: Jacob Hetzner) leider nicht nur in die Herzen des Publikums, sondern auch in das Herz von Woyzecks Freundin Marie Zickwolf. Damit treibt er die Tragödie voran. Von JENNIFER WARZECHA

Not the great Hippie-Swindle

Musik | Woodstock-Shortlist 1967 – Summer of Love. 1968 – Flower People. 1969 – Woodstock. Das Folk-, Rock-, Psychedelic-, Blues- und Countryfestival Woodstock, 3 Days of Peace & Music, fand vor 50 Jahren vom 15. bis 17. August 1969 statt – in White Lake in der Nähe der Kleinstadt Bethel des Bundesstaats New York. Auf dem Set waren mindestens 32 Bands und circa 400.000 Zuschauer und dies völlig friedlich im teilweisen Festivalchaos und in einer Zeit gesellschaftlicher Konflikte. Von TINA KAROLINA STAUNER

SHORT STORIES

Musik | Short Story | Is A Mood Konzert von Giant Sand im Ampere. Szenepublikum. Sie gut gelaunt. Doch bald seltsam genervt von Howe Gelb. Der bricht ständig daneben und ironisch den guten Set. Die Band zieht dann das Ganze immer schnell wieder in die Qualität. Von TINA KAROLINA STAUNER

Wissen Sie wirklich ›Alles über Liebe‹?

Bühne | Theater das Zimmer (Hamburg): Alles über Liebe Anna und Carlos stehen vor ihrem eingefahrenen Ehe-Alltag. Eine Therapie soll ihnen helfen, sich wieder anzunähern. Doch es kommt ganz anders als erwartet – denn die (ur)komische Gesprächspartnerin lebt selbst in ihrer verrückten Welt. Von MONA KAMPE