Die Ästhetik des Kriegs

Digitales | Games: Battlefield 1

Alle paar Jahre – pünktlich zum Weihnachtsgeschäft – liefern sich Activision und Electronic Arts ein Duell der etwas anderen Art. Auch dieses Jahr wird wieder scharf geschossen, denn einmal mehr wollen sowohl ›Call of Duty‹, als auch ›Battlefield‹ den Thron im Shooter-Olymp besteigen. Während ›Call of Duty‹ in der Vergangenheit stets eine Nasenlänge Vorsprung hatte, fährt EA mit ›Battlefield 1‹ dieses Jahr große Geschütze auf, um der Konkurrenz ein Schnippchen zu schlagen. Wie gut das gelingt, weiß SEBASTIAN BLUME.

bf1_cover_hochDas schwedische Entwicklerstudio DICE und Publisher EA haben mit ›Battlefield 1‹ am 21. Oktober 2016 den wohl opulentesten Mehrspielertitel des Jahres auf den Markt gebracht. Das Spiel überzeugt durch eine herausragende Optik und betritt mit seinem Ersten Weltkrieg-Setting frische Pfade. Ein Alleinstellungsmerkmal, das ihn von der Shooterkonkurrenz in Form von ›Call of Duty: Infinite Warfare‹ und ›Titanfall 2‹ mit ihren futuristischen Schlachtfeldern deutlich abgrenzt. Hierbei ist DICE bemüht viele Facetten des Ersten Weltkriegs zu beleuchten. So reichen die Schauplätze von der Westfront über die italienischen Alpen, bis hin zu den Wüsten des Osmanischen Reichs. Auch diesmal wird sowohl für Solisten, als auch Teamspieler etwas geboten.

Einer von vielen

Seit ›Battlefield: Bad Company‹ spendieren DICE und EA der Reihe eine Singleplayer Kampagne. Im neuesten Ableger wagen die Schweden einen ganz neuen Ansatz. Direkt beim ersten Spielstart wirft uns das Spiel in den Prolog, in dem wir uns als junger amerikanischer Soldat inmitten des Schlachtfeldes wiederfinden und einen deutschen Angriff abwehren. Für ein paar Minuten kämpfen wir verbissen gegen die anstürmenden Horden, verlieren uns in der Schlachtatmosphäre, bis wir ihnen schließlich erliegen und den virtuellen Tod sterben. »Harvey Nottoway 1889 – 1918« – eine kurze Einblendung nennt uns alles, was wir über den Soldaten erfahren werden.

Dann fährt die Kamera über das Schlachtfeld und wir übernehmen die Kontrolle über einen anderen Soldaten, der einen ähnlich aussichtslosen Kampf führt. Diese Prozedur wiederholt das Spiel einige Male, bis der Prolog mit einer Rendersequenz endet, die uns versucht vor Augen zu führen, dass hinter jedem Soldaten immer auch ein eigenes persönliches Schicksal steht. Die Messlatte für den Rest des Singleplayers ist in diesem Moment ein gutes Stückchen angehoben worden. Leider kann das Gros nicht mithalten.

bf_screen-1›Battlefield 1‹ erzählt keine umfangreiche Geschichte. Stattdessen schlüpfen wir in die Haut von fünf sehr unterschiedlichen Soldaten, deren Warstories unabhängig voneinander erzählt werden. Die Geschichten reichen von einem jungen britischen Panzerfahrer, der sich den Respekt seiner Mannschaft verdient, über einen alternden australischen Veteranen, der eine Vaterfigur für seinen Schützling wird, bis hin zu einer arabischen Frau, die für die Unabhängigkeit kämpft.

Besonders die aufwändig gestalteten Zwischensequenzen, die mit einer ausgezeichneten Gestik und Mimik der Charaktere daherkommen, sind die Highlights des Einzelspielerparts. Viele der Geschichten sind recht kurz gehalten und wirken gehetzt, gerade wenn es um die Charakterentwicklung geht. Zudem spielen wir lediglich aufseiten der Entente. Schade, zumal DICE im Vorfeld betont hat, möglichst viele Facetten des Krieges zu beleuchten.

Insgesamt schlägt die Spielzeit mit etwa vier bis fünf Stunden zu Buche. Spielerisch bedient man sich bei Genregrößen wie ›Far Cry‹ und gibt dem Spieler oft die Möglichkeit einer direkten Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Es findet eine gute Balance aus durchgescripteten Levelschläuchen und offenen Arealen. Leider ist die KI dem oftmals nicht gewachsen, denn die ist der größte Pferdefuß des Singleplayers. Das fällt besonders in den freieren Gebieten auf, und lässt viel an Atmosphäre einbüßen.

Die Ästhetik des Krieges

DICE versteht es, dem Spieler ausgezeichnete Kulissen zu bieten und fängt die Stimmung stets ästhetisch ein. Generell ist die Optik ein echter Hingucker. Knackscharfe Texturen und eine hervorragende Beleuchtung, sowie atemberaubende Effekte machen ›Battlefield 1‹ zum vielleicht graphisch überzeugendsten Titel des Jahres. Auch der wuchtige Sound erreicht die gewohnte Serienqualität. Der Singleplayer hat durchaus seine Momente. Vor allem im bereits genannten Prolog sowie in den Warstories »Durch Matsch und Blut« und »Einflussreiche Freunde«. Insgesamt geht der Kampagne jedoch hinten raus etwas die Puste aus. Aber ein ›Battlefield‹ muss sich ohnehin an seinen Qualitäten im Multiplayer messen lassen.

Eine Frage der Klasse

Ob zu Fuß, im Cockpit eines Doppeldeckers, eingepfercht in einem Panzer oder neuerdings auch auf dem Rücken einer treuen Stute, ›Battlefield 1‹ bietet für jeden etwas. Auf neun Karten, die wir schon aus dem Singleplayer kennen, stürzen wir uns mit bis zu 63 Mitspielern in die Schlacht. Doch alleine kommen wir nicht weit. Der neueste Ableger der Serie legt nämlich besonders viel Wert auf’s Teamplay – löblich! In Squads von fünf Soldaten rappeln wir uns zusammen und wählen eine von vier Hauptklassen, die alle einen anderen Zweck erfüllen: Der Sanitäter kümmert sich um die Verwundeten, der Sturmsoldat nimmt den feindlichen Fuhrpark auseinander. In der Rolle des Unterstützers halten wir die eigenen Panzer am Laufen oder versorgen unsere Kameraden. Als Spezialist für Scharmützel über lange Strecken bietet sich der Späher an, der ganz nebenbei auch noch für die Aufklärung sorgt. Alle Klassen ergänzen sich sehr gut gegenseitig und müssen clever kombiniert werden, um effektiv gegen den Feind vorgehen zu können. Allerdings erscheinen die Späher im aktuellen Zustand des Spiels ein wenig stärker zu sein, als die restlichen Klassen. Dies liegt zum einen daran, dass ihre Gewehre sehr stark sind, zum anderen an der oftmals offenen Kartengestaltung.

Zu den vier Hauptklassen gesellen sich noch die Nebenklassen. Starten wir zum Beispiel in einem Fahrzeug, so werden wir automatisch einer Fahrerklasse zugeordnet. Außerdem finden wir an festen Positionen auf dem Schlachtfeld drei besonders schlagkräftige Pickup-Kits, welche uns unter anderem einen Flammenwerfer spendieren können.

Behemoths und Brieftauben

Für genügend Abwechslung ist durch die sechs Spielmodi gesorgt. Hierbei setzt DICE sowohl auf Altbewährtes als auch auf komplett Neues. Für den schnellen Spielspaß wählen wir »Team-Deathmatch« oder »Vorherrschaft«, die Veteranen bereits aus ›Battlefield 4‹ kennen. Hier geht es im Wesentlichen darum, schneller als das Gegnerteam die erforderte Anzahl an Tickets zu erlangen, indem wir Abschüsse erzielen.

Im Modus »Kriegstauben« sammeln wir eine Taube ein und beschützen diese lang genug, bis wir eine Nachricht verfasst haben. Dies geht besonders schnell, wenn sich der Taubenträger möglichst wenig bewegt. Im Anschluss muss die Taube nur noch freigelassen werden, um die Nachricht zu überbringen. Aber Obacht! Der Feind hat noch immer die Möglichkeit das arme Täubchen vom Himmel zu holen. bf_screen-2Der richtige Moment ist daher entscheidend. Das Team, das zuerst drei Mitteilungen übermitteln konnte, gewinnt.

Für den großen Spaß wählen wir einen der Hauptspielmodi: »Rush«, »Eroberung« oder den brandneuen »Operationen« Modus. In »Rush« schlagen wir uns entweder auf die Seite der Angreifer, welche versuchen in verschiedenen Sektoren zwei Funkstationen in die Luft zu jagen, oder wir geben als Verteidiger unser Bestes, eben dieses zu verhindern und genügend Gegner abzuwehren, um zu gewinnen. Gelingt es den Angreifern beide Stationen auszuschalten, so geht es direkt in den nächsten Sektor, so lange, bis sie alle Phasen erfolgreich gemeistert haben.
Im Modus »Eroberung« sammeln wir Tickets, indem wir möglichst viele Flaggenpunkte halten. Mit dem Modus »Operationen« vereint DICE nun das Beste aus »Rush« und »Eroberung«. Sektorweise versuchen die Angreifer, den Verteidigern bis zu drei Flaggenpunkte abzuluchsen. Hierbei stehen ihnen 150 Tickets zur Verfügung. Der Clou: Nach der ersten Runde ist das Match nicht vorbei. Je nach gewählter Operation folgen bis zu zwei weitere Karten, auf denen die Schlacht fortgeführt wird. Sollten den Angreifern einmal die Tickets ausgehen, so haben sie noch zwei weitere Versuche mit jeweils neuen Tickets. Das Match wird dann im gleichen Sektor fortgesetzt. Sollte eines der Teams richtig auf die Mütze bekommen, so erhält es einen der neuen Behemoths, mächtige Vehikel, die das Match durchaus noch einmal drehen können.

Levolution war gestern

Apropos Behemoths: Eines der hervorstechendsten Features von ›Battlefield 1‹ sind diese Kampfkolosse. Liegt ein Team während einer Partie »Eroberung« oder »Operationen« deutlich zurück, bekommt es zum Ausgleich, je nach gespielter Karte, einen schwer gepanzerten Kriegszug, ein umfangreich bewaffnetes Schlachtschiff oder einen imposanten Zeppelin. Diese verfügen über so viel Schlagkraft, dass auch noch größere Rückstände aufgeholt werden können. Für den Gegner wird es dann brenzlig, denn es kostet einige Anstrengung, einer solchen Bedrohung Herr zu werden.

Ein weiteres Feature des Spiels ist das dynamische Wetter. Ob Regen, Gewitter, Sturm oder Sonnenschein – auf allen Karten ist das Wetter variabel. Ein plötzlich aufkommender Sandsturm in der Wüste macht es den Spähern schwer und auch die Piloten werden Probleme bekommen, ihre Ziele zu orten. Das Wettersystem zwingt zum Umdenken. Wir müssen regelmäßig unsere Taktik anpassen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Fazit

›Battlefield 1‹ schafft es, mich als alten Veteranen mit einem lachenden und weinenden Auge zurückzulassen. Technisch überzeugt es durch seine bombastische Präsentation. Kleinere Bugs, die allesamt nicht spielentscheidend sind, können jedoch in ihrer Häufung zum Ärgernis werden. Das Spiel setzt mehr Wert auf Teamplay als die letzten vier Vertreter der Reihe, und belohnt es, wenn man sich um die Einsatzziele bemüht. Andererseits hat DICE die Spielmodi und Klassenmechaniken niemals knapper erklärt als im aktuellen Ableger. Das macht es Einsteigern unnötig schwer. Immerhin verlinkt das Spiel zu bekannten YouTube-Kanälen, auf denen die Grundlagen von Fans erklärt werden.

Kleine Balance-Probleme sind kurz nach Release zu verkraften, zumal DICE und EA stets sehr bemüht sind, ihre Spiele lange zu unterstützen und die genannten Problemchen weg zu patchen. Was aber nicht weg gepatcht wird, sind die Behemoths. Sicher haben diese auch ihre Fans, aber mich persönlich stört es ungemein, wenn ich ein Match verliere, weil mein Team zu einem gewissen Punkt im Spiel überlegen war und der Gegner dann einen Kriegszeppelin bekommt. Andererseits fällt es mir auch schwer, mich über einen Sieg zu freuen, den wir nur erlangen konnten, weil der Behemoth auf unserer Seite war. Natürlich ist das nicht die Regel, in den meisten Fällen wird das Match auch nicht durch einen Behemoth gedreht. Ich kann die Intention dahinter verstehen und ich verstehe es auch, wenn man Fan dieses Features ist. Ich werde es aber nicht mehr.

Alle Teamspieler sollten ruhig einen Blick auf ›Battlefield 1‹ riskieren und sich nicht scheuen, sich ein bisschen einzuarbeiten. Dann erhält man einen sehr unterhaltsamen und tiefen Mehrspielertitel. Wer jedoch nur auf den Solopart aus ist, ist besser damit beraten ein bisschen abzuwarten, bis der Preis etwas gesunken ist. See you on the Battlefield!

| SEBASTIAN BLUME

Titelangaben
Battlefield 1
EA Dice
seit dem 21. Oktober 2016 erhältlich für PlayStation 4, Xbox One, Microsoft Windows
ab 58 Euro  UVP.

1 Comment

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

111 fremde Betten

Nächster Artikel

Ein unheimliches Jubiläum

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Tokyo sucht den Superstar

Digitales | Games: Tokyo Mirage Sessions #FE So viel vorweg: ›Tokyo Mirage Sessions #FE‹ wurde für den japanischen Markt entwickelt. Das verrät schon einiges, oder? Zumindest erwarteten die Entwickler offensichtlich keinen allzu großen Umsatz in Europa, denn es wird ausschließlich ein englischer Bildschirmtext in japanischer Sprachausgabe geboten. Zudem ist der Name des Hauptcharakters »Itsuki Aoi «für den Standard-Europäer nicht ohne Grimassen auszusprechen. Wenn das alles nicht abschreckt: Macht euch bereit für eine bunte Mischung voller Kitsch und Absurdität! Liebe Anime-Fans, hier ist TMS. Von PHILIPP LINKE.

Eiskalte Steampunks

Digitales | Games: Frostpunk Die große Hitze hatte Deutschland fest im Griff. Wer keine Klimaanlage sein Eigen nennen darf, zerfloss in verdunkelten Wohnungen vor sich hin, wenn der Weg nicht gerade zu einem kühlenden Gewässer führt. Für zumindest visuelle Abkühlung kann das Computerspiel ›Frostpunk‹ sorgen, das ein eisiges Endzeitszenario auf den heimischen Bildschirm zaubert. In tropischen Sommernächten hat FLORIAN RUSTEBERG einen Blick in die Eiszeit geworfen.

Herzlichen Glückwunsch, Du bist tot!

Digitale Spiele | ›Dungeons of Dredmor‹ Roguelikes? Sind das nicht diese Spiele, die furchtbar sind? »Nein, DENNIS KOGEL«, sagt ›Dungeons of Dredmor‹ »ich bin ein bisschen anders«. Aber nur ein bisschen. Und das reicht auch schon, um von »furchtbar« auf »furchtbar toll« zu kommen.

Willkommen im Albtraum

Digitales | The Evil Within Blut. Blut. Blut. Leichenteile. Oh, ein Zombie! Bethesdas ›The Evil Within‹ ist nichts für Spieler mit schwachen Nerven. Flackernde Lampen, ein verlassenes Irrenhaus, eine Horde Zombies – ja, das Leben ist kein Ponyhof. Furchtlos stellte sich PHILIPP LINKE dem Horror-Abenteuer und schlüpfte in die Rolle von Polizeidetektiv Sebastian Castellanos. Ein schrecklicher Test!

Und ewig schleicht die Schlange …

Digitales | Games: Metal Gear Solid HD Collection Ah, HD-Remakes! Achim Fehrenbach schrieb dazu im letzten August einen feinen Artikel bei ZEIT Online, und der geneigte Betrachter kann sich an anderer Stelle auch über kommende Remakes informieren. Jetzt landetet aber eine der gefragtesten Charaktercliquen auf RUDOLF INDERSTs Schreibtisch: Familie Snake.