Das Märchen vom Rachefeldzug

Digitales | Games: Tales of Berseria

Sicher kennt ihr mittlerweile das eine oder andere Spiel aus der ›Tales‹-Serie, bekannt für seine fröhlich-heiteren Stories mit bunt zusammengewürfelten Helden, die sich auf den Weg machen, um die Welt zu retten. Vergesst diese Märchen! Die Protagonistin aus ›Tales of Berseria‹ (ToB) ist alles andere als eine strahlende Heldin und jedes Mittel ist ihr recht, um ihr Ziel – motiviert aus reiner Rachsucht – zu erreichen. PHILIPP LINKE hat das Spiel für euch getestet und empfindet das düstere Thema als willkommene Abwechslung.

Aus der Hölle 

Im Intro spielt ihr die junge Velvet, die ein friedliches Leben in einem kleinen Dorf führt, das kaum idyllischer hätte sein können. Velvet teilt das Haus mit ihrem kleinen Bruder Laphicet und Schwager Arthur, der für die beiden jüngeren Geschwister nach dem Tod ihrer Eltern sorgt. Nach einem gewissen Zwischenfall verändert sich jedoch alles. Mit einem Fluch belegt und halb zum Dämon mutiert verblasst die Erinnerung an friedliche Zeiten und weicht großem Hass, während Velvet in einem Gefängnis für Monster und Hochkriminelle festgehalten wird.

Nach langer Zeit bietet sich endlich eine Chance zum Ausbruch. Dabei schließen sich – gegen Velvets Willen –  ein ebenfalls zum Dämon mutierter Samurai und eine selbsternannte Magierin dem Team an. Die drei haben es jedoch in der scheinbar friedlichen Welt nicht leicht, die von den Exorzisten einer kirchlichen Organisation, bekannt als »Abbey«, beschützt wird. Diese machen Jagd auf Dämonen und Halbdämonen, verfolgen aber gleichzeitig auch ihre eigenen zwielichtigen Ziele. Da scheinbar niemand in ToB eine weiße Weste besitzt, verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse immer so, dass eine einfache Unterscheidung schlicht unmöglich ist.

Trotz der ganzen Gewalt und Grausamkeiten wirkt ToB die meiste Zeit über fröhlich, was nicht zuletzt an Velvets lebhaften Begleitern liegt, welche der ganzen Situation stets positiv gegenüberstehen und Velvet für ihre Kaltherzigkeit gerne mal eins auswischen. Gleichzeitig bleiben die Beweggründe der einzelnen Charaktere lange Zeit ein Mysterium, da sich Velvet vollkommen desinteressiert an den Gefühlen anderer Menschen und Dämonen zeigt.

Mehr Freiheit für Dämonen

Zwar ähnelt das Kampfsystem von ToB stark seinen Vorgängern, insbesondere ›Tales of Zestiria‹, fühlt sich jedoch ganz anders an. Statt auf einer Linie auf den Gegner zu oder von ihm wegzulaufen, bewegt ihr Velvet oder einen Mitstreiter frei über das Spielfeld. Die Kamera ist ebenfalls frei bewegbar und auf die vier Aktionsknöpfe lassen sich verschiedene Kombos legen, wodurch das Steuerungsschema eher einem modernen Actionspiel ähnelt als einem traditionellen JRPG. Der neue Stil gefällt uns deutlich besser, da sich die Kämpfe so viel intuitiver anfühlen und Angriffe mit großem Wirkungsradius genauer platziert werden können. Allerdings lassen sich die unterschiedlichen Angriffstypen im neuen System schwieriger unterscheiden, sodass es umso wichtiger ist, die unterschiedlichen Effekte und Vorteile jedes einzelnen Angriffs zu kennen.

Ganz neu ist das Break Soul-System. Durch das Besiegen von Gegnern kann Velvet Seelen aufnehmen und auf Kosten einer Seele in den Soul Break-Modus wechseln, der besonders lange Kombos ermöglicht, die sich mit einem verheerenden Spezialangriff beenden lassen. Auch lässt sich beim Wechseln des Charakters eine Kombo fortsetzen. Nicht mehr möglich ist das aus ›Zestiria‹ bekannte »Aromatisieren«. Wem das jetzt alles zu kompliziert erscheint, dem empfehlen wir einen Blick auf die drei Schwierigkeitsgrade, welche sich jederzeit anpassen lassen. Die höchste Stufe ist dabei wirklich nur für Profis zu empfehlen.

Verlangen nach Blut Loot

Seid ihr auf der Jagd nach seltenen Gegenständen, lohnt es sich nach sogenannten »Roten Gegnern« Ausschau zu halten, die natürlich deutlich schwieriger sind als die üblichen Gegnertypen. Unter bestimmten Bedingungen kann es passieren, dass selbst während des Kampfes neue Gegner hinzukommen, wodurch auch die Beute nach dem Kampf aufgewertet wird.

Gute Vorbereitungen für solche Kämpfe sind nach wie vor das A und O. Um eure Chancen zu erhöhen, lohnt sich ein Blick ins Kochbuch, denn in ToB kehrt das beliebte Kochsystem zurück. Der Effekt einer Mahlzeit hält immer nur für den nächsten Kampf, jedoch lässt sich auch ein bestimmtes Rezept automatisch herstellen. Mit jedem Gericht wird der kochende Charakter ein bisschen besser und die Effekte der Mahlzeiten dadurch stärker.

Verbrannte Erde

Während die Städte und Außengebiete in ToB größtenteils lebhaft und abwechslungsreich gestaltet sind, fühlen sich die Dungeons leer und kahl an. Zwar sind letztere mit jeder Menge Monstern gefüllt, allerdings ist die Umgebung sehr schlicht gehalten und ändert sich innerhalb eines Dungeons kaum, sodass man sich häufig fragt: »Bin ich hier nicht gerade eben schon gewesen?« In diesem Fall hilft nur ein Blick auf die Landkarte.

Zwar merkt man ToB an, dass es ursprünglich für Playstation 3 entwickelt wurde, doch wurde dieses Mal hinsichtlich der PC-Version alles richtig gemacht. Mit 60 Bildern pro Sekunde, Unterstützung für hohe Auflösungen bis 4K und guter Performance, auch auf schwächeren Maschinen, sollte ToB die meisten PC-Spieler zufriedenstellen. Im Vergleich zum Vorgänger wurden ein paar Lichteffekte hinzugefügt und die Pflanzenwelt etwas aufgehübscht. Auch die Texturen machen eine gute Figur, die 3D-Modelle sind jedoch eindeutig Last-Generation.

Fazit

Die ›Tales of‹-Serie ist einfach nicht kleinzukriegen. Mit ToB zeigt Namco Bandai, dass noch Leben in dem altehrwürdigen Genre steckt. Dank der düsteren, aber trotzdem lebhaften Story und interessanten Charakteren ist ToB für mich das bisher fesselndste Spiel der Serie. Dank der vielen Mysterien und Intrigen wird ein langer Spannungsbogen aufgebaut, der durchgängig motiviert. Freilich tragen auch das aufpolierte Kampfsystem und der gelungene PC-Port zum positiven Eindruck bei. Etwas mehr Mut zur Next-Gen-Grafik und Inspiration beim Dungeondesign hätten sicher nicht geschadet, jedoch werden Rollenspiel-Fans darüber problemlos hinwegsehen. Für Einsteiger eignet sich ToB ebenfalls, da es keinen direkten Zusammenhang zu früheren Spielen gibt und man sich auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad keine allzu großen Sorgen über die perfekte Kombo machen muss.

PHILIPP LINKE

Titelangaben
Tales of Berseria
Namco Bandai
seit Januar erhältlich für Playstation 4 und PC.
ab 54,99€ UVP.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Einschneidende Veränderung

Nächster Artikel

Die Zauberin, der Feuerwehrmann und das Leben dazwischen

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Das letzte Abenteuer

Digitales | Games: Uncharted 4: A Thief’s End Wo sonst Lara Croft mit Oberweite und Indiana Jones mit einem Doktortitel in Peitschologie beeindrucken können, profiliert sich Nathan Drake mit Grips, Muskelkraft und viel Waffengewalt. In ›Uncharted 4: A Thief’s End‹ darf er seine Talente wohl zum letzten Mal nutzen. FLORIAN RUSTEBERG hat den männlichen »Tomb Raider« auf seinem Action-Abenteuer an die malerischen Schauplätze begleitet.

Auf High Heels durch den Zombiemob

Digitales | The Evil Within: The Assignment Der DLC ›The Assignment‹ krempelt das Gameplay von The Evil Within gehörig um – keine Schusswaffen, viel Schleichen und geringe Überlebenschancen, falls wir entdeckt werden. Warum die Protagonistin nicht auf ihre Stöckelschuhe verzichten kann und ob wir uns trotz Waffenmangel gegen die Mutantenplage behaupten können, beantwortet PHILIPP LINKE (mit EVA HENTER-BESTING).

Big in Japan

Digitales | Games: Shadow Tactics: Blades of the Shogun Die japanische Edo-Zeit reichte vom frühen 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und beinhaltete mitunter die längste Friedenszeit Japans. Diese dauerte mehr als 250 Jahre an. In ›Shadow Tactics: Blades of the Shogun‹ schleichen und meucheln wir uns durch das Reich der aufgehenden Sonne der frühen Edo-Epoche und helfen dem Shogun dabei, Frieden und Wohlstand zu schaffen. Ob sich der Ausflug gen Osten gelohnt hat, erfahren Sie bei uns. Von SEBASTIAN BLUME.

Nachwelt in der Schleife

Digitales | Games: I am alive Der Mensch ist des Menschen Wolf: In ›I am alive‹ schickt Ubisoft die Spieler auf einen postapokalyptischen Überlebenskampf. Mittels neuartiger Spielprinzipien begeistert die Reise durch die zerstörte Metropole Haventon zunächst. VOLKER BONACKER geht der Frage nach, warum es dennoch nicht zu einem ›The Road‹ in Spieleform gereicht hat.

Eine Schmalzgebäck-Fusion?

Digitales | Games: Kingdom Hearts – Birth by Sleep Süßer die Glocken nie klingen? STEFFI MARX stürzt sich für alle interessierten RPG-Fans auf der PSP in die vermeintliche Kitsch-Romanze zwischen Disney und Square Enix.