Weniger ist mehr

Kinderbuch | Manfred Schlüter: Der kleine Herr Jemine

Wie war das doch gleich in dem Märchen vom Fischer und seiner Frau? Die waren eigentlich doch ganz zufrieden. Bis die mit dem Wünschen angefangen haben und Ilsebill gar nicht mehr aufhören konnte. Und so ähnlich geht es Herrn Jemine. Von ANDREA WANNER

9783990286821 Schlueter Herr JemineDer kleine Herr Jemine kommt uns auf den ersten Blick irgendwie bekannt vor. Wie er da auf seinem sehr überschaubaren Planeten steht, erinnert er an den Asteroiden B612, jenen kleinen Planeten, von dem der kleine Prinz stammt und der so winzig ist, dass man ihn in Windeseile umrundet hat. Und gab es dort drei Vulkane, von denen einer erloschen war, so sind es auf dem Planeten des kleinen Herrn Jemine zweieinhalb Berge, auch ein paar Blumen (eine Rose wird allerdings nicht erwähnt) und Bäume. Alles wunderbar. Bis Herr Jemine feststellte, dass etwas fehlt.

Mehr und mehr

Sein erster Wunsch ist nachvollziehbar: Er möchte ein Dach über dem Kopf haben. Und als das Haus steht, braucht es Möbel. Ein Bett, einen Stuhl, einen Tisch. Und dann braucht er ein Fahrzeug, um mobiler zu sein. Ein Auto bringt ihn schnell zu allen gewünschten Orten auf seinem Planeten. Aber ein Auto braucht auch Straßen, eine Garage und eine Tankstelle. Und so nimmt es mit dem Wünschen kein Ende. Auf dem kleinen Planeten entstehen Brücken und Paläste, Flugzeuge und Hochhäuser. Herr Jemine baut und expandiert, baut weiter, bis auch nicht mehr das kleinste Fitzelchen Grün übrig ist. Und er erschrickt.

Manfred Schlüter beginnt diese Geschichte mit heiteren, lichten Bildern, die Freiheit und Glück in leuchtenden Farben vermitteln, ohne dass Worte darauf hinweisen. Im Gegenteil, der kleine Zwerg mit der leuchtend roten Mütze meint ja, dass ihm zum Glück noch etwas fehlt. Seite um Seite wächst sein Besitz, Seite um Seite verdüstern sich die Farben. Dunkel und schwer ist das Bild, das den kleinen, vollgestopften Planeten zeigt, der Herrn Jemine erschaudern lässt. Und jetzt?

Manfred Schlüter lässt den kleinen Kerl eine kluge Lösung finden. Eine, die ihn am Ende tatsächlich glücklich macht. Und so verpackt wünscht man sich, dass diese in ein kleines Bilderbuch verpackte Parabel über Wachstum und Konsum Große und Kleine über Notwendiges und Unnötiges, Wesentliches und Überflüssiges, über das, was einen wirklich zufrieden macht und all die Dinge, die man nur vermeintlich braucht, nachdenken lässt.

| ANDREA WANNER

Titelangaben
Manfred Schlüter: Der kleine Herr Jemine
Wien: Verlag Bibliothek der Provinz 2017
32 Seiten, 18 Euro
Bilderbuch ab 5 Jahren
| Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Reinschauen
| Leseprobe

1 Comment

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Andreas Hutt: drei gedichte

Nächster Artikel

Das Gute siegt immer und überall

Weitere Artikel der Kategorie »Kinderbuch«

Ein Hanabi* an spannenden Informationen (* Feuerwerk)

Kinderbuch | Christin Bohnke: Japan/Eva Offredo: Japan Yahho!

Die meisten wissen wahrscheinlich nicht viel über Japan. Sicher, dass man in dem ostasiatischen Land mit Stäbchen isst. Aber was fällt uns sonst ein über Land und Leute, die kulturellen, rituellen und religiösen Bräuche in Nippon? Zwei Einladungen in die Ferne. Von ANDREA WANNER

Das Verwandeln der Welt durch genaues Gucken

Bilderbuch / Alexandra Helmig / Stefanie Harjes: Der Stein und das Meer

Wenn man nicht zufrieden ist, will man etwas anderes. So will Sören endlich wissen, wo all die seltsamen Dinge herkommen. Sein Wunsch wird ihm erfüllt, aber zum Schluss kommt er doch wieder da hin, wo er hergekommen ist. Und die Welt hat sich verwandelt. Aber sie war es schon vorher, Sören hat das nur nicht gesehen. Von GEORG PATZER

Sommerfeeling pur

Kinderbuch | Judith Burger: Ringo, ich und ein komplett ahnungsloser Sommer

Asta steckt voller Vorfreude auf einen wundervollen Sommer. Ringo, ihr bester Freund, wartet wie jeden Sommer auf sie. Und sie wird sich einen großen Traum erfüllen und endlich auf der Bühne stehen. Von ANDREA WANNER

Grünes Wunder

Kinderbuch | Albert Wendt: Henrikes Dachgarten Auch ganz alltägliche Orte können Magie in sich bergen und zu kleinen Paradiesen werden. Ein zauberhaftes Märchen entführt uns auf das Dach des Hauses Krumme Gasse 7 und lässt uns staunen. Von ANDREA WANNER

Lernen kann man überall

Kinderbuch | Sy Montgomery: Tierisch gute Freunde

Wenn man älter wird, stellt man rückblickend fest, dass man in vielen Situationen vieles gelernt hat, was einem in der Situation selbst vielleicht damals gar nicht so klar war. Aber es war ein Lernen fürs ganze Leben. Dieses Buch erzählt von diesem Lernen, das nicht immer eine Schule braucht. BARBARA WEGMANN hat darin geblättert.