/

Erfolgreicher Spätzünder

Menschen | Zum Tod des Autors Hans Werner Kettenbach

Für einen überaus erfolgreichen Schriftsteller fand Hans Werner Kettenbach erst ungewöhnlich spät den Weg zur Literatur, aber eigentlich ist er immer ein Spätzünder gewesen. Erst im Alter von 28 Jahren fand er einen Beruf, mit dreißig heiratete er, sein Studium schloss er mit 36 Jahren ab, und seinen ersten Roman veröffentlichte er kurz vor seinem 50. Geburtstag. Ein Porträt von PETER MOHR

Zwischendurch hatte er sich als Bauhilfsarbeiter, als Stenograf und auch als Hilfsredakteur beim Sportmagazin ›Kicker‹ durchgeschlagen. Als er nach Caracas auswandern wollte, bot ihm der ›Kölner Stadt-Anzeiger‹ einen Job an. Alles andere als der Musterlebenslauf eines spät berufenen Erfolgsautors also.

So ist er immer bescheiden geblieben, ein charmanter und humorvoller Leisetreter, der gern über Gäste mit Höhenangst scherzte, wenn sie nicht die Freude über die prächtige Aussicht vom Balkon seiner langjährigen Wohnung im 18. Stock eines Hochhauses im Kölner Vorort Poll teilten.

Ein glücklicher Zufall ebnete Hans Werner Kettenbach, der am 20. April 1928 in Bendorf bei Koblenz geboren wurde, den Weg zur Literatur. 1977 nahm er an einem Krimiwettbewerb eines renommierten Verlags teil. Mit seinem Manuskript ›Grand mit Vieren‹, das er nach sorgfältigem Entwurf binnen vierzehn Tagen niedergeschrieben hatte, gewann er den ersten Preis.

Es folgten die Romane ›Glatteis‹, ›Sterbetage‹ (unter dem Titel ›Im Jahr der Schildkröte‹ verfilmt) und ›Schmatz oder Die Sackgasse‹, für den Kettenbach 1988 mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet wurde. Trotzdem blieb der erfolgreiche Autor ein Feierabend-Schriftsteller. Im Hauptberuf war der promovierte Historiker Politik-Ressortleiter beim ›Kölner Stadt-Anzeiger‹ – bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1992 sogar stellvertretender Chefredakteur.

Diese beiden Tätigkeiten, den an der Aktualität orientierten Journalismus und das Schreiben von Romanen (sämtliche Werke sind bei Diogenes erschienen), hat Kettenbach auf äußerst fruchtbare Weise unter einen Hut gebracht. Die Literatur bedeutete Erholung vom politischen Tagesgeschehen; andererseits waren die vielen Kontakte, die er als politischer Journalist geknüpft hatte, für seine literarische Arbeit von großem Nutzen.

In einer rheinländischen Großstadt spielt der Roman ›Die Konkurrentin‹ (2002), in dem es um eine erfolgreiche Lokalpolitikerin geht, die sich in ein fein gesponnenes Intrigennetz verstrickt. Auch hier (so steht zu vermuten) hatte Kettenbach ebenso aus seinem reichen journalistischen Fundus geschöpft wie in ›Kleinstadtaffäre‹ (2004). Der in die Jahre gekommene, erfolgreiche Schriftsteller Carl Wallot kommt zu einer Lesung in eine Kleinstadt und gerät dabei in einen Machtkampf mit dem zwielichtigen Fabrikanten Kepler, der in dem Provinzkaff alle Machtfäden in der Hand hält.

Darüber hinaus war der passionierte Zigarrenraucher über viele Jahre ebenso eifrig wie erfolgreich als Drehbuchautor tätig: So schrieb er Ende der 1980er-Jahre einige Folgen für ›Peter Strohm‹, das Tatort-Drehbuch ›Ausgespielt‹ (mit Manfred Krug), schuf die Willy Millowitsch-Paraderolle in den Klefisch-Krimis des WDR und war außerdem an der Verfilmung seines Romans ›Davids Rache‹ (1995) beteiligt.

Er lasse sich »nicht von Patricia Highsmith, sondern eher von Georges Simenon inspirieren«, hatte Hans Werner Kettenbach erklärt. Nicht das Psychologisieren, sondern die spannenden Geschichten mit nachvollziehbaren Alltagsfiguren standen bei ihm im Vordergrund. Unerfüllt blieb ein Wunsch, den er seiner jüngeren Tochter noch erfüllen wollte: »Endlich einmal ein fröhliches Buch schreiben.«

Am Freitag ist der überaus erfolgreiche literarische Spätzünder Hans Werner Kettenbach in einem Kölner Krankenhaus im Alter von 89 Jahren gestorben.

| PETER MOHR

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Wir wünschen Erfolg

Nächster Artikel

Wie du mir…

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Aus dem Reich der Schwärze

Menschen | Zum 125. Geburtstag von Hermann Kasack

Vor 125 Jahren wurde der Schriftsteller Hermann Kasack (am 24. Juli) geboren. Er war Romancier, Lyriker, Hörspielautor, Dramatiker, Lektor, Verlagsleiter und Rundfunkpionier in einer Person und hat die deutsche Nachkriegsliteratur maßgeblich geprägt. Trotzdem ist sein Name nahezu in Vergessenheit geraten. Die Rede ist von Hermann Kasack. Ein Porträt von PETER MOHR

Die Schöne und das »Biest«

Menschen | zum 95. Geburtstag von Gina Lollobrigida

»Ich habe das Recht, mein Leben bis zum Schluss leben zu dürfen. In meinem Alter verlange ich nur eines: dass sie mich in Frieden sterben lassen! Den Rummel habe ich zu lange mitgemacht! Jetzt meide ich ihn. Deshalb bin ich so gern in Pietrasanta in der Toskana«, hatte die Schauspielerin Gina Lollobrigida erklärt, die vor 15 Jahren noch einmal für ein kräftiges Rascheln im Blätterwald sorgte. Die angekündigte Hochzeit mit dem 34 Jahre jüngeren spanischen Unternehmer Javier Rigau platzte dann aber doch. Von PETER MOHR

Zufall oder Fortune

Kurzprosa | Hans-Magnus Enzensberger: Tumult Zum 85. Geburtstag des Schriftstellers Hans-Magnus Enzensberger  am 11.11. erscheint der autobiografische Band Tumult. Von PETER MOHR

Zwischen Hoffen und Bangen

Menschen | Urs Faes: Halt auf Verlangen. Ein Fahrtenbuch »Wer war er geworden? Einer, der sich zusah, wie er sich ängstlich durch die Straßen bewegte, langsam, als suche er etwas, das ihm abhandengekommen war?« Die Leichtigkeit des Alltags ist Urs Faes durch eine Krebserkrankung abhandengekommen. Zum 70. Geburtstag des Schriftstellers Urs Faes erschien ein bewegendes Fahrtenbuch. Von PETER MOHR

Mehr Moralist als Ästhet

Menschen | Zum Tod des Dramatikers Rolf Hochhuth

Rolf Hochhuth, der am 1. April 1931 im nordhessischen Eschwege als Sohn eines Schuhfabrikanten geboren wurde, sorgte mit seinen Theaterstücken häufig für skandalträchtige Schlagzeilen, die weit über den Kulturbetrieb hinausragten. Der gelernte Buchhändler, der als Lektor in den 1950er Jahren seine Affinität zur Literatur entdeckte, interpretierte seine Dramatiker-Rolle höchst unkonventionell: Hochhuth war stets mehr radikaler Aufklärer als formaler Ästhet. Von PETER MOHR