Der letzte Löffel
Aus dem Vollen schöpfen –
kaum je genossen
Aus dem beinah
Leeren schöpfen
war meine geheime
Wonne, von Kindheit an
Das Apfelmus aus dem
Verschlußglas – ich füllte
es in eine Schüssel
Von dort gab ich
immer nur wenig
ins Glas zurück
um sieben oder neun Mal
den Rest, den
letzten Löffel
zu kosten
So wollte es
mein Kinderherz
Aus dem Mund
Gestank, Lippenbekenntnis
und aufrichtiger Liebesschwur
Erbrochenes und Gesang
himmelwärts, von unten drängend
Seichtes, aber auch
Kinderschmerz vertreibender
Mütterhauch
Kirschkerne, Flüche
und stimmlos
gestammelte Vergebung
Der Stolz der Erde
Ein Kind mit kahlem
Schädel ruft seine Eltern
und die Eltern rufen mit
Kinderstimmen zurück
Die weißrandigen Wolken
bleiben davon unbeirrt
Ebenso das Blau am Flügel-
rand des Tagfalters
Dieser innige, alles Verstehen
überbietende Stolz der Erde,
nichts vom Widersinn zu löschen
Nach einem Studium der Germanistik und Philosophie lebt Wolfgang Denkel, 1958 im Rheinland geboren, als Schriftsteller, Maler und Bildhauer in Hamburg. Im Grazer Literaturverlag Droschl erschien 2008 sein Romanerstling ›Ja. Nein. Ja‹ , 2015 folgte dort sein Erzählungsband ›Eines geeigneten Tages‹.
Mit ›Schulterblatt‹ debütierte er im vergangenen Jahr als Lyriker; er liest daraus am Mittwoch, den 9. Oktober, 19 Uhr, im