Bücher, soweit man schaut

Sachbuch | James W. P. Campbell/Will Pryce: Bibliotheken

Insgesamt 82 Bibliotheken in 21 Ländern haben die beiden Autoren dieses gewichtigen Buches besucht, tief sind sie in jede der ganz eigenen Geschichte eingetaucht. Das Buch, ein Auslaufmodell, so wie es ihm immer wieder prophezeit wird? 328 Seiten, die auf spannende Art das komplette, detaillierte und überzeugende Gegenteil erzählen. Von BARBARA WEGMANN

Bibliotheken 750Ein Buch für all jene, »die Bücher und die wundervollen Gebäude lieben, in denen diese zu Hause sind.« O ja, das ist es, ganz bestimmt, dazu eine Zeitreise, die ausführliche Einblicke in Sammlungen gibt und die faszinierenden Orte, an denen sie stehen, in Bücherbestände und ihre nicht selten umwerfend schöne Umgebung, die den meisten von uns ewig verborgen bleiben dürfte. Das ist nicht alles: Beindruckende, großformatige Fotografien der alten oder auch modernen Innenräume, die Bücher-Schätzen ein Zuhause geben, machen Blättern und Lesen in diesem Buch zu einer großen Freude. Es ist schließlich und auf jeden Fall ein Stück Architekturgeschichte: Bücher, die in atemberaubend schönen Bibliotheksräumen stehen, in Sälen und Hallen.

Es sind faszinierende Bauten mit wertvollsten Beständen, »bibliophile Schatzhäuser« eben. In jeder Epoche, so die beiden Autoren, habe es Menschen gegeben, die »Wert darauf legten, ihre Bücher in angemessener Form zu präsentieren … Die Architekturgeschichte der Bibliothek … ist die Geschichte eben jener Bibliotheken, die geschaffen wurden, um gesehen und bewundert zu werden.« Die Texte dieses speziellen und abenteuerlichen Buches, die gut gegliedert und ausführlich sind, führen angenehm lesbar durch diese Reise. Und nach der Lektüre sucht sich garantiert jeder für dieses Buch zweier Architektur- und Foto-Profis einen ganz besonderen Platz in der eigenen, heimischen Bibliothek.

Um es vorweg zu sagen: Es gibt kein Büchersterben, neue Technologien, das haben die vergangenen Jahre eindringlich belegt, konnten, obwohl so oft prophezeit, dem Buch nichts anhaben. Ganz im Gegenteil: »Die Verkäufe gedruckter Bücher steigen.« Ob die Welt je ganz auf digitale Texte umsteigen werde, so die Autoren, das stehe in den Sternen, aber auch wenn es so sein werde, dann brauche »eine nie dagewesene Anzahl von Büchern einen Aufbewahrungsort.«

Die Einblicke in die Bibliotheken dieser Welt lassen dem Buchliebhaber das Herz höherschlagen: ob es die Bibliothek des Trinity Colleges aus dem 18. Jahrhundert im irischen Dublin ist, die ‚zu den berühmtesten Bibliotheken der Welt zählt‘, die ähnlich alte Hofbibliothek in Wien, oder die Stiftsbibliothek St. Gallen von 1765, altehrwürdige Gemäuer, Decken und Gewölbe, die gen Himmel streben – Bücher, soweit man schaut, die sich an meterhohe Wände schmiegen, in Nischen und Seitengängen wie versteckt erscheinen. Dazu Magazine und Lagerräume, um der wachsenden Zahl der Bücher Herr zu werden.
Imposant aber auch ganz moderne Bibliotheken, auch sie machen mit ihrem spektakulären Auftreten von sich reden: so die Biblioteca Vasconcelos in Mexiko. »Von einer der oberen Ebenen präsentiert sich der atemberaubende Blick auf die stählernen Bücherregale, die an langen Metallschienen vom Dach abgehängt sind.«

Ausgesprochen kurzweilig sind viele Details des Bibliotheken-Baus generell, der Lagerung aller Bücher, der Notwendigkeiten ihrer Pflege und Hege, gleich ob in alten oder neuen Regalen. Bibliotheken haben da ihre ganz eigenen Gesetze. Nicht immer sind es ja Bücher im heutigen Sinne, die gelagert werden, einst waren es »Schriftrollen, Tontafeln, Texte in Stein gemeißelt oder auf Seidenrollen gepinselt«. Viele alte Schätze existieren heute noch, wie in einer der ältesten Bibliotheken der Welt, die im südkoreanischen Kloster Haeinsa in Südkorea untergebracht ist. Über 80 000 Druckstöcke lagern hier, Holzplatten aus längst vergangenen Zeiten für den Druck.

Das Buch reist thematisch um die Welt, quer durch die Zeiten und immer dreht es sich um das Zuhause von Büchern, einem so bedeutenden Kulturgut und Zeugnis unserer Geschichte. Bücher, die je nach Zeit in fantastischen Gebäuden ihren Platz fanden, von Geist und Geschichte und großen Baugenies zeugen. Es waren nie die Bücher, die sich den Bibliotheken anpassten, es waren die Bibliotheken, die für Bücher und Co geschaffen wurden.

Nagetiere waren übrigens immer ein Problem. Ihnen war durch die Bauweise, wie es heißt, nur schwer beizukommen. »Mäuse lieben es, sich ein Nest aus Papier zu bauen.« Bücherwürmer sollten dementsprechend auch besser nur zwei Beine haben.

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
James W. P. Campbell/Will Pryce: Bibliotheken
Von der Antike bis heute
Wbg Edition
328 Seiten, 60 Euro
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