Helfen ist eigentlich ja so einfach

Kinderbuch | Jonas und Daniela Leidig: Refugees Welcome

Schon das Projekt als solches ist bemerkenswert: Dieses Buch haben Mutter und Sohn geschrieben und gemalt, ein Vierjähriger, der seine Eindrücke zu Papier bringt und seine Mutter, die all dem Worte, Gesichter und eine Geschichte, einen Rahmen und ein Konzept verleiht. Herausgekommen ist ein sehr berührendes Buch, findet BARBARA WEGMANN.

Ein Mädchen mit geschlossenen Augen, das den Kopf in ihre Hände stütztEigentlich ist doch alles so idyllisch: Irgendwo in Griechenland wohnt Eleni mit ihrer Familie. »Wenn der Wind vom Meer kommt, riecht es auf der Terrasse nach Salz, und wenn der Wind zum Meer hin weht, dann duftet das ganze Dorf nach der Marmelade von Elenis Oma.« Eine harmonische Stimmung, ein so friedliches Leben. Eleni aber ist neugierig, seit Kurzem gibt es nämlich so viele Zelte am Fuße des Hügels. Dort seien Menschen, die geflohen seien und kein Zuhause mehr hätten, erklärt die Oma. Für Eleni ist es unverständlich, kein Zuhause zu haben.
Die Großmutter fordert das kleine Mädchen auf, sich einmal vorzustellen, beide Hände voll mit Konfetti zu haben. »Schmeiß es hoch in den Himmel«, sagt sie. Überall, so erklärt sie, lande dann das Konfetti. »Und so ist es auch mit dem Aufdieweltkommen. Babys werden überall auf der Erde geboren – es ist Zufall, wo man landet«. Und in Ländern in denen Not, Krieg, Vertreibung, Hunger und Unmenschlichkeit herrschten flöhen die Menschen eben, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Irgendwo.

Viel geht nun in Elenis Kopf herum: Helfen, etwas tun, Ideen haben. Man muss doch etwas tun. »Wieso hat nicht jeder ein Zuhause, wo es nach Orangenmarmelade riecht?«

Das Buch von Jonas und Daniela wird mittlerweile in Schulen eingesetzt, auch schon in Kitas. »An diesen Orten können erste Momente der Begegnung geschaffen werden, die keine Momentaufnahme bleiben soll.« Und die studierte Produktdesignerin hat da viele Ideen und Pläne, zu helfen. Dafür ist ihre Malschule mit Café in Düsseldorf sicher ein idealer Ort.

Eleni und ihre Großmutter gehen den Berg hinunter zu dem Zaun hinter dem die Flüchtlinge ohne Zuhause leben: Ein Zaun mit Stacheldraht ist dort, Müll, Zelte aus Plastikplanen, »Pfützen und nackte Füße«. Ein trauriger Anblick, Eleni hat »einen Kloß im Hals«. Sie gibt einem Mädchen eine Blume, die sie eingepflanzt hat, das Mädchen lächelt. »So schnell geht Freundwerden«.

Bis hierher in diesem so feinfühligen und emphatischen Buch sind die Farben der Bilder ganz unmerklich immer dunkler und düsterer geworden, von der sonnigen Stimmung oben auf dem Berg ist nicht mehr viel geblieben. Die Farben sprechen in Daniela Leidigs Buch lauter als Gesichter und Worte. Gesichter werden nur fast angedeutet, spärlich sind Bildinformationen, wenig detailreich, plakativ die Farbflächen.

Das macht nichts, denn Kopf und Herz haben schnell die Regie der Geschichte übernommen und man fühlt als Leser Hilflosigkeit, Wut über diese Zustände, Traurigkeit und plötzlich sehr viel Elan. Hinzu kommen Jonas‘ noch so kindliche Malereien, Skizzen, die aber genau erahnen lassen, was das Schicksal Geflüchteter mit einem Kinderherzen macht: Erst lachende Gesichter, dann traurige Menschen mit Kindern und Koffern, die hohen Wellen auf dem Meer, Menschen in Booten. Die Ungewissheit in Strichzeichnungen. Seine wenigen Zeichnungen im Buch haben aber etwas so Authentisches, schließlich wurde seine Mutter erst zu Hause durch seine Reaktionen auf ein Gespräch über Flüchtlinge zu diesem Buch inspiriert.

Beide, Oma und ihre Enkelin, wissen: »Das Leben in den Zelten muss schlimm sein, auch wenn man Omas Marmelade draufschmiert.« Was also tun? Die beiden schauen sich verschworen an und abends am Tisch schneiden sie unendlich viele kleine kreisrunde Zettel aus, große Konfetti sozusagen, und darauf steht: »Helft alle mit- Geflüchtete willkommen Eleni und Oma«. Mit den Zetteln werden sie das tun, was man mit Konfetti eben so macht … und, soviel sei verraten, das Echo ist grandios und überwältigend.

Eigentlich ist alles so einfach: Man muss nur etwas wollen und irgendwo anfangen. Und wenn das mit einem Buch für Kinder ab 3 Jahren schon geht, um wie viel leichter sollte es uns Erwachsenen doch fallen, Geflüchteten zu helfen. Wären wir in einem anderen Land geboren worden und nicht in diesem reichen und friedvollen Land, wir würden auch auf Hilfe hoffen, oder?

| BARBARA WEGMANN

Titelangaben
Jonas Leidig, Daniela Leidig: Refugees Welcome
Die Geschichte von Elenis Konfetti
München: MINEDITION 2021
40 Seiten. 18,00 Euro
Bilderbuch ab 3 Jahren
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