Wenn Mama lacht, hört es sich an wie das Klingeln einer Fahrradglocke

Kinderbuch | Danny Ramadan, Ana Bron: Salma, die syrische Köchin

In der Fremde kann man vieles vermissen: die vertraute Umgebung, die Freunde und Verwandte. Aber auch das Essen. Und manchmal kann das heimatliche Essen in Fremde auch Wunden heilen und Menschen dabei helfen, in einer fremden Kultur anzukommen. Danny Ramdan hat so ein Kinderbuch geschrieben. Von GEORG PATZER

Das Buchcover zeigt die Zeichnunug eines Mädchens, das eine Kochmütze trägt und eine Rührschüssel in dern Armen hält.Foul Shami ist nicht einfach nur ein Gericht aus Favabohnen, Öl, Zwiebeln, Knoblauch und Sumach. Für Salmas Mutter ist es auch ein Stückchen Heimat. Eine Heimat, die sie verlassen musste, mit Salma zusammen und ohne ihren Mann. Und jetzt leben die beiden im regnerischen Hamburg, lernen Deutsch und telefonieren manchmal mit Salmas Vater, der immer noch in Syrien ist: »Wenn Salma an Papa denkt, tut ihr das Herz weh, es brennt wie ein kleines Feuer in ihrer Brust. Sie fragt sich, ob Mamas Herz wohl auch brennt.« Und deswegen beschließt sie, sie ein bisschen aufzumuntern. Denn ihr Lachen klang immer wie die Glocken an den Fahrrädern der älteren Jungs.

Jetzt aber lächelt sie kaum noch, ihre Tage sind ausgefüllt mit Deutschlernen und Bewerbungsgesprächen, und zum Lachen ist sie viel zu traurig, getrennt von ihrem Mann. Eine neue Heimat hat sie in Hamburg noch nicht gefunden. Alles mögliche probiert Salma, malt lustige Bilder, erzählt Witze, die sie im Sprachunterricht gelernt hat. Nichts hilft: »Alles, was sie von Mama zurückbekommt, ist ein trauriges Lächeln – voller Liebe, aber ohne Freude.« Sie weiß nicht, was sie noch machen soll.

Ein schönes, optimistisches Bilderbuch hat Danny Ramadan geschrieben, von Anna Bron phantasievoll illustriert. Der syrische LGBT-Aktivist, der am Aufstand gegen Assad teilnahm, verhaftet wurde und nach Kanada floh, ist mit seinem Roman ›Die Wäscheleinen-Schaukel‹ auch in Deutschland bekannt geworden. In seinem Kinderbuch erzählt er, wie die kleine Salma mehrere Versuche macht, ihre Mutter doch noch zum Lachen zu bringen. In der Spielgruppe malt sie noch einmal ein Bild, von ihrem Haus in Damaskus, wo sie die Wände lila malt, mit einem Garten, wo es einen Baum mit grünen Blättern und einem Vogelnest mit drei Eiern gab. Die Wände waren nicht lila, »aber es ist in Ordnung, meiner Erinnerung ein paar neue Farben hinzuzufügen.« Sie malt ihre Eltern dazu und einen Teller Foul Shami – und da kommt ihr die Idee: Sie will Foul Shami für sie kochen, ein typisch syrisches Essen.

Als sie das vorschlägt, sagen die anderen Kinder der Spielgruppe, was sie vermissen: Aymann aus Ägypten das salzige, würzige Kushan, Riya das indische Masala Dosa, Evan das venezolanische Arepas. Jad, der jordanische Übersetzer, hilft ihr, das Rezept zu finden, und sie malt die Zutaten auf Blätter, weil sie ja die deutschen Namen nicht kennt. Und alle ihre Freunde und Freundinnen helfen ihr und stehen ihr bei, selbst als Salma verzweifelt, weil sie es nicht so hinbekommt wie sie will.

»Salma, die syrische Köchin« ist kein Buch über die Flucht, die Entbehrungen, die Angst, sondern über das Ankommen in einer neuen Heimat. Vor allem über Freundschaft, die dazu da ist, sich gegenseitig zu helfen. Über unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen, Hautfarben, Sprachen und Kulturen, die einfach aus Menschenfreundlichkeit zusammenstehen und so das Leben einfacher machen: Als Salma die Flasche Olivenöl aus der Hand rutscht und auf dem Boden zerschellt, bringt sie ihrer Mutter trotzdem das halbfertige Gericht. Da geht die Tür auf, alle ihre Helfer und Helferinnen sind gekommen und haben auch noch das fehlende Olivenöl mitgebracht: »Da beginnt Mama lang und herzhaft zu lachen. Es hört sich an wie das Klingeln einer Fahrradglocke.« Und am Abend, beim Gutenachtkuss sagt sie zur kleinen Salma: »Dein Lächeln ist mein Zuhause.«

Mit vielen Ornamenten und bunten, leichten Farben hat Bron das Buch illustriert, die Menschen sind einfach und doch lebendig gezeichnet, sodass auch kleine Leser und Leserinnen ihre Freude daran haben. Der pädagogische Zeigefinger ist sehr klein, der Lerneffekt wird bei dieser feinen Geschichte voller Wendungen und Probleme, die sich wieder auflösen, sehr groß sein, grade weil sie nicht so dick aufgetragen ist, sondern direkt aus dem Alltag gegriffen. Eine kleine, einfache Geschichte über Heimat und Neubeginn, Sehnsucht und Freundschaft und Esskulturen aus aller Welt. Und das Rezept für Foul Shami steht auch noch im Buch.

| GEORG PATZER

Titelangaben
Danny Ramadan, Ana Bron: Salma, die syrische Köchin
(»Salma, the Syrian Chef.«2020) Übersetzt von Penelope Dützmann.
Orlanda Verlag 2021
50 Seiten, 19 Euro
Kinderbuch ab 4 Jahren
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