Gesellschaft | Tyma Kraitt (Hg.): Irak. Ein Staat zerfällt Der Irak kommt seit über dreißig Jahren nicht aus den Schlagzeilen heraus. Und weil es eben die Schlagzeilen westlicher Medien sind, wird da fast ausschließlich über Blut und Tränen, Krieg, Terror und Massaker berichtet, kaum je über historisch-politische Fluchtlinien, Hintergründe oder wirtschaftliche und soziale Strukturen. Der von Tyma Kraitt (Österreichisch-Arabische Gesellschaft) herausgegebene Band Irak. Ein Staat zerfällt will dem abhelfen. Von PETER BLASTENBREI
Gesellschaft | Dan Diner: Rituelle Distanz. Israels deutsche Frage Lange bevor die Bundesrepublik Deutschland und Israel 1965 diplomatische Beziehungen aufnahmen, öffnete das Luxemburger Abkommen von 1952 den Weg zu einer behutsamen Annäherung beider Staaten. Die Ereignisse sind längst ausführlich historisch beleuchtet worden, nicht wenige der Protagonisten haben ihre Erinnerungen veröffentlicht. Dan Diner, 1999-2014 Direktor der Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte in Leipzig, interessieren in ›Rituelle Distanz‹ allerdings gerade nicht die bekannten diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Aspekte. Von PETER BLASTENBREI
Kulturbuch | Hans-Joachim Löwer: Die Stunde der Kurden In den letzten hundert Jahren sind etliche Völker und Religionsgemeinschaften im Nahen Osten unter die Räder gekommen. Viele von ihnen fristen seit Jahrzehnten ein Leben von Ausgrenzung und Verfolgung, einige wie die christlichen Minderheiten Syriens und des Iraks sind erst in jüngster Zeit wieder zwischen die Fronten geraten. Ein lange bekämpftes und unterdrücktes Volk, das es anscheinend geschafft hat, dem Zirkel der Gewalt zu entrinnen, stellt der Reisejournalist Hans-Joachim Löwer in ›Die Stunde der Kurden‹ vor. Von PETER BLASTENBREI
Gesellschaft | Susan Neiman: Warum erwachsen werden? Erwachsen werden wir alle, körperlich jedenfalls und im juristischen Sinn, sobald wir ein bestimmtes Alter erreicht haben (und nicht schwer geistig behindert sind). Und dennoch weiß jede/r, dass genug Erwachsene ihr Leben lang kindlich bleiben, sich schwertun mit Verantwortung oder allgemein damit, sich mündig und selbstbestimmt zu verhalten. Was Philosophen über das bewusste Erwachsenwerden zu sagen haben, stellt uns Susan Neiman, Direktorin des Potsdamer Einstein-Forums, in ›Warum erwachsen werden?‹ vor. Von PETER BLASTENBREI
Kulturbuch | Tilo Köhler: »Seht wie wir gewachsen sind« Nach Josef Stalin wurden in den Jahren nach 1945 im sowjetischen Einflussbereich zahlreiche Objekte benannt, Straßen und Plätze, Fabriken und ganze Städte – nur die Umbenennung von Bergen blieb der UdSSR selbst vorbehalten (und Kanada). Der Name Stalins kann also durchaus für die ersten Jahre des sozialistischen Aufbaus in Ost-Europa stehen, bevor nach 1956 »der weise Führer des Weltproletariats« langsam aus dem öffentlichen Gedächtnis getilgt wurde. So kurios man das heute finden mag, Tilo Köhler hat seine Kulturgeschichte der frühen DDR ›Seht wie wir gewachsen sind‹ nicht ohne Grund an solchen
Kulturbuch | Graetz / Teubert: Stadt, Land, Leben. Fotografien aus der DDR 1967-1992 »Land der Knipser« hat man die DDR manchmal genannt. Das ist richtig, wenn man die Verbreitung des Hobbys Fotografie anschaut. Ganz anders als in der BRD – die ja nicht weniger ein »Land der Knipser« war – scheint sich aber sogar die vergangene ostdeutsche Realität überhaupt erst aus privaten Schnappschüssen zu erschließen, fernab von langweiligen, inszenierten offiziellen Aufnahmen. Jürgen Graetz, dessen Bildern Stadt, Land, Leben gewidmet ist, ist ein besonderer Fall, ein offizieller Fotograf auf Abwegen. Von PETER BLASTENBREI
Gesellschaft | Martha Nussbaum: Die neue religiöse Intoleranz Burkaverbot in Frankreich, Minarettverbot in der Schweiz, Kopftuchverbote bei uns, hitzige Debatten um Moscheebauten, Beschneidung oder rituelles Schlachten – die europäischen Gesellschaften scheinen Amok zu laufen. Muslimische Minderheiten sollen mit ihren Symbolen anscheinend für die katastrophal verfahrene westliche Nahostpolitik büßen. Wie man mit dem auch in den USA wachsenden Muslimhass umgehen könnte, will Martha Nussbaum in ›Die neue religiöse Intoleranz‹ zeigen. Von PETER BLASTENBREI
Gesellschaft | World Press Photo (Hrsg.): Stories of Change Der im Westen so enthusiastisch gefeierte Arabische Frühling von 2011 ist politisch längst ad acta gelegt. Ägypten kann sich auf die nächsten 40 Jahre Militärdiktatur einrichten, Libyen versinkt im Bürgerkrieg. Nur in Tunesien scheint sich ein bescheidener Wandel vollzogen zu haben. Weiter westlich schließlich fand gar kein politischer Wechsel statt. Dass die Gesellschaften dieser Länder aber auch abseits von politischen Kämpfen nicht starr und statisch sind, zeigt der eben erschienene Band ›Stories of Change‹. Von PETER BLASTENBREI
Gesellschaft | Christiane Fritsche: Ausgeplündert, zurückerstattet und entschädigt / Christiane Fritsche: »Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus« Lange vor dem Massenmord an den europäischen Juden setzten die Nationalsozialisten ein anderes Programm in die Tat um: die Verdrängung der deutschen Juden aus dem Wirtschaftsleben. Was das im Einzelnen für Geschädigte wie für die vielen Nutznießer bedeutete, können nur Lokalstudien belegen. Die beiden von Christiane Fritsche erarbeiteten Bücher zur Arisierung in Mannheim sind hervorragende Beispiele dafür. Von PETER BLASTENBREI
Gesellschaft | Stéphane Hessel / Véronique de Keyser: Palästina. Das Versagen Europas Auch oberflächliche Beobachter wundern sich immer wieder über die Diskrepanz zwischen den vollmundigen außenpolitischen Erklärungen der EU und ihrer praktischen Nahostpolitik. Hier Menschen- und Völkerrechte pur ohne Abstriche als einzige politische Richtschnur, dort ständiges Einknicken vor anscheinend unabänderlichen Realitäten. Eben das prangert die langjährige belgische Europaabgeordnete Véronique de Keyser in ihrem, mit Stéphane Hessel gemeinsam erarbeiteten Buch ›Palästina: Das Versagen Europas‹ an. Von PETER BLASTENBREI