Film | Im Kino: Das Mädchen Wadjda Der Schulweg der zehnjährigen Wadjda im saudiarabischen Riad führt sie an einem Spielzeuggeschäft vorbei, das ein Fahrrad anbietet, grün, hübsch anzusehen, erkennbar chopper-gestylt. Dabei schlägt ihr Herz stets höher, denn dieses Rad zu besitzen würde bedeuten, sich endlich gegen den Nachbarsjungen Abdullah durchzusetzen und ihm davonzuflitzen, schnell wie der Wind. Obwohl es Mädchen untersagt ist, Fahrrad zu fahren, heckt Wadjda einen Plan aus, wie sie Geld für das Rad verdienen kann. Von WOLF SENFF
Film | Im Kino: The Grandmaster (Wong Kar-Wai) Vielleicht war das bereits ein frühes Signal für das Bröckeln des Westens und seiner Lebensweise, man weiß es nicht. Man soll seine Texte nicht mit »vielleicht« beginnen, vielleicht ist das ein Signal dafür, dass auch die Texte bröckeln, wer weiß das schon, es bröckelt und zittert, wo niemand es vermutet hätte: bei den Banken, der Gesundheitsvorsorge, den Werksverträgen usw. usf., und die Lernäische Schlange reckt ihre Köpfe, jene Hydra, die wir bei Homer endgelagert wähnten, als Merkel ist sie uns auferstanden, Europa liegt in Schockstarre. Von WOLF SENFF
Film | TV: Tatort Die Wahrheit stirbt zuerst (MDR), 16. Juni: Meine Güte – kann Katja Riemann toll eklige Weiber spielen! Und wie charmant Andreas Keppler ihre entzückende Visage beschreibt! Boshaft? Nicht doch! Auch an Eva Saalfeld teilt er aus, »ihr«, sagt er, »hängt die Müdigkeit wie Würmer aus den Augen!« Das ist nicht fein – nein, das gehört sich nicht. Wir lernen, wie Keppler mit den Mädels umspringt, das ist die halbe Miete. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Byung-Chul Han: Agonie des Eros Vorsichtige Einwände treffen das Format, nicht den Inhalt dieses Essays, der beinahe fast-food-like präsentiert wird. Nicht leicht verdauliche Inhalte sind in angenehm beschwingtes Design gekleidet, ein Schnupper-Paket gewissermaßen mitsamt einer Verpackung, die zum Konsum verführt. Man könnte meinen, dass der Verlag seine Leser von dort abholen möchte, wo sie sich befinden. Damit wären wir beim Thema der Agonie des Eros. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Armin Krishnan: Gezielte Tötung. Die Zukunft des Krieges Armin Krishnan zeigt in seiner umfangreichen und materialreichen Untersuchung Gezielte Tötung: Die Zukunft des Krieges, dass das Erscheinungsbild von Kriegen sich in den vergangenen Jahrzehnten von Grund auf gewandelt hat. Der »konventionelle zwischenstaatliche Krieg« des vergangenen Jahrhunderts sei abgelöst worden durch die »Individualisierung des Krieges«, der das als gefährlich erkannte und identifizierte Individuum durch die Praxis der »gezielten Tötung« eliminiert. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Thomas Rothschild: Bis jetzt ist alles gut gegangen
Thomas Rothschild, in Österreich aufgewachsen, verließ das Land aus politischen Gründen und lehrte über drei Jahrzehnte Literaturwissenschaft an der Universität Stuttgart. In Deutschland ist er fest in der Kultur verwurzelt. Seine jetzt publizierte Aufsatzsammlung hat eine Menge Vorläufer (zuletzt: Alles Lüge. Das Ende der Glaubwürdigkeit, 2006), der vorliegende Band enthält Glossen und Aufsätze für titel-magazin.de und den Freitag – bevor der nach der Übernahme durch den nachwachsenden Augstein zum Mainstream ins Bett kroch und man sich seitdem leichten Herzens erlaubt, auf qualifizierte Journalisten wie Ingo Arend und Tom Strohschneider verzichten zu können. Von WOLF SENFF
Gesellschaft | Josef Braml: Der amerikanische Patient Nach einer Analyse von George W. Bushs Außenpolitik im Jahr 2005 legt Josef Braml nun mit Der amerikanische Patient eine provozierend klare Zustandsbeschreibung vor und überlegt, was der drohende Kollaps der USA für die Welt bedeutet. Von WOLF SENFF
Sachbuch | Hans Arthur Marsiske: Kriegsmaschinen Es gibt so Themen, die dümpeln. Kennen Sie das? Sie liegen herum, irgendwo im Brackwasser, jeder weiß, dass es sie gibt, seit Jahren schon, doch niemand kümmert sich, oft aus Bequemlichkeit. Man könnte sich schmutzig machen, und wer weiß, man könnte schlafende Hunde wecken – wer will das schon? Von WOLF SENFF
Krimi | Im TV: Tatort ›Hinkebein‹ (WDR)
Kann eine Krimihandlung konstruiert wirken? Aber sicher: sofern sie unrealistisch viele Zutaten enthält und irgendwie Zutaten hineingeraten sind, die sich nicht zueinander fügen wollen, die nicht harmonieren. Da droht der Überblick verloren zu gehen und der innere Zusammenhang des Films. Es gibt zu viele Szenen in Hinkebein, in denen dieses Gefühl aufkommt (Regie: Manfred Stelzer). Von WOLF SENFF