Technische Dystopie

Digitales | Games: Horizon: Zero Dawn

Eine Welt in ferner Zukunft. Die Menschheit, 1000 Jahre lang vom Erdboden verschwunden und jeglichem Fortschritt beraubt, ist zurückversetzt in eine technologische Steinzeit. Individuen rotten sich erneut in Stämmen zusammen, Familien versuchen den neuen Lebensumständen zu trotzen und niemand weiß, oder denkt überhaupt daran, welche Umstände sie eigentlich in diese annähernd prähistorische Phase zurückwarf. Von DANIEL MEYER.

Es sind lediglich noch Ruinen, halb zerbrochen und von der Natur zurückerobert, die noch von einer einst hochentwickelten, menschlichen Kultur zeugen – nun ja, und die riesigen, animalisch aussehenden Maschinenwesen, die nun die Erde bevölkern.

Horizon: Zero DawnSo ungefähr lässt sich die neue, dystopische Welt von ›Horizon: Zero Dawn‹ beschreiben, die das Entwicklerteam Guerilla Games, für diesen von manchen schon jetzt als »Meisterwerk« geltenden Open World-Titel, erschaffen hat. Anders als von den Machern der ›Killzone‹-Reihe gewohnt, erhalten wir mit diesem Spiel jedoch keine lediglich auf Krieg und Überlebenskampf basierende Geschichte, sondern eine (packende) Story, in der es um Liebe, Verlust und Akzeptanz geht und darum, seinen eigenen Weg, in der sonst so befremdlichen Welt zu finden.

Eine neue Legierung für die Welt

Es ist die Geschichte einer jungen Nora-Frau, Aloy, die wir auf ihrem Weg durch die endlosen Weiten dieser post-post-apokalyptischen Welt begleiten dürfen. Eine schöne, wenn auch schwere, könnte man über lange Zeit meinen, beginnt sie doch auf eine zunächst unergründliche und zugleich ungerechte Art und Weise und endet in etwas, das wir in der heutigen Zeit als Selbstfindung beschreiben würden. Aloy, als Kleinkind von ihrem Stamm ausgestoßen und durch ihren Ziehvater, Rost, zu einer unabhängigen Jägerin erzogen, bemüht sich in ihren jungen Jahren der Wiederaufnahme in ihr ehemaliges Dorf; etwas, das nur durch eine Jägerprüfung, ein altes und fest etabliertes Ritual ihres Stammes, vollzogen werden kann. Als dieses jedoch durch einen Hinterhalt unterbrochen und ihr Dorf bei einem Angriff korrumpierter Maschinen nahezu zerstört wird,  bleibt es an ihr, die Beweggründe der Invasoren und die damit zusammenhängende Untergangsgeschichte früherer Zivilisationen erneut zu erschließen.

Natürlich ist dies keine Geschichte, die noch nie, oder zumindest in Teilen, bereits erzählt wurde – aber der Umstand, wie und auf welche Weise sie erzählt wird, macht ›Zero Dawn‹ zu einem Abenteuer, das überaus authentisch und echt wirkt. Schnell lernt Aloy die rauen Gepflogenheiten der äußeren Welt kennen, schließt sich (zuweilen unfreiwillig) mit neuen Bekanntschaften, wie dem betrunkenen Hauptmann Erend, dem Sonnenkönig Avad oder dem geheimnisvollen Sylens, zusammen und erfährt über verschiedene Quellen von Thronumstürzungen, Stammes-Euthanasien oder verschiedenen Glaubensrichtungen, die sich perfekt in das Gesamtbild der Post-Apokalypse einfinden.

Gleichzeitig distanziert sich Aloys Rolle mit Verlauf des Spiels und lässt sie zu einem weiteren Zahnrad in der Gesamtmaschinerie dieser Welt werden, die sich nun erneut ihrer einstweiligen Vernichtung entgegenstellen muss. Es ist gerade dieser Mix aus düsteren Elementen, Umstürzungen und authentischen Figuren, die der Umgebung des Spieles eine gewisse Tiefe verleihen und bis zum Ende den Anreiz geben, weitere Mysterien in diesem uns noch unbekannten Land erforschen zu wollen.

Robo-Dinos und Mecha-Adler

Aushängeschild bleiben aber ganz klar die verschiedenen, animalisch wirkenden Maschinenwesen, die sich ab der ersten Sekunde frei in unseren Revieren tummeln können: Beinahe bizarr wirkt es anfangs, wenn sich Herden von Hirsch-ähnlichen Robotern durch weite Prärien bewegen, blitzeschleudernde Mecha-Adler um verschneite Bergwipfel kreisen oder unsichtbare Tarnkappen-Panther in dichten Mangrovenwäldern lauern. Ein merkwürdiges Gefühl, das sich jedoch, gerade durch die Liebe zum Detail, schnell in Faszination umwandeln kann. Jedes dieser 26 Wesen besitzt sein eigenes Verhalten, Schwachpunkte und Stärken, die  einstudiert und ausgenutzt werden müssen, um in der harschen post-apokalyptischen Welt zu überleben.

Hilfe erhaltet ihr dabei von eurem »Fokus«, einem kleinen Gerät, das Aloy erlaubt, jeweilige Schwachstellen am Körper eines Feindes zu erkennen und zeitweilig markieren zu können. Schießt ihr so beispielsweise durchbohrende Pfeile in den Tragesack eines feuerspeienden Brüllrücken, können nahstehende Feinde durch entstehende Explosionen geschwächt werden; Verwüstern, Tiger-ähnlichen Maschinenwesen, sind Plasmagewehre abzuknüpfen, die selbst Donnerkiefern, riesigen Mecha-T-Rexen, gefährlich werden können. Das Spiel gibt euch dabei keine Hinweise wie ein Gegner angegangen oder besiegt werden soll. Vielmehr ermutigt es euch zur Selbstprobe und belohnt mit fesselnden Kämpfen und zumeist ebenso lohnenden Prämien.

Lauf oder hau drauf!

Gleichermaßen sollten Kampftaktiken der jeweiligen Gegnerart angepasst werden. Neben Schleich- und Nahkampfattacken, die in vielen Fällen bei Gruppen und kleineren Gegnern effizient sind, besitzt Aloy ein großes Arsenal an primitiven Waffen, wie etwa Bögen und Schleudern, die Gegner schaden, einfrieren oder verbrennen können. Gleichzeitig erhaltet ihr im späteren Verlauf selbst die Möglichkeit, unachtsame Maschinen auf eure Seite zu zwingen oder durch Fallen längerfristig zu lähmen. So erhaltene Materialien lassen sich wiederum in neue oder verbesserte Ausrüstung investieren und geben dem erneuten Bekämpfen bestimmter Gegnerhorden einen gewissen Sinn. Leider versteht jedoch auch ›Zero Dawn‹ nicht, vollends ein sinnvolles Verhältnis zwischen dem eingebauten Lootsystem und dem nötigen Grindingverfahren zum Erhalten höherer Level zu finden.

Gerade in den letzten Stunden des Spieles werden (deshalb) Sammlerfreunde viel Zeit in ihrem Inventar verbringen dürfen, um sich unnötiger Items zu entledigen oder weitere Rüstungshändler für die Verwendung der noch unzähligen Materialien zu finden – meist vergebens. Seltene Rüstungen sind leider oft ebenso schnell hergestellt, wie der Zweck der weiteren Materialiensuche verloren geht. Gleichzeitig verblasst der Spielspaß beim Stöbern nach den letzten, eventuell noch nicht gefundenen Rohstoffen, wenn es doch in Wirklichkeit keinen richtigen Nutzen für sie zu geben scheint – Schade finden wir, hätte doch gerade die Ausrüstungsverbesserung einen erheblichen Teil zum Endspiel beitragen können.

Die große, weite Welt

Was ›Zero Dawn‹ jedoch bei der Apparatur vermissen lässt, macht es durch seine offene und wunderschön gestaltete Welt durchaus wett. Berglandschaften, Steppen, Urwälder, bis hin zu einzelnen Wüstenregionen spicken das Land und ergeben, zusammen mit den halb verfallenen Ruinen, einen zugleich atemberaubenden als auch erschreckenden Anblick. Dabei sind die einzelnen Regionen keineswegs leer. Viele Teile laden zu kleinen Nebenmissionen oder Erkundungen ein, in denen ihr á la ›Uncharted‹ über Kletterpartien an seltene Ornamente oder Gegenstände gelangen, Jägermission erhalten oder Gegenden von korrumpierten Maschinen oder Räubern säubern könnt. Es sind kleine Raufereien, die zwar keine lange Unterhaltung bieten, sich aber je nach Erfahrung als durchaus fordernd herausstellen können.

Als kleine Highlights können zudem »Brutstätten« erkundet werden, größere, vollmechanische Distrikte, die im Kontrast zur sonst idyllischen Landschaft wie eiserne Höllentore erscheinen und in ihrem Kern die Fähigkeit zur Überbrückung neuer Maschinen beherbergen. Alles in allem Nebenmissionen, die eine gelungene Abwechslung zum sonst unerbittlich vorpreschenden Hauptplot bieten und ein weiteres Mal die actionbeladenen Kämpfe, die wohl den stärksten Punkt dieses Spiels darstellen, in den Vordergrund rücken.

Fazit

Mit ›Horizon: Zero Dawn‹ ist Guerilla Games ein Risiko eingegangen, das es vollends Wert war. Die wundervoll gestaltete Welt und die mit Finesse und Detailreichtum eingearbeiteten Maschinen komplimentieren sich zu einem vollen Ganzen, das eigentlich nur darauf wartet, erkundet und bezwungen zu werden. Zwar lässt sich in der Endspielphase die gewisse Tiefe vermissen, die eindrucksvollen Ereignisse innerhalb des Hauptplots und die nebenbei zu erledigenden Minimissionen führen jedoch zu gut und gern 30 Stunden Spielzeit, an die man sich jederzeit mit einem Lächeln zurückerinnern kann.

| DANIEL MEYER

Titelangaben
Horizon Zero Dawn
Guerilla Games, Sony Entertainment
exklusiv erhältlich für Playstation 4
ab 59,99 Euro UVP

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