/

Internet-Dating

Film | Im TV: TATORT ›Wahre Liebe‹ (WDR), 28. September

Früher wollten Männer nur Sex. Die Zeiten ändern sich. Heute gehen sie den Frauen an deren Geldbeutel, denn Geld knistert überaus sexy. So einen Fall zeigt uns der ›TATORT‹ aus Köln. Ach und wie wunderschön glatt und hohl wird in der Eröffnungsszene von Liebe und Glück gesäuselt, aufgetischt von einer reifen Schönen, die nach wenigen Minuten bedauerlicherweise und ganz gegen ihren Willen die ewigen Jagdgründe aufsucht, man hätte sie, mal ehrlich, sowieso kaum länger ertragen. Von WOLF SENFF

Die Lage ist zum Glück überschaubar. In das weltweite Netz der Partnervermittlung Lovecast hat sich ein Troll eingeschlichen, der unter Zuhilfenahme diverser Avatare die Damen liebevoll einlullt und hinterrücks ihre Ersparnisse plündert. Den gilt es aufzuspüren. Jedenfalls ist das zunächst die Ausgangslage. Wir sehen ein herrlich entspanntes Ermittlungsgespräch auf Ballaufs Dachterrasse und erfahren, dass der Mörder neben der Leiche fünfzigtausend Euro liegen ließ. Das gibt zu denken.

Am Rhein ist jeder von den Guten

Die Kölner glänzen immer leicht jenseits des Falles. »Sag mal, woran erkennt man eigentlich ne gute Beziehung?« – »Zum Beispiel ich finde nicht unwichtig, dass meine Frau genauso wie ich beim Schlafen das Fenster offen hat.« Ehrlich währt am längsten. Außerdem werden uns herrlich tumbe Mitmenschen vorgeführt. Ja, gibt’s wirklich, fällt uns bloß im Alltag nicht sofort auf. Ein Psychologe zum Beispiel, der neben sich steht.

Der Reiz dieses Krimis? Falsche Frage. Weder ist er ein Krimi noch reizt er. Er glänzt durch äußerst liebevolle Zeichnung seines Personals. Wer auch immer auftritt – letztlich ist er einer von den Guten, muss sich vielleicht etwas veralbern lassen oder, wie die neue Assistentin, wirkt zu Beginn echt schräg, darf sich dann aber im weiteren Verlauf als charmante Persönlichkeit rehabilitieren.

Ware Liebe

Ob wir darin das rheinische Harmoniebedürfnis erkennen sollen, das wird uns niemand verraten, eine verhaltene Neigung zum Schwank lässt nicht leugnen. Die Großaufnahme liefert eindrucksvolle Studien von Gesichtern, wir hören T. Rex ›Hot Love‹, man gibt sich Mühe, den Zuschauer zu unterhalten, aber zum Schluss hin entsteht der Eindruck, als verfranse sich die Handlung in diverse Einzelhandlungen und Buch und Regie bekommen das nicht rund, die Assistentin muss aus eigener Kraft wieder ans Tageslicht finden, klappt aber auch.

Den Titel dieses ›TATORT‹, das sei noch gesagt, liest man anstatt des ironischen ›Wahre Liebe‹ real wohl besser als ›Ware Liebe‹, er wirft ein wenig erfreuliches Licht auf Internet-Dating.

| WOLF SENFF

Titelangaben
TATORT ›Wahre Liebe‹
Regie: André Erkau
Ermittler: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär
So., 28.09., 20:15 Uhr, ARD

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

»Es ist kein Spiel gegen die Trolle«

Nächster Artikel

Zu viele Worte

Weitere Artikel der Kategorie »Krimi«

Ein Kleeblatt bringt nicht immer Glück

Roman | Arne Dahl: Sechs mal zwei Sie sind wieder da: Sam Berger und Molly Blom. Wer Arne Dahls ersten Band seiner neuen Thrillerserie im vergangenen Jahr gelesen hat, konnte es kaum erwarten. Denn ›Sieben minus eins‹ endete mit einem Cliffhanger, der es in sich hatte. Von DIETMAR JACOBSEN

Zeit der Reue

Roman | Arnaldur Indriðason: Tiefe Schluchten

Zum dritten Mal macht sich Arnaldur Indriðasons pensionierter Polizist Konráð auf die Suche nach einem verschwundenen Menschen. Wie in den beiden Vorgängerromanen der Reihe - Verborgen im Gletscher (2017, deutsch 2019) und Das Mädchen an der Brücke (2018, deutsch 2020) – wird er auch diesmal von seiner Ex-Kollegin Marta unterstützt. Die ist meist wenig begeistert, wenn sich Konráð in ihre Arbeit einmischt. Doch weil sie diesmal am Schauplatz eines Mordes einen Zettel mit seiner Telefonnummer findet, versucht sie natürlich herauszufinden, was dahintersteckt, ohne zu ahnen, in welche Tragödie ihr Anruf sie und ihren ehemaligen Kollegen verwickelt. Von DIETMAR JACOBSEN

Mörderisches Flickwerk

Roman | Daniel Cole: Ragdoll Je einen Körperteil von sechs Leichen hat ein Mörder benutzt, um eine grauenvolle Flickenpuppe, eine »Ragdoll«, zusammenzunähen und sie der Londoner Polizei in einer gespenstischen Performance zu präsentieren. Aber damit nicht genug: Der Psychopath kündigt über die Medien weitere sechs Morde an. DIETMAR JACOBSEN hat ›Ragdoll‹ von Daniel Cole gelesen.

Mörder sind die besten Mordermittler

Roman | Candice Fox: Die Eden-Archer-Trilogie So oft passiert es nicht, dass einen eine Debütantin im Thriller-Genre so richtig umhaut. Zuletzt haben mich die Polizeiromane der Tana French so staunen lassen – aber die spielen in einer ganz anderen Welt und sind gewissermaßen auch realitätsverhafteter als das, was uns die Australierin Candice Fox in ihrer im Original 2014, 2015 und 2016 erschienen, mehrfach preisgekrönten Trilogie um das Polizisten-Geschwisterpaar Eric und Eden Archer, ihren Kollegen Frank Bennett und ihren Ziehvater Heinrich Archer alias Hades erzählt. Von DIETMAR JACOBSEN

Der Mann im Dunkeln

Roman | Jacob Ross: Shadowman

Nach Die Knochenleser (Suhrkamp 2022) ist Shadowman der zweite ins Deutsche übertragene Roman von Jacob Ross. Erneut stehen die jungen Polizisten Michael »Digger« Digson und Kathleen Stanislaus im Mittelpunkt. Und es geht um viel, nämlich um ihrer beider Karrieren, die auf dem Spiel stehen, nachdem Miss Stanislaus den Mann, der sie im Alter von 14 Jahren brutal vergewaltigte, erschossen hat. Muss sie deshalb ihren Dienst quittieren? Oder gelingt es ihr mit Diggers Hilfe, den Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen und nachzuweisen, dass sie in Notwehr gehandelt hat und nicht aus schlichter Rachsucht? Von DIETMAR JACOBSEN