Willkommen bei den Bakers!

Digitales | Games: Resident Evil 7: Biohazard

Warum interessieren wir uns für Horror? Ist es nicht widersprüchlich, sich absichtlich Angst einjagen zu lassen, obwohl man eigentlich nichts zu befürchten hat? Wie auch immer der Ursprung von Horrorgeschichten aussieht, eines ist sicher: Eine gruselige Atmosphäre sorgt für ordentlich Spannung. Dafür reichen oft schon ein dunkler Flur, ein nervös flackerndes Licht und unbekannte Geräusche. ›Resident Evil 7: Biohazard‹ (RE7) bietet davon jede Menge. Das gewisse Flair bringt dann noch ein heruntergekommenes Landhaus, inklusive gewalt(tät)ig großer Familie. Mit einer ordentlichen Portion Selbstüberwindung schleicht PHILIPP LINKE durch die digitale Folterkammer.

No Spoiler, no cry

Die Story beginnt ganz klassisch: Der Hauptcharakter erfährt per Videobotschaft, dass seine seit drei Jahren vermisste Frau Mia an irgendeinem Ort festgehalten wird. Natürlich macht sich der heldenhafte Ethan Winter direkt auf den Weg, um nach seiner Angetrauten zu suchen. Nichts Böses ahnend betritt er die verfallene Plantagenvilla und bemerkt schnell: Hoppla, so ganz unbewohnt, wie geglaubt, ist sie ja doch nicht.

Ein Glück, dass ihr an dieser Stelle die Kontrolle über Ethan übernehmt, schließlich scheint er entweder Lebensmüde oder unglaublich dumm zu sein. Das Problem an der ganzen Sache ist, in das Haus hinein ging es einfach, wieder heraus allerdings nicht. Dafür sorgt die Familie Baker, die laut diversen umherliegenden Zeitungsartikeln bereits ein langes Register vermisster Menschen vorzuweisen hat.

Was es genau mit dieser Familie auf sich hat und ob Mia gerettet werden kann, verraten wir natürlich nicht. Wer jedoch die Serie ›Resident Evil‹ kennt, weiß, dass es etwas mit Mutationen und Bioterrorismus zu tun hat. Die Auswirkungen gewisser »fehlgeschlagener Experimente« nehmen dabei nicht selten übernatürliche Züge an, sodass ihr in RE7 grotesken Monstern und Menschen mit ganz besonderen Fähigkeiten begegnen.

Nah am Geschehen

Als erstes Spiel der Serie seht ihr die virtuelle Welt aus Sicht der Hauptperson, anstatt aus der traditionellen Perspektive über die Schulter. Hauptsächlich ist der Grund dafür die Unterstützung von Virtual Reality. Aber auch ohne VR-Headset hat die Ego-Perspektive direkte Auswirkungen auf das Spielgefühl: Alles wirkt ein Stück näher, realer und vor allem gruseliger!

Die Steuerung lehnt sich dabei an klassische Shooter an, allerdings bewegt ihr euch mit gezogener Waffe deutlich langsamer und auch das Sprinten fühlt sich eher wie ein gemütliches Jogging-Tempo an. Apropos Waffen: Zwar häuft ihr mit der Zeit ein sehenswertes Arsenal an Schusswaffen an, jedoch müsst ihr euch vor allem zu Beginn mit Messer, Axt oder einigen wenigen Patronen für eine mickrige Pistole herumschlagen.

Die Erkundung eurer Umgebung ist nach wie vor das A und O des Überlebens. Auf der einen Seite gilt es natürlich so viel Munition und Arznei wie möglich zu sammeln, auf der anderen Seite Rätsel zu lösen, indem ihr nach passenden Schlüsseln oder Gegenständen sucht, mit denen sich der Weg öffnen oder neue Waffen sammeln lassen. Dabei gestalten sich diese Rätsel selten schwierig, doch erfordern sie häufig das Erkunden bereits besuchter Räume und geben so etwas Abwechslung in das ansonsten eher lineare Spielgeschehen. Auch Bosskämpfe kommen vor und ermöglichen euch am Ende eines Kapitels noch mal so richtig die Sau rauszulassen, falls ihr bis dahin nicht schon die ganze Munition verpulvert habt.

Widerlich hübsche Grafik

Wem bei dem Gedanken an (simulierte) Gedärme und Leichenteile bereits schlecht wird, der sollte sich den Kauf von RE7 gut überlegen, denn das Spiel geht äußerst großzügig mit Splatter-Effekten und ekliger Dekoration um. Noch dazu ist die Grafik im Vergleich zu bisherigen ›Resident Evil‹-Titeln sehr detailliert und technisch auf dem neusten Stand, was absolut positiv zu werten ist. Vor allem die dynamischen Schatten machen viel der Stimmung aus, da selbst einfache Dinge, wie etwa ein rotierender Ventilator vor einer Lampe, einen großen Effekt haben und die Umgebung lebendiger aussehen lassen.

Besonders gruselig sind die Passagen, die ihr nur mit einer Taschenlampe ausgerüstet durchqueren könnt. Diese beleuchtet die Umgebung sehr realistisch und gewährt euch nur einen kleinen Teil des gewohnten Sichtfelds. Wenn dann noch Geräusche, wie ein gelegentliches Rascheln oder Schritte auf Holzboden hinzukommen, bewegt man sich plötzlich nur noch im Schneckentempo vorwärts und erkundet zunächst jede Ecke des Raums.

Diese Art des Horrors ist subtiler als die sogenannten »Jump-scares«, den plötzlichen Schreckmomenten, die einen zusammenzucken lassen und vor allem in Horror-Filmen gerne Verwendung finden. Stattdessen spielt RE7 mit dem Unbekannten und benutzt die Fantasie des Spielers, um ihm Angst einzujagen.

Fazit

RE7 ist nichts für ängstliche Spieler. Insbesondere das erste Kapitel, in dem ihr völlig wehrlos überleben müsst, ist eine große Herausforderung für die Nerven. Jede Tür kostet Überwindung, insbesondere wenn sich dahinter ein vollkommen finsterer Raum befindet, denn RE7 dirigiert euch absichtlich in derartige Situationen. Dafür erhält man als Spieler eine extrem dichte Atmosphäre in einer lebendig (oder untot?) wirkenden Umgebung.

Die Abwechslung zwischen Action- oder Fluchtsequenzen, Erkundung und relativ einfachen Puzzles ist dabei sehr gut gelungen. Höhepunkte stellen die Bosskämpfe dar, die zwar relativ wenig Grips erfordern, dafür aber für die extra Portion Action sorgen, die sich sonst eher selten im Spiel findet. Wer also eine Fortsetzung der actionlastigen Vorgänger sucht, ist hier an der falschen Adresse. Liebhaber der früheren Ableger der Serie und Grusel-Fans kommen bei RE7 dagegen voll auf ihre Kosten.

| PHILIPP LINKE

Titelangaben
Resident Evil 7: Biohazard
Capcom
seit Januar erhältlich für PlayStation 4, Xbox One, Microsoft Windows.
59,89 Euro UVP.

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Hetzjagd auf die Puppe

Nächster Artikel

»Die Federn des Carl Barks«

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Nicht Final, aber Fantasy

Digitales | Games: Octopath Traveler ›Octopath Traveler‹ schien so etwas wie der Heilige Gral all derer werden zu können, die sich nach der goldenen, der guten Zeit japanischer Rollenspielkunst zurücksehnten: Wundervoll animierte 2D-HD Sprites, inspiriert aus Spielen wie ›Final Fantasy VI‹ oder ›Grandia I‹, eine komplexe, über mehrere Wege führende Erzählstruktur, ähnlich zu ›Live-A-Live‹, sowie eine Vielzahl verschiedener Nebenquests, Charakterklassen und Entscheidungsmöglichkeiten. Kurzum – ein Spiel mit viel Potential, das leider eben solches durch altbekannte Square Enix Probleme verschenken wollte. Von DANIEL MEYER.

Bis zum Ende der Zeit

Digitales | Games: Quantum Break Die Zeit stottert, doch weder Logopäde noch Quantenmechaniker kann ihr helfen. In der transmedialen Fusion aus Spiel und Fernsehserie, ›Quantum Break‹, versucht FLORIAN RUSTEBERG den Überblick zu behalten – zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Die eierlegende Wollmilchsau des digitalen Kriegsspiels

Digitales | Games: Battlefield 3 Mit dem dritten Teil der ›Battlefield‹-Reihe versprach der Entwickler EA DICE die Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe: Einer Balance aus Spiel und Simulation, die der Reihe seit 2002 eine treue Gefolgschaft – und viele Klone – eingebracht haben. PETER KLEMENT ist im neuesten Spross der Battlefield-Familie geflogen, gefahren und ziemlich oft gesprengt worden.

Rassiger Rennspielrealist oder besserer Blender?

Digitales | Games: Need for Speed: Shift 2 Unleashed Rennspiele sind bei STEFFI MARX besonders gut aufgehoben. Es gab also keinen Grund, den neuesten Teil der Rennspielserie ›Need for Speed‹ nicht der talentierten Raserin anzuvertrauen. Die gesammelten Erfahrungen und Spieleindrücke legt sie für Benzolleserinnen im Folgenden dar.

Wenn der Zombie zweimal klingelt …

Digitales | Games: Dead Island Sonne, weiße Strände und türkisfarbenes Wasser – das klingt erst einmal nach der perfekten Urlaubsidylle. Kombiniert man das allerdings mit Zombies und ganz viel Blut, sieht das Bild schon anders aus. Nachdem die Untoten ihr Unwesen sonst eher auf dem Festland treiben, geben sie in ›Dead Island‹ ihr Debüt im sonnigen Paradies. NORMAN VOLKMANN ließ sich auf Banoi die Sonne auf den Bauch scheinen und amputierte fleißig Gliedmaßen infizierter Urlauber.