Die Hauptschule schlägt zurück

Comic | Jean La Fleur: Wie kommt der Parmesan in die Tastatur?

Der Alltag kann gefährlich sein, wenn er von einem Comic-Zeichner verfremdet wird, der sich selbst als »die größte Bitch im Business« nennt. Diese »Bitch«, die gerne locker aus der Hüfte schießt, ist Jean La Fleur, der sich selbst als Begründer der Neuen Frankfurter Hauptschule tituliert – eine Hommage an die Satiriker- und Zeichnergruppe Neue Frankfurter Schule. Jean La Fleurs neues Werk ist eine Reihe von derben, aber alltäglichen Cartoons, die in einem kleinen Heft versammelt sind – mit dem Titel ›Wie kommt der Parmesan in die Tastatur‹. PHILIP J. DINGELDEY hat sich die Sammlung angesehen.

Wie kommt der Parmesan in die TastaturWie schon angedeutet, widmen sich die Cartoons alltäglichen Phänomenen. Jedoch werden diese fast immer in irgendeiner Art verfremdet und damit karikiert. Zugegeben: Meistens ist das Niveau dieser Verfremdungen oder karikaturartigen Darstellungen auf einem recht einfachen, oft auch herben und derben Niveau. Dennoch kann man sich nicht verweigern, bei den ziemlich eingängigen und aufdringlichen Bildchen, zuweilen lauthals zu lachen.

Wie man sich schon denken kann, geht es auch oft um groteske Darstellungen von Sex. Etwa sitzt in einem Cartoon eine Kandidatin bei einer Quizshow und antwortet, auf die Frage, wofür das Akronym des Senders BBC stehe, mit »Big Black Cock« aus dem Pornobusiness. Für einen traurigen Beruf hält Jean La Fleur übrigens auch den der Zweitbesetzung in einem Pornofilm. Und bei sexueller Belästigung in einem Zug denkt ein Passagier lediglich, die Randalierer sollten die Frau in Ruhe lassen, anstatt zu reagieren – was der Autor und Zeichner salopp als »mentale Zivilcourage« klassifiziert.

Jeder bekommt sein Fett weg

Doch auch Politik und Religion kommen nicht zu kurz. So ruft Gott etwa den Elektrodienst an, wenn das Licht am Ende des Tunnels wieder mal kaputt ist, oder Bildungsbürger bringen zu einer Demonstration die schönsten Stücke aus ihrer Steinsammlung zum Werfen mit. Meistens werden uns allen bekannte Situationen oder Motive verwendet und verdreht bis zum Komischen und Grotesken. Manchmal ist das witzig, manchmal wirkt es auch geschmacklos, aber eines ist sicher: Bei einem Zeichner, der nichts – inklusive sich selbst – ernst nimmt, bekommt jeder einmal sein Fett weg.
In diesem derben Sinne sind die kleinen quadratischen und unabhängig voneinander stehenden One-Pager-Cartoons auch gezeichnet. Die Figuren sind runde, schnell gekritzelte Männchen mit dünnen Ärmchen, ohne Augen (wahlweise mit Hängebusen) und ein paar Kreisen auf dem Kopf als Haar. Deren Aussagen stehen nur in der Luft und werden mit einem Strich mit dem Protagonisten verbunden. Das ist intendiert schnell hingeschmiertes Zeug, das keinen Wert auf Detailliebe legt, sondern auf einen schnellen und krassen Gag.

›Wie kommt der Parmesan in die Tastatur‹ ist ergo nicht unbedingt ein Büchlein für jedermann, doch auch, wenn es meist nur einen simpel gestrickten Humor á la Bild-Zeitung gebraucht, so sind doch für die meisten Leser ein paar Lacher dabei. Neben dem Faktor des Amüsements können die Cartoons im Idealfall einen mit ihrer Aufdringlichkeit sogar zum Nachdenken anregen. Mit ihrer auffälligen Form der satirischen Kritik an und groben Hieben gegen unseren Alltag, unsere Politik, unsere Religionen, unseren Sex und unsere Gesellschaften.

| PHILIP J. DINGELDEY

Titelangaben
Jean La Fleur (Texte und Zeichnungen): Wie kommt der Parmesan in die Tastatur?
Wien: Holzbaum Verlag 2016
48 Seiten, 5,00 Euro
Erwerben Sie dieses Buch portofrei bei Osiander

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Gratis Comic Tag 2016

Nächster Artikel

Prosa des subtilen Mitgefühls

Weitere Artikel der Kategorie »Comic«

Depressive Zitronenkuchen

Comic | Tom Gauld: Kochen mit Kafka Wenn ein Cartoonist es in den ›Guardian‹ und den ›New Yorker‹ schafft, dann ist eigentlich klar, dass er ein zeichnerisch herausstechendes Talent darstellt. Und genau solch ein Ausnahmekünstler ist der schottische Künstler Tom Gauld. Sein Name ist, was selten für Cartoonisten der Fall ist, wohlbekannt. Viele seiner intellektualistischen Cartoons sind schon viral geworden in diesem Internet. Nun ist ein Sammelband mit seinen Strips erschienen. PHILIP J. DINGELDEY hat sich ›Kochen mit Kafka‹ angesehen. Und und bekam dabei mehr als einen Lachanfall.

Comicfestival München

Comic | Comicfestival München Vom 4.6. bis zum 7.6. spricht die Bayerische Landeshauptstadt in Sprechblasen – beim Comicfestival München. Neben einem Programm, das sich definitiv sehen lassen kann, punktet es zudem mit einem neuen zentralen Veranstaltungsort: Der Alten Kongresshalle.

Conan reloaded

Comic | Conan der Barbar 1 – Die Königin der Schwarzen Küste Autor Brian Wood widmet sich in einer neuen Conan-Reihe den Abenteuern des jungen Cimmeriers und seiner ersten großen Liebe, der Piratenbraut Belit. Beeindruckend in Szene gesetzt wird die Reihe von den taltentierten Künstlern Becky Cloonan und James Harren. Von BORIS KUNZ

Ein moderner Robin Hood?

Comic | Andy Diggle (Texte), Jock (Zeichnungen): Green Arrow. Das erste Jahr Eigentlich inspiriert die Geschichte von Robin Hood, der von den Reichen nimmt und den Armen gibt, nur noch Kinder. 1941 schufen jedoch Mort Weisinger und George Papp den Comic-Superhelden »Green Arrow«, der, nach dem Exempel von Robin Hood, mit Pfeil und Bogen bewaffnet, das Böse in Form von Kriminellen mit Schusswaffen, spielend leicht besiegt. Dies führte auch zur prominenten Adaption des Helden in der neueren US-amerikanischen TV-Serie ›Arrow‹. Von PHILIP J. DINGELDEY

Lovely Creature

Comic | Reinhard Kleist: Nick Cave – Mercy on me Nick Cave ist Kult – und nun auch Comic-Held. Der für seine grafischen Biographien berühmte Reinhard Kleist hat dem australischen Musiker ein gezeichnetes Denkmal gesetzt. »Für Fans oder für alle?«, fragt sich CHRISTIAN NEUBERT