Sie war die letzte große Diva des deutschen Films, die »größte Sängerin der Welt ohne Stimme«, wie es Ella Fitzgerald einmal ausdrückte, aber vor allem war Hildegard Knef eine Frau mit Ecken und Kanten: Eine Femme fatale, die oft und gern mit den Konventionen brach und um die es in den letzten Lebensjahren sehr still geworden war. Von PETER MOHR
Ihren letzten großen öffentlichen Auftritt hatte Hildegard Knef 1995, als in Berlin mit Pauken und Trompeten ihr 70. Geburtstag gefeiert wurde. Zurückgezogen lebte sie zuletzt im Berliner Stadtteil Zehlendorf, nach mehr als 50 Operationen (nicht alle waren medizinisch notwendig) war sie körperlich angeschlagen, steckte aber noch voller Tatendrang. Mit einem jungen Jazzmusiker, der zur Generation ihrer Enkel gehörte, plante sie weitere Neuaufnahmen ihrer Lieder.
Hildegard Knef wurde am 28. Dezember 1925 in Ulm als Tochter eines Prokuristen geboren. Nach dem Besuch der Filmhochschule Babelsberg war sie im ersten deutschen Nachkriegsfilm ›Die Mörder sind unter uns‹ (von Wolfgang Staudte) 1946 als weibliche Protagonistin zu sehen, als eine ehemalige KZ-Insassin, die einen Kriegsheimkehrer davon abhält, einen untergetauchten Nazi-Funktionär zu richten. Zwei Jahre später wird sie beim Filmfestival in Locarno als beste Schauspielerin ausgezeichnet – für ihre Rolle in ›Film ohne Titel‹. Victor de Kowa und Boleslaw Barlog holten sie danach auf die Bühne am Kurfürstendamm und ans Schloßparktheater, wo sie mit ›Drei Mann auf einem Pferd‹ ebenfalls große Erfolge feierte.
Bis zur ›Sünderin‹ (1951) galt Hildegard Knef in der deutschen Nachkriegsgesellschaft als Idealbild einer ehrgeizigen Aufsteigerfrau, doch die Nacktszene in der Hängematte brachte die Adenauer-Republik in Aufruhr und der gerade frisch geborene Star Knef wurde öffentlich gegeißelt und hinter vorgehaltener Hand als »persona non grata« stigmatisiert. Warnungen hatte die Knef zuvor leichtfertig in den Wind geschlagen und war dem Rat ihrer Freundin Marlene Dietrich gefolgt: »Wenn du das spielst, bist du wieder drin im Geschäft.«
Hildegard Knef flüchtete vor den Anfeindungen in die USA, wo sie an der Seite von Weltstar Gregory Peck in ›Schnee am Kilimandscharo‹ (1952) ebenfalls große Popularität erlangte. Der große internationale Durchbruch gelang ihr jedoch unter Cole Porter mit den insgesamt 675 Vorstellungen als Ninotschka in dem Broadway-Musical ›Seidenstrümpfe‹.
Anfang der 60er Jahre beginnt Hildegard Knef eine zweite Karriere als Chansonsängerin: zum Markenzeichen wird die rauchige Stimme, mit der sie Evergreens wie ›Für mich soll’s rote Rosen regnen‹ intonierte.
Doch immer wieder eckte die Knef in der Öffentlichkeit an – etwa mit ihrer Autobiographie ›Der geschenkte Gaul‹, in der sie (schonungslos offen) über ihre Brustamputation berichtete.
Ihre gescheiterten Ehen (u.a. mit dem Schauspieler David Cameron), ihre permanenten finanziellen Nöte, ihr spät in Erfüllung gegangener Kinderwunsch – ihre gesamte Privatsphäre opferte Hildegard Knef auf dem Altar der Boulevardpresse. Ein Star, der es liebte in den Headlines zu stehen, selbst wenn es Negativschlagzeilen waren.
»Sie war und ist die einzige Deutsche ihrer Generation, die die Welt bewegte«, schrieb die Filmregisseurin Helma Sanders-Brahms in der zuKnefs 75. Geburtstag erschienenen Biografie ›Die Knef‹ von Axel Andree (Langen Müller Verlag).
1998 veröffentlichte Hildegard Knef nach 18-jähriger Pause wieder ein Album mit dem Titel ›17 Millimeter‹, worin sie von ihrer Wahlheimatstadt Berlin und auch vom »Herbst da draußen und in mir« singt. Das klang schon sehr stark nach Abschiedsstimmung, und dazu passte, dass Hildegard Knef bereits einige Jahre zuvor in einem Interview bekannt hatte: »Mein Testament ist seit Jahren geschrieben, liegt fertig im Safe. Ich habe schon genügend Todes-Erfahrungen in meinem Leben gemacht.«
In ihrem letzten Interview, das Johannes B. Kerner mit ihr am 17. Januar 2002 führte, erzählte sie von einer Begegnung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder vor einigen Monaten: »Wir sind uns im Hotel Interconti begegnet. Er wollte mich treffen. Ich sagte ihm, ich hätte eine Bitte: mich deutsche Staatsbürgerin werden zu lassen.«
Diesen Wunsch hat ihr der Regierungschef persönlich erfüllt, ein Jugendtraum der Knef blieb dagegen unverwirklicht: Sie wollte Malerin werden. »Hildegard Knef war eine wunderbare Botschafterin Berlins«, würdigte der damalige Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit, die Allround-Künstlerin.
Am 1. Februar 2002 ist Hildegard Knef, die letzte Diva des deutschen Films, im Alter von 76 Jahren in einem Berliner Krankenhaus an einer Lungenentzündung gestorben.
| PETER MOHR
| Abbildung: Eric Koch for Anefo, Hildegard Knef 254-8439, CC0 1.0
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