Orbital Obliteration, Oida!

Digitales | Games: Dawn of War 2: Retribution

›Dawn of War 2: Retribution‹ ist ein reines Destillat aus Overkill. Angesiedelt im finsteren Universum des Table-Top-Spiels ›Warhammer 40.000‹ kennt der neueste Spross der Reihe Dawn of War nur Eines: Krieg. PETER KLEMENT hat die Kontrolle über einen Schnauzbartträger, einen Haudegen und eine sehr inquisitive Dame übernommen, um die Feinde des Gottimperators in Munition zu begraben.

Dawn of war 2 - RetributionWer glaubt, dass es im Mittelalter finster war, der wird von Retribution schnell eines Besseren belehrt: Dunkle Gottheiten, eine planetenverschlingende Alienrasse und raumfahrende Orkpiraten machen das Leben kurz, blutig und äußerst unkomfortabel. Man kann es sich ein bisschen wie das Weltgericht von Hieronymus Bosch vorstellen, nur im All und um den Faktor Zehn potenziert.

Das Imperium der Menschen ist durch und durch fanatisiert, xenophob und in ständischen Strukturen erstarrt. Obendrein hat die Inquisition das Recht Planeten oder gleich gesamte Sonnensysteme einzuäschern, wenn sie einen Sektor als nicht rettbar einstuft und Subsektor Aurelia hat sich vor kurzem für die totale Auslöschung qualifiziert

The Arrogant, the Homicidal and the Fanatic

Zu Beginn hat man die Qual der Wahl aus sechs Parteien, die sich alle in einem Dreieck aus Mordlust, Arroganz, Fanatismus bewegen. Die Eldar verachten alle niederen Lebensformen, die nicht ihren hohen Stand an Zivilisation erreicht haben. Space Marines sind genetisch manipulierte Fanatiker, die in Kampfrüstungen und Templerrhetorik die Feinde des Gottimperators mit Kettensägenschwertern – ja Kettensägenschwertern – ins Jenseits befördern. Die Kräfte des Chaos setzen sich aus gefallenen Menschen zusammen, die den Einflüsterungen von Dämonen erlegen sind und fortan Blut für den Blutgott und Schädel für den Schädelthron sammeln.

Das klingt alles sehr finster – ist es auch – doch die gnadenlose Überspitzung ist gekonnt inszeniert. Orkpiraten mit dichtem Cockneyakzent suchen reiche Beute und absolut vernagelte Space Marines müssen mit der gepanzerten Nase auf Hinweise des Verrats in ihren eigenen Reihen gestoßen werden.

Besonderen Spaß macht es, die Dialoge zwischen dem arroganten Schnauzerträger Lord General Castor und seiner Entourage zu verfolgen, die aus einem ausgebrannten Sergeant, einer Inquisitorin einem Politkommissar besteht. Es kann schon passieren, dass Gardisten verboten wird, auf den Kopf eines Ungeheuers zu schießen, weil es der gute General gerne als Trophäe an die Wand hängen möchte.

There is no kill like overkill

In ›Dawn of War 2: Retribution‹ fliegen die Fetzen und das liegt nicht nur daran, dass es sowas wie Kleinkaliber erst gar nicht zu geben scheint. Auf Grund der Möglichkeit gefährliche Fernkämpfer mit Nahkämpfern zu binden, kommt es immer wieder zu unschönen Szenen die Kettensägenschwerter, Klauen oder hydraulische Greifer involvieren.

Da werden Fußsoldaten jeglicher Partei von riesigen Kampfmaschinen wie eine Zitrone ausgepresst, zur Sicherheit noch ein oder zwei Mal auf den Boden geschmettert und dann achtlos bei Seite geworfen. Ein 319 Tonnen schwerer Panzer namens »Baneblade« schießt kleinwagengroße Löcher in die Feinde des Imperiums. Andere Fraktionen halten sich gar nicht erst mit mechanischer Kriegsführung auf, sondern bestellen direkt eine ihrer Gottheiten/Erzdämonen auf das Schlachtfeld.

Explosionen reißen Krater in die Landschaft und verteilen das Fußvolk entweder am Stück oder in Stückchen in der Landschaft. Schwere Maschinengewehre, die in diesem Universum konsequenterweise kleine raketengetriebene Geschosse verfeuern, decken das Schlachtfeld großzügig mit Leuchtspurmunition ein. ›Dawn of War 2: Retribution‹ ist visueller Brutalstbombast, den es so im Feld der Strategiespiele kaum ein zweites Mal gibt.

Volle Packung

›Dawn of War 2: Retribution‹ verfügt über sechs spielbare Fraktionen, die jeweils über eine eigene Kampagne verfügen. Unglücklicherweise überschneiden sich die Missionen, wenn man mit einer Fraktion die Kampagne abschließt, hat man – abgesehen von den wechselnden Dialogen und kleinen Änderungen im Verlauf – schon alles gesehen.

Der Mehrspielermodus hingegen bietet viel Abwechslung, dank unterschiedlicher Spielmodi und Spielweise der sechs Parteien. Das Niveau der Konkurrenz ist hoch, auf harte Gefechte und bittere Niederlagen sollte man gefasst sein. Als kleines Schmankerl gibt es zusätzlich einen kooperativen Spielmodus namens ›The Last Stand‹, in dem man mit einem bestimmten Helden und zwei Mitspielern Wellen von Gegnern überstehen muss. Für abgeschlossene Wellen werden Erfahrungspunkte zugeschrieben, mit denen nach und nach neue Ausrüstung freigeschaltet wird.

Wenn das Mutter wüsste …

›Warhammer 40.000‹ lebt gnadenlose Übertreibung ziemlich übertriebener Genrekonventionen. Es ist alles noch finsterer als im finstersten Fantasyroman, die Panzer haben noch ein paar mehr Kanonen, als die verrücktesten Entwürfe der verrückten Waffeningenieure des Ersten Weltkriegs – und von den Leuten, die das Universum bevölkern, will man gar nicht erst sprechen.

Der gnadenlose Overkill macht Spaß. Pathos und Pulp ergeben eine Mischung, der man sich nicht so recht entziehen kann, vermutlich auch deswegen, weil es all das ist wofür einen Mutter immer gewarnt hat: Dämonen, Hünen in Panzerrüstung mit Kettensägenschwertern, Aliens mit sehr, sehr scharfen Klauen und eine in schwarzes Leder gekleidete Inquisitorin mit einem schicken Hut.

Orbital Obliteration, Oida!

| PETER KLEMENT

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Ein deftiges Jambalaya

Nächster Artikel

Nintendos eiserner Griff um die Handheldkrone

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

The Last of Us: Confronting Humanity Through Forced Choices

Digitialspielkultur | Nicolas Deneschau: The Last of Us. Auf der Suche nach Menschlichkeit

In this interview with RUDOLF INDERST, Nicolas Deneschau, author of ›The Last of Us: Auf der Suche nach Menschlichkeit,‹ unpacks the series' polarizing yet powerful storytelling. Deneschau highlights how Naughty Dog's design choice of "constraint" forces players to commit acts they might find detestable, pushing them to reflect deeply on the characters' humanity. He discusses the creative risks that marked Naughty Dog's shift to grim realism, influenced by post-9/11 »post-apocalyptic fiction« and inspirations like Cormac McCarthy's ›No Country for Old Men‹. Discover how Deneschau believes ›The Last of Us‹ transformed video games from vehicles of »fun« into powerful conduits for »emotion«, permanently raising the bar for narrative in the medium by prioritizing memorable, even if divisive, endings.

Spiele, Sex und Social-Media

Digitales | Bert te Wildt: Digital Junkies – Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder Für die meisten ist das Internet schon lange kein Neuland mehr. Ob Mails checken, mit Freunden chatten, ob Online-Game oder Online-Fame durch Instagram – wir sind im Netz. Und zwar täglich. Psychotherapeut Bert te Wildt schlägt Alarm, denn der Grat zwischen tatsächlicher Notwendigkeit des Nutzens und einem Suchtverhalten ist schmal. DANIEL MEYER über ›Digital Junkies – Internetabhängigkeit und ihre Folgen für uns und unsere Kinder‹.

Ungewaschene Götter auf dem Nerd-Olymp

Digitales | Games: Die Most Epic Game Moments der TITEL-Schreiber Digitale Spiele schenken ihren Spielern Geschichten über heroische Momente, Epiphanien und Triumphe über sich und andere. Heute teilen die Autoren des Digitale-Spiele-Ressorts in ›TITEL‹ ihre »Most Epic Gaming Moments« mit uns. Zusammengestellt von PETER KLEMENT

Ein BarCamp für Spielewissenschaftler

Digitales | Interview mit Researching games-Organisator Florian Berger Researching games 2011 ist das erste Barcamp der deutschen Computerspiele-Forschung. Als inoffizielle Gegenveranstaltung zu Recruitments und Messen der Industrie, zu Business- und Developer-Konferenzen wendet es sich besonders an den wissenschaftlichen Nachwuchs aller Disziplinen und versteht sich als Aufbruchsignal und Initialzünder für die Zukunft. RUDOLF INDERST unterhielt sich mit Organisator Florian Berger.

Über den Dächern der Stadt

Digital | Assassin’s Creed Unity und Rogue Mythen und Legenden beflügeln seit jeher die Fantasie der Menschen. Vor allem Fans von Comics, Filmen und Videospielen sehnen sich nach ihrer Verwirklichung. In sogenannten Cosplays können sie ihre Vorstellungen ausleben und nehmen durch aufwendige Kostüme das Aussehen ihrer Lieblingscharaktere und Helden ein. Derart verkleidet versetzte Anfang 2014 ein junger Mann die Stadt Rottweil in Angst und Schrecken. Als ›Kampfmönch‹ verkleidet, turnte er über ein Schulgelände. Reallife Assassin’s Creed. Von FLORIAN RUSTEBERG.