Gesellschaft | James Risen: Krieg um jeden Preis. Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror
James Risen gibt uns erstaunliche Einblicke in die sich seit dem 9. September 2001 ausbreitenden Aktivitäten des Heimatschutzministeriums der USA. Er zeigt Untiefen des Krieges gegen den Irak und beschreibt die neuen politischen Strukturen, die sich seitdem in den USA herausbildeten. Von WOLF SENFF
Aufgrund der immensen finanziellen Mittel des Heimatschutzministeriums hätten sich oligarchische Herrschaftsstrukturen stabilisiert. Risen beschreibt ein makabres, milliardenschweres Zusammenspiel von CIA und Rüstungsindustrie, und wir erhalten viel Einblick in eine im Dunstkreis des amerikanischen Verteidigungsministeriums agierende und von ihm oder vom FBI finanzierte Halbwelt von Söldnern, Desperados und Glücksrittern, übles, verwahrlostes Volk, das weltweit im Kontext amerikanischer Kriege agiert.
›Too big to fail‹
Risen beschreibt Details, die von offizieller Seite ignoriert werden, zum Beispiel die (von privaten Unternehmen) schlampig installierten, für einzelne Soldaten tödlichen Elektroinstallationen der Soldatenunterkünfte in Bagdad. Oder (von privaten Unternehmen entsorgt) große Müllhalden auf Armeegelände, bei deren Verbrennung giftige Dämpfe zu tödlichen Lungenschädigungen führten.
Im Jahr 2008 sei, so Risen, durch David Petraeus, den Oberkommandierenden des US-Militärs im Irak, eine Überprüfung der Elektroinstallationen an sämtlichen amerikanischen Stützpunkten im Irak angeordnet worden. Die Klage einer Mutter gegen die verantwortliche Firma KPR sei 2012 zunächst abgewiesen, 2013 von einer Berufungsinstanz angenommen worden und liege auf Veranlassung durch KPR dem Obersten Gerichtshof zum Urteil vor. Seitens der staatlichen Auftraggeber von KPR habe es keinerlei Konsequenzen gegeben, das gehöre, so Risen, mittlerweile in die Schublade ›Too big to fail‹.
»signature strikes«
Für George W. Bush sei nach 9/11 »die Inanspruchnahme der Gerichte nie eine Option« gewesen, um die Verantwortlichkeiten für das Attentat zu klären. Er habe den globalen Krieg gegen den Terror geführt und privatwirtschaftliche Initiativen, Firmen, Detekteien einbezogen – konsequente Durchführung neoliberaler Politik. Im Irak und in Afghanistan sei »das Heer der Beschäftigten privater Dienstleister« – zwecks Truppenverpflegung bis hin zur Sicherung von Stützpunkten – größer gewesen als die Anzahl der Soldaten der US-Streitkräfte, der Krieg bot eine unerschöpfliche Geldquelle für findige Unternehmer.
Nur logisch, dass auch die Herstellung von Drohnen eine rasante Erfolgsgeschichte war, und schön, dass James Risen uns keine abstrakte Abhandlung vorlegt, sondern – »die neuen Oligarchen« – seine Aussagen stets mit Gesichtern und Personen versieht, in diesem Fall mit Neal und Linden Blue, La Jolla, Ca. Der Einsatz von Drohnen ist riesig expandiert, neuerdings seien »signature strikes« üblich, d.h. Einsätze nicht gegen namentlich bekannte Einzelpersonen, sondern gegen sich verdächtig machende Menschengruppen.
Angst ist gut fürs Geschäft
So ist für wachsende Umsätze gesorgt. »Die reichsten Amerikaner entdeckten, dass die cleverste Art, Geld zu machen, darin bestand, Zugang zum nationalen Sicherheitsapparat Washingtons zu bekommen«. Wo Geld regiert, bleibt die Vernunft auf der Strecke, und James Risen verweist darauf, dass, Kehrseite der Medaille, aufgrund der Drohnenangriffe der Hass auf die USA in den muslimischen Ländern beständig wächst.
»Eine Dekade der Angstmache hat in den USA all jenen Macht und Reichtum beschert, die am geschicktesten darin waren, die terroristische Gefahr aufzubauschen. Angst ist gut fürs Geschäft.«
›Krieg dem Terrorismus‹
Die Arbeit des Heimatschutzministeriums habe sich in den USA massiv ausgewirkt, in einer polizeistaatähnlichen Bürokratisierung des Grenzverkehrs mit Kanada ebenso wie in der durch »Sicherheitsobsession« dominierten Stadtplanung und -gestaltung; das betreffe auch die Architektur einzelner Objekte wie ausgerechnet des neuen ›One World Trade Center‹ in New York. Die USA seien »von einer offenen Gesellschaft in eine zugemauerte Festung verwandelt« worden, und diese Politik sei unter Obama unverändert fortgesetzt worden.
Wesentlichen Anteil daran hätten die mehr oder weniger selbst ernannten Terrorexperten in den Medien, etwa Peter King, Republikaner, der 2011 und 2012 als Vorsitzender des Heimatschutzausschusses Anhörungen zur Radikalisierung der Muslime in den USA durchführte. Der globale Markt für Heimatschutz und öffentliche Sicherheit werde, so eine Prognose, weiterhin wachsen – und bis 2022 einen Umfang von 546 Mrd. Dollar erreichen. Das alles geschehe völlig unbeeindruckt von öffentlicher Kritik und finde unter dem Etikett ›Krieg dem Terrorismus‹ statt.
Titelangaben
James Risen: Krieg um jeden Preis. Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror
(Pay any Price. Greed, Power and Endless War, Boston 2014, übersetzt von Andreas Simon dos Santos)
Frankfurt: Westend 2015
320 Seiten, 17,99 Euro
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