Offener Brief an einen Zuschussverleger

Literatur | Zuschussverlage

Sehr geehrter Herr Dr. Manfred S. Fischer,

in einem Brief vom 25. September 2017 teilen Sie mir auf Geschäftspapier des ›Karin Fischer Verlags‹ in Aachen mit, dass Sie als »Buchverlag mit belletristischem Schwerpunkt« durch Kürschners Literaturkalender (68. Jahrgang) auf mich »aufmerksam« geworden sind und mir »gerne ein Forum« für meine »zukünftigen Publikationsvorhaben bieten möchten«.

BuchstabensturmIch danke Ihnen für Ihre Offerte und erspare Ihnen die Frage, warum Sie erst jetzt auf mich »aufmerksam« geworden sind, denn ich bin schon ein paar Jährchen im Kürschner verzeichnet.
Auch verzichte ich auf die Anmerkung, dass man auf Autoren eher durch ihre Bücher als ausgerechnet durch ein so ödes Verzeichnis wie den Kürschner »aufmerksam« wird, aber es ist ja schön, dass Sie mich dort mit meiner richtigen Anschrift gefunden und zum Gegenstand Ihrer Aufmerksamkeit gemacht haben.

Doch reden wir nicht um den heißen Brei herum, denn Sie sind ja nicht nur – siehe oben – auf mich »aufmerksam« geworden, sondern Sie haben mir sogar etwas zu bieten. »Selbstverständlich prüft unser Lektorat auch gerne völlig unverbindlich für Sie ein neues Buchmanuskript ›aus Ihrer Feder‹ und unterbreitet Ihnen ggf. ein Veröffentlichungsangebot«, heißt es da gleich im ersten Absatz Ihres Schreibens. Nochmals vielen Dank, das hört sich ja großzügig von Ihnen an, dass sie »gegebenenfalls« etwas von mir veröffentlichen würden, mir dazu noch »persönliche Betreuung« verheißen und auf den »hohen Anteil an Literatur- und Kunstpreisträgern« unter Ihren Autoren verweisen. Da müsste ich ja eigentlich mit Freude auf Ihr Angebot eingehen, zumal die »Philosophie« Ihres Hauses, wie Sie weiter schreiben, darin besteht, »grundsätzlich eine erfolgreiche Vermarktung jedes Buches« anzustreben. Auch hier verkneife ich mir die Anmerkung, dass meines Wissens jeder Verlag eine erfolgreiche Vermarktung seiner Bücher anstrebt und dafür keine »besondere« Philosophie braucht.

Aber nehmen wir diesen Punkt nicht so genau, denn in Wahrheit – aber da müssen wir nun ganz genau werden – geht es Ihnen gar nicht um »Philosophie«, nicht um »persönliche Betreuung« und schon gar nicht um mich als Autor, sondern Sie stellen das übliche Geschäftsmodell eines Verlags einfach auf den Kopf: Während von der erfolgreichen Tätigkeit eines seriösen Verlags produktive Schriftsteller unter gewissen Umständen sogar leben können, wollen sie umgekehrt auf Kosten der Autoren leben. So eine Ungeheuerlichkeit – denn genau das ist es – werden Sie vermutlich weit von sich weisen und mich womöglich mit Ihrem Anwalt bedrohen, aber sehen wir uns doch einmal die Fakten genauer an und von Ihren schönfärberischen Verbrämungen ab.

In Ihrem ausgeklügelten Anschreiben senden Sie mir ja nicht nur schöne Worte, sondern Sie haben sogar eine knallharte Offerte für mich. In Ihrer ›edition anthrazit‹, einer ›Buchreihe für Gedichte‹ mit maximal 42 Texten, kann ich demnach für eine »Inverlagnahme« – so Ihr wirklich schöner Ausdruck fürs Handaufhalten – »1.980,- inkl. 19 % MwSt« einzahlen und erhalte dafür nach Ihren weiteren Angaben 300 Exemplare des schmalen Bändchens, dessen Ladenpreis € 9.80 betragen soll. Nur so nebenbei: 300 Exemplare von einem dünnen Gedichtbändchen, ist so etwas überhaupt sinnvoll? Jeder wirklich erfahrene Lyriker würde Ihnen sagen, dass eine derart hohe Anfangsauflage unter den gegenwärtigen Umständen äußerst schwer abzusetzen wäre. Ist das, was Sie mir da offerieren, nun also irreführend, scheinheilig oder einfach nur dreist?

Ein Faktencheck besagt Folgendes: Eine seriöse Druckerei wie Hohnholt in Bremen berechnet für ein Bändchen in der von Ihnen benannten Ausstattung, Seitenzahl und Auflage von 300 Exemplaren genau 652,16 €, also nur ein Drittel dessen, was Sie gern von mir hätten, wenn ich mit Ihnen ins für Sie lukrative Geschäft käme. Da müsste ich ja ganz schön blöd sein, wenn ich meine Gedichtdateien nicht gleich zu Hohnholt schickte, sondern Ihnen anvertraute und dafür den dreifachen Preis überwiese.

Nun werden ja nicht alle Autoren, auf die Sie im Kürschner »aufmerksam« geworden sind, deren Anschriften Sie aber in Wahrheit dort einfach nur herausgefischt und mit Ihren Angeboten beglückt haben, über preiswerte Druckereien informiert sein und mithin auf Ihre Offerten möglicherweise sogar eingehen. Von denen können Sie also – was ich oben behauptet habe – wirklich anständig leben, denn Ihre Buchreihe ›edition anthrazit‹ soll nach Ihren eigenen Angaben ja »beliebt« sein, offenbar bei den einzahlenden Autoren. Wenn die für jeden Band dieser Reihe rund 2.000 € berappen, Sie als Verleger aber für die Herstellung eines solchen Bändchens bedeutend weniger – nach meiner Rechnung ja nur ein Drittel des Betrags – aufbringen müssen, dann bleibt bei Ihnen ja so einiges an Barem hängen, eine feine Sache aus Ihrer Sicht.

Aber lassen wir alle falsche Rücksicht fahren und reden Klartext: Was Sie mir – und sicher zahlreichen anderen Autoren – in Ihrem Schreiben vom 25. September anbieten, ist nichts anderes als das – sagen wir mal Täuschen, um von unschöneren Ausdrücken abzusehen – von uninformierten Naivlingen, die um jeden Preis ein eigenes Buch haben wollen. Die GmbH Karin Fischer ist mit anderen Worten kein seriöser Verlag, der selbst gewisse finanzielle Risiken bei der Vermarktung seiner Büchern eingeht, sondern Sie sind ein Zuschussunternehmen, das auf Kosten von Autoren lebt, die ihren Ehrgeiz mit einer Buchpublikation befriedigen wollen und dafür viel Geld zu zahlen bereit sind.

Im Interesse von Schriftstellern, bei denen Sie schon in der Vergangenheit mit Ihren Angeboten erfolgreich waren und von deren Zuschüssen Sie weiterhin leben wollen, zeige ich Ihnen hiermit die Rote Karte und verweise Sie vom Spielfeld des seriösen Verlegens!

Mit Gruß

| PETER ENGEL

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