/

Vom Traum, ein Rebell zu sein

Menschen | Zum Tod des oscar-gekrönten Regisseurs Milos Forman

»Ich finde es schrecklich, wenn Regisseure denken, sie würden etwas wahnsinnig Wichtiges kreieren. Hey, Leute, es ist nur ein Film! Macht euch locker!«, hatte Milos Forman vor zehn Jahren in einem FAZ-Interview erklärt.
Seine bewegte Vita war prägend für sein künstlerisches Schaffen. Der Oscar©-gekrönte Regisseur machte keinen Hehl daraus, dass sein Lebenslauf und sein künstlerischer Erfolg in ursächlichem Zusammenhang stehen. Ein Porträt von PETER MOHR.

Miloš Forman»Ich habe immer davon geträumt, etwas Rebellisches zu tun, aber ich hatte nicht den Mut dazu. Also waren diejenigen, die sich trauten, meine Helden. Das ist ganz natürlich, wenn man rund 40 Jahre unter totalitären Regimes gelebt hat – zuerst unter den Nazis und dann unter den tschechischen Kommunisten«, berichtete Forman rückblickend.

Dieses Bekenntnis war keine Fassade, denn Forman hatte unter den unmenschlichen Diktaturen gelitten. Mit neun Jahren verlor er seine Eltern, die im Konzentrationslager starben. In einem Internat kam der Waisenjunge erstmals mit dem Film in Berührung. Buster Keaton, Charlie Chaplin und John Ford hatten es ihm angetan. Der Weg zur Prager Filmhochschule schien vorgezeichnet zu sein. Nach seiner Diplom-Prüfung versuchte er sich zunächst als Drehbuchautor, doch schon Anfang der 60er Jahre wechselte er hinter die Kamera.

Schon mit seinen ersten in der Tschechoslowakei gedrehten Filmen ›Der schwarze Peter‹ (1963) und ›Die Liebe einer Blondine‹ (1965) eckte er bei den kommunistischen Machthabern an. Als 1968 die russischen Panzer in Prag einrollten, befand sich Forman, der am 18. Februar 1932 in Caslav (60 km von Prag entfernt) geboren wurde, in Paris. Er kehrte kurz in die Heimat zurück und siedelte dann in die USA über.

Doch seine Karriere in Übersee begann mit einem Flop – die Generationssatire ›Taking off‹ (1971) fand bei den Kritikern (ausgezeichnet beim Filmfestival in Cannes), nicht aber beim Publikum Zustimmung.

Vier Jahre später gelang dann der große Durchbruch mit seinem heute noch bekanntesten Film ›Einer flog über das Kuckucksnest‹ nach dem Roman von Ken Kesey. Fünf Oscars© heimste der Film ein, darunter auch den für die beste Regie.
Der Filmversion des Musicals ›Hair‹ (1979) folgte 1984 der zweite große Wurf, der in Formans tschechischer Heimat gedrehte Film ›Amadeus‹, der mit insgesamt acht Oscars© prämiert wurde.

Milos Forman ließ sich im Gegensatz zu vielen Branchenkollegen von den Produzenten nie von Film zu Film hetzen. Er wählte die Drehbücher immer sorgfältig aus, folgte dabei seinen eigenen Vorlieben und ignorierte oft das zeitgeistabhängige Publikumsinteresse.

›Valmont‹ (1989) und die provokante Filmbiographie ›Larry Flynt – Die nackte Wahrheit‹ (1996) wurden trotz renommierter internationaler Auszeichnungen keine Kassenschlager. 1999 inszenierte Forman ›Der Mondmann‹ (ausgezeichnet mit dem Silbernen Berliner Bären für die beste Regie) mit Jim Carrey in der Hauptrolle. Wieder ein hochgelobter, aber an den Kinokassen kaum gefragter Streifen. Nicht viel besser erging es ihm mit seinem letzten Film ›Goyas Geister‹ (2006).

Auch die in die Filmwelt eingezogenen neuen Technologien bereiteten Milos Forman einiges Kopfzerbrechen: ›Als ich zum ersten Mal an einem digitalen Schneidetisch saß, war ich total nervös: Ich hatte das Filmmaterial nicht physisch vor mir; es gab nichts, was ich berühren konnte.‹

Der große Enthusiasmus des Regisseurs war verflogen – auch wegen der letzten Misserfolge, die Forman so begründete: »Das US-Publikum hat seine Schwierigkeiten, wenn es ambivalent zugeht. Es mag Schwarz-Weiß-Malerei, aber mit grauen Schattierungen hat es so seine Probleme.« Diesem kommerzorientierten Einheitsbrei hatte Milos Forman immer die Gefolgschaft versagt. Das machte auch seine Größe aus. Am Freitag ist Milos Forman im Alter von 86 Jahren im Kreis seiner Familie im US-Bundesstaat Connecticut gestorben.

| PETER MOHR
| Abbildung: Zff2012, Milosforman, crop, CC BY-SA 3.0

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Chemistry Lessons And BrainFogs: New Album Reviews

Nächster Artikel

Nuancen einer Liebe

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Der Spion aus der Kälte

Menschen | Zum Tod von John le Carré

»Dank meinem Vater, einem Hochstapler und Betrüger, war ich schon in meiner Kindheit mit dem verführerischen Charme der kriminellen Welt vertraut und genötigt, mir für mein Leben ein moralisches Konzept zurecht zu schnitzen«, bekannte David John Moore Cornwell 2011 in einem Interview mit der ›Neuen Zürcher Zeitung‹. Von PETER MOHR

Deutsch-deutscher Grenzgänger

Menschen | Vor 25 Jahren starb der Schriftsteller und ›Liebling Kreuzberg-Schöpfer‹ Jurek Becker (14. März)

Sein Lebensweg hätte reichlich Stoff für einen Roman hergegeben, für ein opulentes Erzählwerk, das zwischen Tragödie und Komödie changiert. Eine Vita, in der sich noch Spuren der Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs wiederfinden und die vom Grenzgang zwischen den beiden deutschen Staaten geprägt ist. Die Rede ist vom Schriftsteller und Drehbuchautor Jurek Becker. Ein Porträt von PETER MOHR

Aufbruch in den Favelas

Menschen | Adrian Geiges: Brasilien brennt Die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China firmieren als »Schwellenländer«. Adrian Geiges hat Erfahrung mit diesen Staaten, er berichtete jahrelang aus China und Russland, gegenwärtig lebt er in Brasilien. Sein neues Buch Brasilien brennt enthält Reportagen, die er gelegentlich mit seiner Arbeit für deutsche TV-Anstalten verknüpft. Er wirft einen Blick auf den Confederation Cup 2013 – der Fußball-Sommer 2014 wirft seine Schatten voraus. Im Mittelpunkt steht für ihn jedoch die Begegnung mit den Menschen. Von WOLF SENFF

Schlagzeilenträchtiges Leben

Menschen | 100 Geburtstag von Norman Mailer

»So früh berühmt zu werden, war das Schlimmste, was einem jungen Autor passieren konnte«, resümierte Norman Mailer (durchaus zutreffend) im Rückblick. Gerade 25 Jahre alt war er, als die Veröffentlichung seines weltberühmt gewordenen Debütromans ›Die Nackten und die Toten‹ (1948) ein ungeheures öffentliches Interesse an seiner Person auslöste. Nach dem Harvard-Studium, einem kurzen Abstecher an die Sorbonne und zwei Jahren Militärdienst im Südpazifik (aus diesen Erfahrungen entstand sein überaus erfolgreicher und mehrfach verfilmter Erstling) stand Norman Mailer wie kaum ein anderer US-Autor dieser Zeit im Rampenlicht der Öffentlichkeit. »Ich wusste, dass es eine Sache gibt, die ich wirklich will - und das war zu schreiben«, hatte Mailer einmal sein Credo beschrieben. Von PETER MOHR

Schuld ist ein Lebensthema

Menschen | Zum 75. Geburtstag des Schriftstellers Bernhard Schlink am 6. Juli »Schuld ist ein Lebensthema. Es ist nicht das Lebensthema, und es ist auch nicht das Thema meiner Bücher, sondern nur eines«, erklärte Bernhard Schlink vor einem Jahr in einem Deutschlandfunk-Interview. Kein Wunder, da sich versierter Jurist und passionierter Erzähler irgendwann in der Person Schlink getroffen haben. Ein Porträt von PETER MOHR