/

Schlagzeilenträchtiges Leben

Menschen | 100. Geburtstag von Norman Mailer

»So früh berühmt zu werden, war das Schlimmste, was einem jungen Autor passieren konnte«, resümierte Norman Mailer (durchaus zutreffend) im Rückblick. Gerade 25 Jahre alt war er, als die Veröffentlichung seines weltberühmt gewordenen Debütromans ›Die Nackten und die Toten‹ (1948) ein ungeheures öffentliches Interesse an seiner Person auslöste. Nach dem Harvard-Studium, einem kurzen Abstecher an die Sorbonne und zwei Jahren Militärdienst im Südpazifik (aus diesen Erfahrungen entstand sein überaus erfolgreicher und mehrfach verfilmter Erstling) stand Norman Mailer wie kaum ein anderer US-Autor dieser Zeit im Rampenlicht der Öffentlichkeit. »Ich wusste, dass es eine Sache gibt, die ich wirklich will – und das war zu schreiben«, hatte Mailer einmal sein Credo beschrieben. Von PETER MOHR

Ein Foto des jungen Norman Mailer aus dem Jahr 1948Bedeutende Zeitungen buhlten um die Gunst des literarischen Emporkömmlings, der allerdings seinen immensen Bekanntheitsgrad schon Mitte der 1950er Jahre einsetzte, um mit der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft abzurechnen. Mailer, der am 31. Januar 1923 in Long Branch (New Jersey) als Sohn eines jüdischen Revisors geboren wurde und in Brooklyn aufwuchs, schockierte die Öffentlichkeit mit seinem Hollywood-Roman ›Hirschpark‹ (1955), in dem die Glanz- und Glimmerwelt wie ein Psychopathen-Zoo karikiert wird, und bissigen Zeitungskolumnen, in denen er der amerikanischen Gesellschaft faschistoide Grundzüge attestierte.

Die öffentlichen Angriffe gegen den renommierten Autor nahmen immer mehr zu, und der nach außen hin so hartgesottene Rebell verstand es nicht, mit Kritik umzugehen. Prügeleien, Alkohol- und Drogenexzesse waren die Folge. Im November 1960 stach Norman Mailer gar mehrfach mit einem Messer auf seine damalige Ehefrau Adele (die zweite von insgesamt sechs) ein. Einer Verurteilung entging der Autor nur dadurch, da das Opfer sich »nicht mehr erinnern konnte.« (nachzulesen in – Adele Mailer: ›Die letzte Party‹, Piper Verlag 1998)

Das ist die andere Seite des zweimaligen Pulitzer-Preisträgers, der privat das exzessive Leben an der Seite anderer Promis wie Montgomery Clift, Marilyn Monroe, James Baldwin oder Truman Capote schätzte.

Seine streitbare These, dass jede Gesellschaft von Sex und Gewalt inspiriert sei, findet zumindest durch das eigene, ausschweifende Leben ihre Bestätigung. Nachdem er mit ›American Dream‹ (1965) und ›Heere aus der Nacht‹ (1968/mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet) noch zweimal literarisch auf sich aufmerksam machte, stand er später zumeist nur noch als Zielscheibe öffentlicher Kritik im Mittelpunkt. Dies begann schon in den 1960er Jahren, als Mailer einer der Protagonisten der Anti-Vietnam-Bewegung war, und setzte sich 1972 nach seinem vehementen Angriff gegen die US-Feministinnenbewegung (›The prisoner of sex‹) fort.

Nur noch einmal konnte sich Mailer literarisch eindrucksvoll zurückmelden – mit seinem 1979 erschienenen, abermals mit dem Pulitzer-Preis dekorierten ›Lied vom Henker‹, in dem er das Leben des Doppelmörders Garry Gilmore nachzeichnete. Später produzierte er wahllos literarische Massenware, weil er von den Verlagen Millionenbeträge als Vorschüsse eingestrichen hatte und dann aus kommerziellen Gründen zu neuen Publikationen förmlich genötigt wurde.

Auch sein letzter Roman ›Das Schloss im Wald‹ (2007) war von künstlerisch dürftigem Kaliber. Mailer unternahm darin den Versuch, die Wurzeln des Bösen in der Natur von Adolf Hitler zu ergründen.

Norman Mailer, der wegen seiner öffentlich ausgetragenen Privatfehde mit US-Präsident George Busch in den Medien in seinen letzten Lebensjahren häufig als »Enfant terrible« der amerikanischen Literatur bezeichnet wurde, ist am 10. November 2007 in einem New Yorker Krankenhaus im Alter von 84 Jahren an Nierenversagen gestorben. Ein Image, mit dem er gern gelebt hatte.

| PETER MOHR
| Foto: Carl Van Vechten creator QS:P170,Q312851, Norman Mailer 1948 (cropped), als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

(K)ein Problemesel

Nächster Artikel

Besonderer Comic, tosender Applaus

Weitere Artikel der Kategorie »Menschen«

Egotrip mit Kulissen

Menschen | Andreas Altmann: Verdammtes Land Palästina und die Palästinenser erleben augenblicklich einen Boom. Zahlreiche Bücher und Medienberichte sprechen plötzlich aus, was zumindest in Deutschland und auf Deutsch lange Zeit tabu gewesen war. So wichtig und begrüßenswert das ist, so liegt doch ebenso auf der Hand, dass nicht alle Resultate eines Booms befriedigend ausfallen. Gerade hat der bekannte Reisejournalist Andreas Altmann seine Sicht der Dinge unter dem Titel ›Verdammtes Land‹ veröffentlicht. Von PETER BLASTENBREI

Thinking Of Yesterday’s Tomorrows: An Interview With Moomin

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world Berlin based artist Moomin has, over the years, been responsible for some of the finest moments to grace a dance floor. Best known for releases on labels such as Smallville, Fuck Reality, Aim and his own Closer imprint, Sebastian Genz is a producer who’s music is emotive, thoughtful and funky as hell. By JOHN BITTLES

Offen sein für Erschöpfung

Menschen | Zum 85. Geburtstag des Schriftstellers Günter Herburger am 6. April »Man offen sein muss für Erschöpfung. Ich bin in diese Erschöpfung hineingelaufen, es kam der zweite Wind, und ich dachte: Was ist das?«, erklärte der Schriftsteller Günter Herburger einst seine ersten Leidenserfahrungen beim Marathonlauf. Von PETER MOHR

Und sie bewegt sich doch?

Gesellschaft | Wolfgang Streeck: Aufsätze und Interviews, 2011-15 Wolfgang Streeck ist ein renommierter Soziologie, bis Oktober vergangenen Jahres leitete er das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Ende der neunziger Jahre war er an der Vorbereitung der Schröderschen Agenda 2010 beteiligt, er wirkte aktiv an der Politik sozialer Kürzungen mit. Von WOLF SENFF