//

Auswahlverfahren mal anders

Bühne | Die Grönholm-Methode

Vier Bewerber, alle sehr unterschiedlich in ihren Ansichten und Positionen, vollführen ihre Rolle auf der Bühne. Sven (Leonard Berscheid); Janet (Sabrina Gabriel); Nora (Isabel Jakob) und Chris (Malù Willem) kämpfen in der Endrunde eines Auswahlverfahrens um eine attraktive Managerposition. Dabei müssen sie einige Hindernisse überwinden und stoßen sowohl auf ihre Grenzen der Belastbarkeit als auch der Menschlichkeit an sich. Von JENNIFER WARZECHA

Drei Personen, von denen man nur die Beine sieht, sitzen auf drei Stühlen in einer ReiheErstere wird schon in der ersten Runde der Aufgaben, die ihnen im Bewerbungsverfahren gestellt wird, hart auf die Probe gestellt. Einer der Vier soll in Wirklichkeit ein Vertreter der Personalabteilung der Firma sein, bei der sich alle bewerben. Misstrauen ist vorprogrammiert.

Nora ist die Einzige, die nicht verrät, bei wem sie wirklich vor ihrer Bewerbung gearbeitet hat. Für Erstaunen sorgt Chris, die verrät, dass sie sich einer Hormonbehandlung und eventuellen Geschlechtsumwandlung unterziehen möchte. Janet fühlt sich davon irritiert und es kommt heraus, dass beide Frauen auch einmal eine Beziehung miteinander hatten. Chris wird damit konfrontiert, dass sie aufgrund ihrer anders empfundenen Geschlechtsidentität von den anderen nicht akzeptiert und eingestellt wird. Sie wehrt sich buchstäblich mit Händen und Füßen dagegen. Sie tritt Sven mit Händen und Füßen. Dieser wird selbst zum Angriffspunkt im Bewerberspiel, kommt in den Gesprächen doch heraus, dass er seine wahre Identität ebenfalls verschleiert. So stellt sich heraus, dass er nicht verheiratet ist, aber einen homosexuellen Bruder und ein uneheliches Kind hat, sowie die Mutter des Kindes gegen ihn klagt.

Bei den sich anschließenden Aufgaben werden die Bewerber weiterhin auf die Probe gestellt, angeleitet durch KI-Stimme und -gesicht. Janet erfährt angeblich im Bewerbungsgespräch, dass ihre Mutter gestorben ist. Sie spielt das Spiel weiter, bis am Ende herauskommt, dass sie allen was vorgemacht hat und zur Chefin des Spiels wird, sowie das Kommando ganz klar übernimmt.

So ist das Ganze einerseits Ausdruck dessen, welche fairen und unfairen Methoden es in Bewerbungsverfahren geben kann, aber auch über die Frage, wie gesellschaftliche Sichtweisen, wie eine Künstliche Intelligenz, die die Bewerber wahrlich herumkommandiert, Teil eines Bewerbungsprozesses werden. Diesen entscheiden am Ende dann doch die Menschen aus ihren Bedürfnissen und Verhaltensweisen heraus für sich – unabhängig von ihrer geschlechtlichen Identität.

Isabel Jakob, Malù Willem, Leonard Berscheid, Sabrina Gabriel (v.l.n.r.)

Hintergrund

Michael Hewel, der Regisseur des Stückes, betonte, dass man die Komödie von Jordi Galceran, unter der Produktionsleitung von Carsten Thein, das seine Uraufführung bereits im Jahr 2000 hatte, stets den aktuellen Entwicklungen anpasse und stark gekürzt habe. Auch dieses Mal ist die Fassung des Jakobus Theaters überaus gelungen!

| JENNIFER WARZECHA
| Abbildungen: www.herrliche-fotografie.de

Titelangaben
Jakobus-Theater Karlsruhe
Die Grönholm-Methode
Komödie von Jordi Galceran
Regie: Michael Hewel

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Zwölf Wochen

Nächster Artikel

Vermischte, vielschichtige Welt

Weitere Artikel der Kategorie »Bühne«

Die Frage nach der Erlösung

Bühne | Richard Wagners ›Parsifal‹ am Badischen Staatstheater Karlsruhe »Genie oder Wahnsinniger?« Dies ist sicherlich eine der ersten Fragen, die man sich als Wagner-Interpret stellt. Vor allem, wenn man nicht nur sein Werk selbst betrachtet, sondern auch Wagners eigene Bekundungen über das Werk hinaus. Der Wunsch nach einem Gesamtkunstwerk, resultierend aus der Verbindung von Musik, Text und Schauspiel, samt entsprechender Dramaturgie und künstlerischer Inszenierung, steht auf der einen Seite. Auf der anderen Seite steht der Wunsch danach, die übersinnliche und die realistisch erfahrbare Welt zu verändern. Wagner – ein religiöser Erneuerer oder ein Spinner? Von JENNIFER WARZECHA

»Sex, drugs and Rock ‚n‘ Roll« oder: »The times they are a-changin‘«

Bühne | Badisches Staatstheater Karlsruhe: Dylan – The Times they are a-changin’ Er gilt als eine der schillerndsten Figuren der Rockgeschichte und einer der musikalischen Heroen des 20. Jahrhunderts, Robert Allen Zimmerman, besser bekannt als Bob Dylan. Genauso wie er an der Spitze vieler Protest- und Widerstandsbewegungen stand, genauso – musikalisch und in seiner Lebensfülle bewegend – abwechslungsreich verlief die Karriere des mittlerweile über 70jährigen bisher. Egal, ob er die Richtung seiner Songs – vom Folksong bis hin zur Protestballade, vom Rocksong bis hin zu fast schon missionarisch anmutenden Liedern änderte, stets hat er seine Fangemeinde begeistert und hält sie

Ist ja alles so schön bunt hier

Bühne | ›Peer Gynt‹ von Henrik Ibsen in der Inszenierung von David Bösch im Residenztheater München Theatereffekt, Theatereffekt, Theatereffekt und turbulente Komik mitten im Wald. ›Peer Gynt‹ von Henrik Ibsen in der Inszenierung von David Bösch im Residenztheater München – TINA KAROLINA STAUNER war dabei.

Ein ganz normaler Tag

Bühne | Alltagsmonologe im Theater das Zimmer

Was haben eine deutsch-türkische Haushaltshilfe, Badekugeln und ein Männerwochenende gemeinsam? Den Verwandlungskünstler Dominik Velz. Von MONA KAMPE

Zwischen Sein und Nicht-Sein, Wunsch und Wirklichkeit

Bühne | E.T.A. Hoffmann: ›Der goldne Topf‹

Die Frage nach den Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten, den Anforderungen der Gesellschaft und auch sich selbst gerecht zu werden, stellt sich dem Menschen nicht nur im noch recht jungen Jahr 2020. Bereits in der Romantik schuf E.T.A. Hoffmann (24. Januar 1776-25. Juni 1822) das Werk ›Der goldne Topf‹. Dieses trägt nicht umsonst den Untertitel ›Ein Märchen aus der neuen Zeit‹, spielen doch sowohl die Motive der Romantik wie die »Blaue Blume« als auch die Abwechslung von Mystik und Realität eine Rolle. Von JENNIFER WARZECHA