Eigentlich mag man es kaum glauben: drei Mädchen gewinnen einen Wettbewerb in Bourg-en-Bresse. Es geht um Gold, Silber und Bronze im Hässlichkeitswettbewerb »Wurst des Jahres«. Was eigentlich zu Wut und Verzweiflung führt, wird hier zu Wut, Solidarität und einer coolen Aktion, freut sich ANDREA WANNER.
Mireille stellt auf Facebook fest, dass sie in diesem Jahr – nach Gold im Vorjahr – nur Bronze gewonnen hat. Aber ihr größter Fan schreibt: »Die Konkurrenz war hart, aber Mireille Laplanche bleibt für mich die unangefochtene Wurst-Königin. Ihr fetter Schwabbelhintern, ihre Hängebrüste und ihre Kartoffelnase werden uns für alle Zeiten im Gedächtnis bleiben.« Malo war Mireilles bester Freund im Kindergarten, irgendwann hat er sich den attraktiveren Mitschüler*innen zugewendet, Mireille zunächst ignoriert und ihr dann auf diese oberfiese Weise zugesetzt. Mireille trägt es mit Fassung, stellt sachlich die mangelnde Attraktivität ihrer Konkurrentinnen fest und dann treffen sich die drei das erste Mal. Mireille, Astrid und Hakima beschließen gemeinsam nicht nur, sich nicht unterkriegen zu lassen, sondern planen außerdem eine Radtour nach Paris in den Sommerferien. Dort wollen sie die große Party im Élysée-Palast am Nationalfeiertag crashen – jede aus ganz eigenen Motiven.
Die Erlaubnis bekommen sie schließlich von den Eltern, weil Kader, Hakima erwachsener Bruder, der im Rollstuhl sitzt, sie begleitet. Und finanzieren wollen sie die Reise – nicht ganz ohne Ironie – mit einem Würstchenverkauf unterwegs. Sie fahren los und radeln von einer Überraschung in die nächste.
Der Jugendroman von Clémentine Beauvais ›Die Königinnen der Würstchen‹ erschien bereits 2017, ausgezeichnet mit dem LUCHS und nominiert für den Buxtehuder Bullen und den Prix des lycéens allemands. Jetzt hat Magali Le Huche aus dem Raodtrip eine geniale Graphic Novel gemacht. Sympathisch setzt sie die 15-jährige, leicht übergewichtige Mireille, die verstörte 16-jährige Astrid die erst seit einem Jahr in Bourg-en-Bresse wohnt und vorher auf einer katholischen Schwesternschule war, und die jüngst, die erst 12jährige Halima in Szene. Ironisch, witzig, mit vielen Schlägen unter die Gürtellinie verfolgt man die Story, fassungslos die Hasskommentare auf Insta und staunt, wie viel Zusammenhalt und ein gesundes Selbstbewusstsein bewirken können.
Niemand muss sich einem Schönheitsideal beugen, das nur auf Äußerlichkeiten setzt. Den eigenen Weg zu finden, zu widersprechen, und gerade als junge Frauen und Mädchen zusammenzuhalten, ist viel wichtiger als alles andere. Chaos, Durcheinander, Widersprüche: Wer das aushält und Freund*innen hat, die einer oder einem zur Seite stehen, hat schon – fast – gewonnen.
Also treten die drei – bzw. vier – in die Pedale, scheuen kein schlechtes Wetter, keine Radpannen, keinen wundgescheuerten Po. Alles nach dem Motto »hinfallen – aufstehen – Krone richten – weitergehen!«. Das muss man miterleben, Seite für Seite, um schließlich mit dem Dreamteam in Paris anzukommen – und ein weiteres Mal zu staunen!
Titelangaben
Magali Le Huche: Die kleinen Königinnen
(Les Petites Reines, 2023)
Nach dem Roman von Clémentine Beauvais »Die Königinnen der Würstchen«, 2017
Aus dem Französischen von Annette von der Weppen
Handlettering von Michael Hau
Berlin: Reprodukt 2025
156 Seiten, 29 Euro
Jugendbuch ab 13 Jahren