Es ist einer jener Begriffe, der viel, viel Raum für Deutung, für Definition, für Ansichten lässt. Genug Spielraum also, um auf 360 Seiten Aspekte aufzuzeigen, Gedanken anzuregen, eigene Positionen zu beziehen. Heimat, was ist das eigentlich, wo könnte das sein? BARBARA WEGMANN hat in dem spannenden Buch geblättert.
Ok, es gibt natürlich Menschen, für die liegt die Heimat ganz weit weg, Flüchtlinge haben ihre Heimat verloren, andere fahren jedes Jahr im Urlaub in ihre eigentliche Heimat, wieder andere sind aus unterschiedlichsten Gründen heimatlos und auf der Suche nach eben dieser, nach einem Halt, einem Zuhause, einem Ort der Geborgenheit. Gehen wir auf die Suche nach dem gemeinsamen Nenner, dem Gefühl, das den verschiedensten Ansichten von HEIMAT zugrunde liegt. Gehen wir auf die Suche nach diesem „warmen Gefühl“. Schon das Vorwort macht Vorschläge: ist es ein Ort des Geborgenfühlens, dort wo man geboren ist, wo man den Dialekt der Kindheit spricht, die gewohnte Landschaft, der „Duft der Kindheit“, der nie wieder loslässt, wer weiß, vielleicht ist es ja auch die „Lieblingskneipe um die Ecke“. Eines, so sind sich die Autoren dieses wunderbar gestalteten Buches einig, haben die Vorschläge gemeinsam: „Heimat ist nicht nur ein Ort, sondern ein Gefühl“. Und so machen sie sich auf, heimatverdächtige Orte in Deutschland zu finden.
Fangen wir doch mal in Ostfriesland an. Ob ein Ostfriese einem Alpenländler erklären kann, warum er nie tauschen wolle? „Erstmal en Koppke Tee“ würde er sagen und dem Bergfan von Schiffen, von Wellen, Stürmen, Krabben und jenem Landstrich erzählen, wo man mittwochs schon sieht, wer sonntags zu Besuch komme, wie man so schön das flache Land beschreibt. „Numme net huddle“ würde der Freiburger antworten, der Bayer sagte ein freundliches „Griaß Eane“ und mit dem Blick aufs herrliche Bergpanorama prosten sich vielleicht Ostfriese und Bayer und Freiburger zu: „S’Glas in de’Hond, zum Wohl mitnond!“ Würden sie tauschen? Der aus dem Norden sucht eine neue Heimat im Süden und der aus dem Süden tauscht sein Heimatgefühl gegen nordisch etwas unterkühlte, nicht weniger tiefe und herzliche Heimatgefühle? Wer weiß, und außerdem, manchmal geht das Leben eigene Wege, der Beruf zwingt zu neuer Heimatsuche, Beziehungen rufen von Ost nach West oder umgekehrt. Aber ein Stück Heimat, das so ganz eigene Gefühl, das behält jeder im Herzen, zumindest wird mir das klar nach der Lektüre des Buches. Da war doch etwas…
Es sind die auffälligen Besonderheiten der Orte, sie präsentiert der Bildband, locker aufgemacht, viele Aspekte berücksichtigend, anschaulich bebildert und vor allem sehr anregend. Die Orte haben viel zu tun mit atemraubenden Aussichten, der Bewunderung alter Traditionen und Stadtbildern, so vielen Orten in der Natur, die für viele Menschen heimatlich anmuten, geselligen oder kulturellen Orten, die man immer wieder gern aufsucht, man kennt sich aus, fühlt sich zu Hause, Heimat.
Wer weiß, vielleicht sollte man ja doch die Heimat der Anderen einmal besuchen. Und so wird aus dem besonderen Heimatbuch auch eine Sammlung von Reisevorschlägen in Deutschland, aber eben gar nicht touristisch, es ist eher eine „emotionale Reise“, die überaus angenehme Weise dem Begriff Heimat den altbackenen Staub wegwischt und alles andere als auch nur im weitesten Sinne politische Bezüge nimmt. Den dort so falsch und manipulativ gebrauchten Begriff findet man in diesem Buch nicht. Gut so! Die Interpretation des Begriffes Heimat in diesem Buch, sie begeistert tatsächlich!
| BARBARA WEGMANN
Titelangaben
Rita Henss, Stefanie Schuhmacher: Heimat Deutschland
Ein Gefühl, das mehr ist als ein Ort
München, KUNTH Verlag 2025
360 Seiten, 39,95 Euro

