Zwei Kochbücher, ganz unterschiedlich, jedes auf seine Weise absolut spannend und attraktiv, und: Das eine Buch kann man auch gut für das andere gebrauchen, denn was wären Tapas und Mezze ohne Kräuter und Gewürze? Von BARBARA WEGMANN
Gibt es eine schönere Art des gemütlichen, gemeinsamen Essens, als einen Tisch voller kleiner Schalen und Töpfe, gefüllt mit Leckereien und köstlich Duftendem, warmen und kalten Kleinigkeiten? »Diese Art des Essens und Genießens schafft in mir ein richtiges Wohlgefühl, man kommt zusammen, plaudert und nimmt sich hier und da eine Kleinigkeit.« Das sei ein Stück Lebensgefühl, sagt die Autorin im Vorwort, dem kann ich mich nur anschließen. Diese Art des Essens verspricht auf jeden Fall einen langen, genussreichen und gemütlichen Abend. Probieren sie es aus, die Angebote in diesem Buch sind vielfältig, einfach nachzumachen und absolut lecker.
Dieses Buch vereint gleich zwei Küchen miteinander, die südländische Tapas-Küche aus Spanien mit orientalischen Mezze-Köstlichkeiten, den Tapas aus dem östlichen Mittelmeerraum sozusagen. »Das Beste aus beiden Küchen auf einem Tisch«. Eine tolle Idee zumal, darauf weist Susann Kreihe hin, in beiden Kulturen es nicht ums Sattessen gehe, sondern um das gemeinsame Genießen und Zusammensein. Eine Lebensart, von der wir uns zunehmend gern eine Scheibe abschneiden.
Ob Mezze oder Tapas, da kommt viel Regionales auf den Tisch, Fisch und Meeresfrüchte, Fleisch und viel frisches Gemüse, alles reich an Gewürzen und geheimen Zutaten, Tapas und Mezze, hin oder her, feste Rezepte gibt es eigentlich nicht, immer wieder wird man erstaunt sein über regionale Variationen und ganz besondere Familienrezepte.
»Papas arrugadas con Mujo verde y Mujo rosso«, natürlich wissen Tapas-Kenner sofort, dass es sich um die leckere Kartoffel in Salzkruste mit grüner und roter Sauce handelt. Auch die Kartoffeln mit Knoblauch-Mayonnaise, die Tortilla, eingelegte Champignons oder der Gemüsekuchen Coca, all das sind den allermeisten keine unbekannten Rezepte, aber: Bei dem einen oder anderen Rezept gibt es sie hier mit beigefügten Varianten. So schmeckt die Coca auch mit Spinat und Rosinen oder mit Chorizo mit Zwiebeln. Insgesamt bietet das Tapas-Kapitel zu Beginn also nicht allzu viel Neues, ist aber eine wunderbare Ergänzung zum Rest des Buches, nach dem Motto, sie werden hier alles zwischen zwei Buchdeckeln haben.
Falafel mit Humus, Auberginenpüree, persisches Zucchini-Omelett, Bulgursalat, Linsenbällchen mit Joghurtsauce oder Fladenbrot mit Olivenöl, das mit einer Gewürzmischung versehen wird. All das klingt arg verlockend. Griechische Teigtaschen mit Spinat-Fenchel-Füllung oder die herrlichen knusprigen Teigröllchen mit Hackfleisch und Spinat-Feta-Füllung und letztlich gefüllte Datteln, all das macht klar: Man sollte unbedingt mal wieder ein Essen für Freude ausrichten.
»Zur Mezze gehört für mich auch, mit den Händen bzw. mit dem Fladenbrot zu essen – sich ein Stück Fladenbrot schnappen, und damit einfach nach Herzenslust wickeln und dippen.« Kommen Sie auch gerade auf den Geschmack?
Unterbrochen werden die anregend illustrierten Seiten durch Interviews mit versierten Köchen und Köchinnen. So wie Rafik Halabi, der Foodblogger, Foodstylist, Rezeptentwickler und Fotograf ist. Für ihn gehört auch ein perfektes Hummus auf den Tisch.
Ebenso lockern kurze Texte der Autorin, gelernte Köchin und Betriebswirtin die Rezeptangebote auf. Übrigens ist Susann Kreihe auch als Ghostwriterin für bekannte Spitzenköche tätig. Und auf www.gerichte-werkstatt.de erfährt man so manches über Kochen und Genießen, ein weites Feld.
Übrigens: Das Buch nimmt natürlich ein süßes Ende, die Highlights aus dem Mittelmeerraum von Churros mit Sesam-Honig und der unsterblichen Crema catalana.
Ein dickes Buch, ein sehr umfangreiches Buch, ein nicht ganz preiswertes Buch und: ein Buch ohne Fotografien. Das hört sich zunächst nach einer Aufzählung von Nachteilen an, aber: Dieses in der Tat sehr umfangreiche Buch mit seinen 352 Seiten, es ist eine bemerkenswert üppige Sammlung an Küchenkräuter-Porträts; über sie alles Wissenswerte, natürlich auch über Anbau, Verwendung, Aussehen oder das Sammeln der Kräuter sowie deren Haltbarmachung. Unzählige Tipps und Ratschläge – verwoben zu einer wunderbaren Kräuter-Porträt-Sammlung. Selbstverständlich dürfen die Gerichte, denen die vorgestellten Kräuter etwas Unverwechselbares verleihen, nicht fehlen. Auch hier ein reichhaltiges Angebot: 250 Rezepte, in denen die kleinen und oft unscheinbaren Kräuterwunder die Hauptrolle spielen.
»An Kräutern fasziniert mich besonders ihre Vielseitigkeit«, schreibt Jekka McVicar, die bekannteste Kräuterexpertin Großbritanniens. »Obwohl sie seit Jahrhunderten zur Menschheitsgeschichte gehören, kennen wir oft immer noch nicht ihr Potential. Sie aromatisieren nicht nur Gerichte, sondern sind auch gut für die Verdauung, haben medizinische Wirkung und dienen gelegentlich auch als Hausmittel.« Das Spektrum ist also breit, das Porträt der kleinen Pflanzen sehr reich an Perspektiven.
Von A, wie Afrikanischem Rosmarin, bis Z, wie Zitronenverbene, es ist alles dabei, neben den bekannten Kräutern wie Basilikum, Dill, Anis, Koriander, Minze oder Lavendel, aber auch Namen, die mir jedenfalls unbekannt waren: Guter Heinrich zum Beispiel, auch bekannt als wilder Spinat. »Guter Heinrich war über Hunderte von Jahren eine gebräuchliche Küchenpflanze. Traditionell wurden die Blätter gekocht und mit einem Klecks Butter gegessen, die jungen Blütenknospen kamen in den Salat und die Samen gab man in die Hafergrütze oder getrocknet und gemahlen ins Mehl zum Brotbacken.« Viel Eisen enthält der Gute Heinrich, Calcium und Vitamin B1 und C. Eine in Grüntönen gehaltene Illustration zeigt mir den Guten Heinrich in Blatt und Blüte, aber ich gebe ehrlich zu: Mit einem Foto hätte ich mehr Vertrauen, besonders bei all jenen Kräutern, die ich auch selbst sammeln kann und nicht anbaue.
Es erinnert mich an meine Kindheit, als ich mit meinem Vater Pilze sammeln ging und meine fürsorgliche Mutter nach unserer Rückkehr mit spärlicher Beute, da mein Vater nur Steinpilze und Maronen kannte, stets noch schnell zum Bauern im Dorf ging und lieber noch mal drüber schauen ließ …
Die »Queen of Herbs«, wie Jamie Oliver die Autorin im Vorwort liebevoll und voller Respekt nennt, sie hat eine unglaubliche Fleißarbeit geleistet: Diese Sammlung ist nicht nur ein Kochbuch, es ist auch ein Nachschlagewerk, ein Lehrbuch, eine Fundgrube an Kräuter-Schätzen für tägliches Essen, zum Blättern und Stöbern.
Auch Ysop, ich muss es gestehen, kannte ich nicht, auch als Josefskraut bekannt, aber höchst spannend zu lesen, dass schon Hippocrates Ysop gegen Atembeschwerden nutzte. Interessante Rezepte mit Ysop folgen: geröstete Pastinaken mit Ysop und Datteln, Spanische Ysop Tortillas oder Fischpuffer mit Ysop.
Schon seit Jahrzehnten betreibt Jekka McVicar eine ökologische Kräutergärtnerei und hat für ihre Arbeit schon viele, viele Male eine Goldmedaille gewonnen. Also: Die Frau weiß, wovon sie spricht, da ist viel Wissen, noch mehr Erfahrung und ein Schatz an Rezepten und Möglichkeiten. Das Schöne: Altes und Neues mischt sich, unter den Rezepten ist Großmutters Sauerampfersuppe genauso wie ein Pimpinellen Sommer-Cocktail für die Gartenparty.
Ein von der Aufmachung her sehr ästhetisches und anmutiges Buch, der absolut passende Rahmen für sonst oft unbeachtete Kräuter, in dezenten Farben und schlichtem Layout gehalten, ein Buch, das keine Frage rund um Küchenkräuter offenlässt; wenn es doch nur auch kleine Porträtfotos gegeben hätte.
Titelangaben
Susann Kreihe: Tapas meet Mezze
65 Köstlichkeiten
München: Christian Verlag 2023
ISBN: 9783959617819
160 Seiten 24,99 Euro
Jekka McVicar: Das besondere Kräuterkochbuch
München: Prestel Verlag 2023
ISBN: 9783791389585
352 Seiten, 34 Euro