Klar, es ist ein Lehrbuch, dazu gehören Texte, verschiedene Kapitel, ein guter Aufbau, Lernziele. Was aber bei diesem Buch sofort und ohne Umwege ins Auge fällt, das sind die fantastischen Aufnahmen aus Wald und Wäldern. Also irgendwie auch ein Bildband, nicht nur ein Lehrbuch. BARBARA WEGMANN hat sich durchs Fotoalbum geblättert.
Magisch, zauberhaft, entrückt wirken sie, all diese Bilder mit Bäumen, diese Wald- Einblicke. Verschiedene Jahreszeiten, verschiedene Lichtverhältnisse, ganz unterschiedliche Perspektiven, eine Spielerei mit Technik und Einstellungen, mit Blickwinkeln und waldreichen Motiven ohne Ende. Und eine ganz individuelle Bearbeitung: dieses Buch präsentiert Wald und Bäume, gesehen auf ganz individuelle Weise, betörend schön, Fotografien, die wie ein Sog sind, die fesseln und die sofort die Fantasie wachrufen, sofort beginnen, Geschichten zu erzählen, Erinnerungen wachzurufen, Wald, das ist ein magischer Raum. »Wälder sind die vielleicht schönsten Motive der Landschaftsfotografie.« Sie seien, so heißt es im Vorwort, die einzigen Landschaften, die vollständig von lebenden Wesen geformt werden. Und mit der Kunst der Fotografie wolle man nicht nur die Seele des Waldes einfangen, sondern auch die eigene, denn »ohne den Künstler gibt es keine Kunst.«
Also: Allein das Blättern in diesem Bildband ist ein Genuss. Und dann kommt das Lehrbuch, geeignet für Waldliebhaber und Amateurfotografen. Vier große Kapitel sind es, die Vision, die Vorbereitung, das Fotografieren selbst und schließlich die Nachbereitung.
Was dieses Buch so spannend macht ist die Tatsache, dass hier Fotografie nicht als dokumentarisches Mittel angesehen wird, sondern als kreatives, als künstlerisches Mittel der Darstellung, das Motiv wird interpretiert. Mehrere Faktoren treffen schon hier aufeinander: Zum einen der persönliche Geschmack, die eigene Sichtweise. »All unsere Vorlieben, Erfahrungen, Charakterzüge, aber auch die Dinge, die wir nicht mögen, beeinflussen unser Bild. Jeder von uns reagiert ganz individuell auf Dinge, die im Prinzip neutral sind.« Dann kommt sicher die Intensität der Nachbearbeitung. Nachbearbeitung sei ein Muss in der digitalen Fotografie, sagen die Autoren, aber es liege in ganz individueller Entscheidung, wann es genug sei. »Es ist nie genug. Ein Foto kann fertig sein, so wie auch ein Maler eines Tages den Pinsel zur Seite legt, doch es gibt immer einen nächsten Tag, an dem der Maler oder Fotograf es sich anders überlegt.«
Die Kunst, die eigene Vision umzusetzen, ein Prozess, der Tage oder nur Momente dauern kann. Vieles hat mit Gefühlen, Empfindungen, der Intuition zu tun, vieles aber auch mit der Ausrüstung, den vielfältigen technischen Möglichkeiten der Nachbearbeitung. All das spricht das Buch an, stellt Möglichkeiten verständlich vor, belegt sie mit Bildern nachvollziehbar und anschaulich.
Durch die gut 200 Seiten führen zwei absolute Profis: Ellen Borggreves Herz gehört seit Jahren dem Wald, Dozentin ist sie und seit zwei Jahren gehört sie zum Kreis der »25 besten Landschaftsfotografen aller Zeiten«. Gleichermaßen ein Wald-Freak ist Daniël Laan.
Derart gut begleitet fühlt man sich als Amateurfotograf und, versteht sich, als Waldliebhaber, in diesem Buch bestens aufgehoben und angeleitet. Also: Tasche packen und auf in den Wald. »Um das fotografische Potential eines Waldes verlässlich beurteilen zu können, sollte man ihn vorab gut erkunden. Dazu ist ein bewölkter Tag perfekt, denn bei grellem Sonnenschein ist es unmöglich, die eigentliche Struktur eines Waldes zu erkennen.«
Titelangaben
Ellen Borggreve/ Daniël Laan: Wälder fotografieren
Praxisbuch
Stimmungsvolle und märchenhafte Fotos zu jeder Jahreszeit
Heidelberg: dpunkt.verlag 2021
222 Seiten 32,90 Euro
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