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Wie leben die Tiere auf dem Bauernhof?

Kinderbuch | Lena Zeise: Das wahre Leben der Bauernhoftiere

Früher hatten es die Tiere besser. Lebten draußen, rannten herum, wie sie wollten, waren in der Natur. Mit dem Ansteigen der Bevölkerung stieg auch die Nachfrage nach Lebensmitteln, vor allem nach billigen. Und heute sind es oft keine Bauern mehr, die uns mit Fleisch, Milch und Eiern versorgen, sondern es ist eine Industrie, die Lebensmittelindustrie. Aber wie geht es den Tieren jetzt? Ein neues Sachbilderbuch stellt ihr Leben dar. Von GEORG PATZER

Wahre Leben der BauernhoftiereSalami, Butter, Eier, Joghurt, Weingummi, Schokolade, Käse … das alles kommt aus dem Supermarkt. Eigentlich ja nicht, nur blenden wir das aus: Es kommt von Tieren, die wir Nutztiere nennen, weil sie uns nutzen. Oder, weil wir sie ausnutzen? Seit ein paar Jahren ist die vegane Ernährung zu einer richtigen Welle angeschwollen, viele, vor allem jüngere Menschen ernähren sich vegetarisch oder sogar vegan, aus moralischen, ethischen oder ökologischen Gründen oder aus einer Mischung von allen drei. Immer wieder gibt es Videos von Tierschützern, die sich in Ställe einschleichen und filmen, welches Elend sie da sehen. Bei Ställen denke ich an meine Kindheit, als ich zu den Kühen meines Großvaters ging, vor allem im Winter war es da sehr warm und gemütlich, und auch die Kühe waren irgendwie gemütlich. Oder ich denke an meine Nachbarn Franz-Josef und Magda, die ihre Kühe über die Straße auf die Weide hinter dem Bahndamm trieben. Was die Tierschützer heimlich filmen, hat damit nicht das Geringste zu tun. Es sind keine Ställe, es sind Industrieanlagen, in denen Tiere unter schlimmsten Bedingungen leben.

Ein neues Sachbilderbuch von Lena Zeise trägt den Titel »Das wahre Leben der Bauernhoftiere«. Natürlich zeigt es keine brutalen Bilder, nicht die schlimmsten Auswüchse. Sein Ziel ist auch nicht die Anklage, sondern, den Unterschied zwischen der Werbung von glücklichen Kühen auf der Wiese und der Wirklichkeit der Kühe im Stall aufzuzeigen. Die stehen nämlich meist im Stall auf Holzbohlen: »Durch die Spalten im Boden fallen Kot und Urin, genau wie in den meisten Schweineställen.« Zeise fährt fort: »Am wohlsten fühlen sich Rinder, wenn sie genug Platz haben und der Boden mit Stroh oder etwas Ähnlichem eingestreut ist. Zusätzlich lieben sie es, auf der grünen Wiese zu weiden. Aber die meisten müssen im Stall bleiben. Manche werden sogar angebunden und können nur stehen oder liegen.« So sachlich und knapp ist ihr Ton, die Anklage dahinter muss man sich dann selber denken. Begleitet wird es mit etwas geschönten realistischen Bildern, die die Tiere in ihrer Umwelt zeigen.

Knapp sind auch die Informationen, die sie gibt: »Auf den Höfen gibt es entweder vollautomatische Melkroboter oder die Kühe werden zu mehreren in Melkständen gemolken.« So erzählt sie auch von den Kälbern, die nur sehr kurz bei ihren Müttern bleiben, von den Schweinen, die in kleinen Boxen leben und nur sehr wenig Platz haben und für die eigentlich »Spielzeug in den Ställen Pflicht« ist, weil sie intelligent sind und sich schnell langweilen. Von den Hühnern in Bodenhaltung: »Dabei drängen sie sich mit mehreren Tausend, manchmal zehntausend anderen Hühnern in großen Hallen. Bis zu neun Hühner müssen sich einen Quadratmeter teilen.« Nur bei der ökologischen und der Freilandhaltung dürfen sie auch nach draußen.

Die Kapitel über die Schweine und die Hühner schließt sie jeweils mit dem Hinweis auf die Lebensdauer ab: Mastrinder werden nach eineinhalb Jahren geschlachtet, Milchkühe nach viereinhalb Jahren, »weil sie dann nicht mehr genügend Milch geben. Ein Rind könnte normalerweise 20 Jahre alt werden.« Schweine haben nach sechs bis acht Monaten ihr Schlachtgewicht von 100 bis 120 Kilo erreicht, Zuchtsauen werden nach drei Jahren geschlachtet: »Ein Schwein könnte normalerweise 12 bis 15 Jahre leben.«

Das eher zurückhaltende Bilderbuch erzählt auch von den Tiertransporten und verweist dabei auf den Stress, die Enge, Unruhe, Hitze und Kälte, unter denen die Tiere leiden, wenn sie manchmal mehrfach quer durch Europa oder Deutschland gekarrt werden: »Wenn die Tiere in einer Region aufgezogen und geschlachtet werden, ist ihr Fleisch teurer. Aber es ist besser für sie, weil sie keine langen Transporte durchstehen müssen.« Und sie verweist auf die weltweiten Zusammenhänge: »Wenn wir auf unserem Essenstisch viel Wurst und Fleisch stehen haben, müssen irgendwo in einem großen oder kleinen Betrieb mehr Tiere dafür aufwachsen. Wenn es mehr Nutztiere in Großbetrieben gibt, muss irgendwo ganz woanders auf der Welt mehr Futter für sie angebaut werden. Für Futtermittel wie Soja, das vor allem in Südamerika angebaut wird, werden große Flächen Regenwald gerodet. Alles hängt miteinander zusammen.«

Ökologie und Politik

Den Schluss machen einige Seiten über die ökologische Tierhaltung. Und da sind die Bilder so, wie wir sie aus der Werbung kennen: Grüne Wiesen, herumstreunende Hühner, Kühe mit ihren Kälbern, die an ihnen säugen, neugierige Schweinchen. Zeise schreibt aber auch, dass auf Bio-Höfen nicht so viele Tiere gehalten werden können, das Fleisch deswegen teurer ist. Und es folgt der Appell, dass wir durch das Kaufen mitentscheiden, wie es den Tieren vorher ging: »Was wir täglich auf unserem Tisch sehen, ist nur das Ergebnis. Den Anfang hat es auf einem Bauernhof oder in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb genommen.«

Es ist also ein aufklärerisches Sachbilderbuch, das (fast) ohne moralischen Zeigefinger auskommt und uns auf das Leben der Tiere aufmerksam macht und auf die Rolle, die wir dabei spielen. Immer wieder wird angedeutet, dass das Fleisch, der Käse, die Eier von Biohöfen teurer sind, weil die Kosten einfach höher und die Erträge niedriger sind.

Was fehlt, ist der Hinweis auf die Politik, die daran nichts ändern will, weil die Landwirtschaftslobby zu stark ist oder die zuständige Ministerin einfach keine Lust dazu hat. Man weiß das nicht genau, man sieht nur an ihren Beschlüssen, dass sie nichts tun will. Nicht einmal bei der Kennzeichnung der Waren im Supermarkt, die es den Menschen bei einer Ampelkennzeichnung (rot ist schlecht, grün ist gut, mal vereinfacht gesagt) einfacher machen würde.

Die Ministerin setzt darauf, dass die Lebensmittelindustrie das von selber macht. Aber diese denkt nicht daran, weil sie das beim Geschäftemachen stört.

| GEORG PATZER

Titelangaben
Lena Zeise: Das wahre Leben der Bauernhoftiere
Leipzig: Klett Kinderbuch 2020
40 Seiten, 16 Euro
Kinderbuch ab 7 Jahren
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