Die japanische Bibelexegese des kleinen Mannes

Digitales | Games: El Shaddai – Ascension of the Metatron

Style über Substanz? Das Videospiel als Jahrmarktattraktion? Oder doch wieder die alte Kunstdebatte? RUDOLF INDERST wirft einen Blick auf ›El Shaddai: Ascension of the Metatron‹.

El ShaddaiIn ›El Shaddai: Ascension of the Metatron‹ erleben Spielerinnen die Geschichte eines einsamen Kämpfers, dessen Aufgabe nichts weniger als die Rettung der menschlichen Rasse ist. Der Titel spielt in einer Welt voller Tumulte und kriegerischer Auseinandersetzungen, in der eine Reihe von Engeln namens Grigori die Herrschaft ausübt. Ursprünglich waren diese himmlischen Wesen Diener Gottes und wachten über die Menschheit. Doch eines Tages erlagen sie der Versuchung und verließen den Himmel, um auf der Erde unter den Menschen zu leben.

Doch die Grigori übten einen negativen Einfluss auf die Menschheit aus und errichteten zudem mit dem Turm zu Babel ein blasphemisches Denkmal zu ihren eigenen Ehren. Folglich beschloss der himmlische Rat, eine große Flut über die Erde zu schicken, um sowohl diese Engel als auch die Menschheit auszulöschen. Gegen diesen Plan der göttlichen Herrscher erhob sich nur eine Stimme: Enoch, ein Mensch, der als bescheidener Schriftgelehrter im Himmel seinen Dienst erfüllte. Enoch erwirkt einen Handel: Gelingt es ihm, die abtrünnigen Engel einzufangen, verzichten die Götter auf ihre Bestrafung. Und damit beginnt das abenteuerliche Geschehen von El Shaddai und seinen insgesamt zwölf Missionen.

Sich des Kulturschatzes bedienen

Recht konsequent bedient sich das Entwicklerteam aus angeblich gemeinsamen Fundament Europas – der Bibel. Aber auch eine gehörige Portion Judentum steckt in der Plastikhülle:: Aber kann das jemanden ernsthaft verwundern? Haben wir nicht schon in ›Knights Contract‹ als Ritter Heinrich mit der Hexe Gretel den irren Dr. Faust in die Schranken verwiesen? Stecken nicht in so manchem ›Final Fantasy‹ der grimmige Nietzsche und seine Denke? Warum sollte man sich also zurückhalten. Epischer Stoff in Hülle und Fülle – Zugreifen ist praktisch schon Pflicht!

Abgesehen vom »Lichtbringer« und dem Turm zu Babel spendierten die Coder dem Titel zudem einen recht individuellen Look: »It’s a little more art-house. The first market are enthusiast gamers, people who have played Bayonetta or Okami, but also anime fans, which… people forget the popularity of things like Evangelion or Studio Ghibli. We do mainly want hardcore enthusiast gamers to find it first, but we do have an easy mode we think non-traditional gamers will like«, meint Shane Bettenhausen von Ignition Entertainment dazu in einem Interview mit Gamasutra.

Der leichtfüßige Grafikstil begleitet den Wechsel von 2D zu 3D-Passagen, der glasklare, manchmal pathetische Soundtrack erfüllt die Ohren der Spielerinnen mit Freude. 10 Stunden soll die Kampagne in etwa dauern – reichlich Zeit, um einen eigenen Spielfluss zu entwickeln, der es erlaubt, sich auf das Dahinter, das Kampfabseits, einzulassen, das man etwas hilflos und plump als surreal oder abstrakt bezeichnen könnte. Andererseits würde man damit indirekt zugeben, dass man Spiele wie ›Battlefield 3‹, ›Fifa 12‹ oder ›Forza 4‹ für etwas hält, das in einem höheren Maße Realität abbildet. Eigentlich zum Schmunzeln.

| RUDOLF INDERST

Titelangaben
El Shaddai: Ascension of the Metatron
Developer: Ignition Tokyo
Publisher: Ignition Entertainment
Erhältlich seit 9.9.2011

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Fremd bin ich eingezogen

Nächster Artikel

Anpfiff bei TITEL!

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

»Bwaaraah« – Karnickel, Klempner und der Wahnsinn

Digitales | Games: Mario+Rabbids – Kingdom Battle Zusammen haben wir mehr Erfolg – das ist zumindest gängige Ansicht in der Popkultur. Im Kino tun sich die Superhelden gleich dutzendweise zusammen, um vierteljährlich ein Actionfeuerwerk abzuliefern. Dem Beispiel folgten auch Nintendo und Ubisoft, als die Entscheidung fiel, deren kindgerechte Sympathieträger gemeinsame Sache machen zu lassen. FLORIAN RUSTEBERG ließ sich in die durchgeknallte Welt von ›Mario+Rabbids – Kingdom Battle‹ einsaugen.

Vollbeschäftigung in L.A. – Xenoblade Chroniken

Digitales | Games: Xenoblade Chronicles X Riesige Roboter, Aliens, niedliche Fellknäuel – so lautet die Zutatenliste für ›Xenoblade Chronicles X‹ (XCX). Für ein japanisches Rollenspiel ist das sicherlich kein Novum, dennoch schafft es ›XCX‹, das Genre mit einem einzigartigen Kampfsystem und einem teilweise asynchronen Onlinemodus aufzufrischen. Ob der Spagat zwischen epischer Story und MMORPG gelingt und was das Exklusivspiel auf der Wii U so einzigartig macht, erfahrt ihr in unserem Test. Von PHILIPP LINKE.

Komm später wieder – oder gar nicht

Digitales | Games: Dark Souls Das war es. Nach etwas mehr als 48 Stunden sind ›Dark Souls‹ und ich fertig miteinander. Und das, ohne dass ich den Abspann des Rollenspiels gesehen hätte. Denn ich habe es nicht geschafft, der letzte aller Gegner bleibt unbesiegt stehen. Und VOLKER BONACKER ist nicht im Mindesten unglücklich darüber.

Viele Beine, viele Zähne

Digitales | Games: Valve: Alien Swarm Space Marines haben Hochkonjunktur, ob als messianischer Heilsbringer in Hightech-Rüstung (›Halo‹), schnodderiges Alienfutter (›Aliens – Die Rückkehr‹) oder stummer Schrotflintenträger (›DOOM‹ u. ›Quake II‹). In Valves gratis Top-down-shooter bekommt man schnodderige Marines in Hightech-Rüstungen und eine Busladung voller Waffen, die an dem namensgebenden Schwarm ausprobiert werden wollen. PETER KLEMENT ist in den Raumanzug geklettert, um eine unheimliche Begegnung der dritten Art Mores zu lehren.

Die Rückkehr der Zinnfiguren

Digitales | Essay: Über den Reiz von ›World of Tanks‹ Rechnet man die Kampfpanzer im Dienst der Armeen weltweit zusammen, dann kommt man auf die Zahl von 110.250 aktiven Panzern. Geht man davon aus, dass ein solcher Panzer im Schnitt vier Mann Besatzung hat, dann gibt es derzeit ca. 441.000 Soldaten, die hauptberuflich Panzer fahren. Mit Ausbildern und Reservecrews kommt man dann vielleicht auf eine halbe Million Panzerfahrer. Das klingt viel, ist aber kein Vergleich zur Anzahl der virtuellen Panzerfahrer. Ein Essay von JULIAN KÖCK.