New York, Mutant City

Digitales | Games: Prototype 2

Was New York in Videospielen schon alles durchmachen musste: in ›Crysis 2‹ bedroht durch eine Alien-Meute, in ›Enslaved: Odyssey to the West‹ komplett zerstört und wieder von der Natur beherrscht, korrupte Polizisten und dunkle Mächte in ›Max Payne‹ und ›The Darkness‹ – da können auch regelmäßig auftretende Superhelden wie Spider-Man kaum genug Ordnung in die Millionenstadt bringen. ›Prototype 2‹ schlägt da in die gleiche Kerbe und verseucht ganz New York mit einem gefährlichen Virus. NORMAN VOLKMANN ist mittendrin und macht keine Anstalten das Chaos einzudämmen.

Prototype 2Chaos ist das beherrschende Element in ›Prototype 2‹. Das Blacklight-Virus, das die Menschen wahlweise zu Zombies macht oder ihnen zu übermenschlichen Fähigkeiten verhilft, wütet noch immer – der Hauptcharakter des ersten Teils, Alex Mercer, der schon im ersten Teil kein Sympathieträger war, ist jetzt endgültig zum Bösewicht mutiert. Besonders für James Heller, den ich im zweiten Teil von Prototype steuere. Der ist davon überzeugt, dass der Tod von Frau und Tochter auf Mercers Kappe geht. Mit Rache im Sinn lässt er sich in den gefährlichsten Teil der Stadt, nach Manhattan in die Rote Zone, versetzen. Auch wenn es nicht lange dauert, bis er Mercer zum ersten Mal trifft, statt Rache bekommt er selbst das Virus – infiziert von Mercer höchstpersönlich, versteht sich.

Mann ohne Gewissen

Im weiteren Verlauf des Spiels rückt neben Mercer aber vor allem Blacknet in den Fokus. Die Organisation soll das Virus erforschen, die Bürger schützen und einen Gegenvirus entwickeln. Heller muss am eigenen Körper erfahren, dass die Organisation nicht nur zum Schutz der Bürger in der Stadt aktiv ist, sondern auch selbst Experimente an Infizierten und Zivilisten durchführt.

Heller wird in diversen Missionen angehalten genau das zu verhindern, eine klare Grenze zwischen Gut und Böse will und kann der Titel dennoch nicht ziehen. Während der Gefechte gegen Supersoldaten und Infizierten sterben die Zivilisten nämlich wie die Fliegen – im späteren Verlauf kann man sie sogar als Bio-Bomben nutzen. Durch den Tod seiner Familie getrieben, agiert Heller eher als Egoist, statt als Held. Gegen Ende des Spiels wird versucht, ihn doch noch als Mann mit Gewissen zu präsentieren: Einen Soldaten verschont er, als er überhört wie dieser selbst gerade mit seiner Tochter telefoniert.

Stellenweise kommt Prototype 2 wie ein Action-B-Movie aus den 80ern daher. Harte Militärkerle, die noch härtere Sprüche raushauen und streng nach der Devise »kicking ass and taking names« arbeiten. Das ist bis zu einem gewissen Grad witzig und bringt der faden Handlung des Spiels etwas mehr Schwung, im letzten Drittel des Spiels haben aber selbst die derbsten Sprüche an Frische verloren. Ständig neue Mutationen seines Körpers lösen keine persönliche Evolution des Hauptcharakters aus: Klingenarme, Panzer zerdeppern und riesige Monster besiegen haben den Soldaten nicht reifen lassen.

Wo Handlung und Missionsdesign (Basis infiltrieren, Forscher absorbieren, Soldaten/Infizierte töten), trotz sehr gelungener Präsentation der Einspieler, die klaren Schwächen des Titels sind, bestimmen Steuerung, Action und fortschreitende Mutationen den Spielspaß in ›Prototype 2‹. Die Fortbewegung durch das virtuelle New York geht leicht von der Hand und gelingt bisher nur Spider-Man geschmeidiger – dafür wirkt die Stadt hier einfach lebendiger. In den Straßen kämpfen ständig Soldaten gegen die Flut von Infizierten, Zivilisten protestieren gegen die Besatzung von Blacknet oder verstecken sich auf Dächern vor den Gefahren. Ist ein Alarm ausgelöst, stürmen Soldaten, Panzer und Hubschrauber auf mich zu, überall rumst, kracht und explodiert es.

Die Mutationen verschaffen einen großen Vorteil im Kampf, so verwandelt Heller Hubschrauber mit einem gepflegten Aufwärtshaken mal eben in einen Feuerball oder reißt Panzer auseinander. Auch wenn die Handlung nicht fesseln kann und Missionen immer nach einem Schema ablaufen, die Kämpfe sind toll inszeniert, die Mutationen bringen verschiedene taktische Vorteile gegen unterschiedliche Gegnergruppen und die stetige Entwicklung der Fähigkeiten motivieren, auch auf lange Sicht weiterzuspielen.

| NORMAN VOLKMANN

Titelangaben
Prototype 2
Genre: Action
FSK: 18
Veröffentlichungsdatum: bereits erhältlich
Entwickler: Radical Entertainment
Veröffentlicht von: Activision

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Von der Verrohung des Bürgertums

Nächster Artikel

Nicht einmal mehr Bienen sind noch das, was sie waren

Weitere Artikel der Kategorie »Digitale Spiele«

Vom Ende der Einsamkeit

Digitales | Life Is Strange: Before the Storm ›Life is strange: Before the Storm‹ (LiS:BtS) hat die unliebsame und schwierige Aufgabe als Prolog einer doch sehr eigenständigen Geschichte zu fungieren. Die erste Staffel der episodischen Abenteuerserie schloss die Geschichte von Chloe Price und Max Caulfield mit zwei möglichen Enden ab. BtS stellt nun die Beziehung zwischen Chloe und Rachel Amber dar, einer Figur, über die im ersten Teil meist nur gesprochen wurde. Von EVA HENTER-BESTING.

Wächter der Metallfabrik

Digitales | Games: Star Fox Guard Zeitgleich mit dem Hauptspiel ›Star Fox Zero‹ erschien auch der Ableger ›Star Fox Guard‹ (SFG). Die Spiele haben nicht unmittelbar miteinander zu tun, doch teilen sie einige Besatzungsmitglieder. In SFG weist uns Slippy ein – schließlich geht es um die Verteidigung der Metallfabrik seines Onkels. Von PHILIPP LINKE.

Drachen und Diskurse

Digitales | Games: Dragon Age II Großer Hype um nichts? Verdünntes, an den ominösen »Konsolenspieler« angepasstes Fantasy-Epos? Geniale Fortsetzung? Ein Meilenstein queerer Beziehungen im digitalen Spiel? Der Anfang vom Ende des vielleicht wichtigsten Rollenspiel-Studios Bioware? Es wäre untertrieben, zu sagen, dass die Wochen nach der Veröffentlichung des lang erwarteten ›Dragon Age II‹ nicht stürmisch gewesen wären. DENNIS KOGEL über ein vom Spiel-sein gefangenes Spiel.

Der Zauber des Scheiterns

Digitales | Games: Duke Nukem Forever ›Duke Nukem Forever‹ ist nach über einem Jahrzehnt des Wartens nun doch erschienen. Da zu diesem Thema die verschiedensten Köpfe bereits schrieben, will RUDOLF INDERST in diesem Beitrag nur indirekt über das Spiel sprechen – viel lieber möchte er an das Filmprojekt ›The Man Who Killed Don Quixote‹ erinnern.

Ein Showdown mit Spaßfaktor – und dreckig dazu!

Digitales | Game: DiRT Showdown Es ist der endgültige Abgesang auf die spritfressenden Stylepferde der US-Autoindustrie. Und Codemasters setzt diesen mit ›DiRT Showdown‹ ein würdiges Denkmal. Auf-der-rechten-Spur-mit-Muttis-Skoda-Fahrer RUDOLF INDERST setzt sich hinter das Steuer und lässt die AI Blech und Öl schmecken.