Der Bass im Dialog mit dem Orchester

Musik | Arild Andersen: Celebration

Dies ist eine außergewöhnliche CD. Sie ist es zunächst wegen ihrer Besetzung: Ein Solo-Kontrabassist mit einem Jazzorchester ist keine alltägliche Angelegenheit. Und sie ist es wegen des Repertoires: Nicht die Stücke eines Komponisten sind hier zusammengestellt, sondern Stücke eines Labels, des Labels, auf dem auch die CD selbst erschienen ist, ECM. Von THOMAS ROTHSCHILD

Arild AndersenUnd in der Tat ist ECM im Laufe der Jahrzehnte zu einer Fundgrube wunderbarer Melodien geworden. Ob von Dave Holland oder von Jan Garbarek, ob von Chick Corea oder von Trygve Seim, ob von Arild Andersen oder von Keith Jarrett – jede einzelne Komposition dieser CD hat Eigenart und Profil, jede, außer vielleicht Independency vom Solisten des Projekts, hat liedhaften Charakter. Das abschließende Stück von Keith Jarrett heißt auch so: My Song.

Der Solist ist Arild Andersen und er gehört von Anfang an zum Ensemble der ECM-Künstler, in dem es an großen Kontrabassisten nicht mangelt. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass der Produzent Manfred Eicher in seiner Jugend selbst dieses Instrument gespielt hat. Andersen hat im Lauf der Jahre in sehr unterschiedlichen Formationen mitgewirkt. Diesmal musiziert mit ihm das Scottish National Jazz Orchestra, geleitet von dem Saxophonisten Tommy Smith. Was diese CD neben Besetzung und Repertoire auszeichnet, sind die hervorragenden Arrangements. Die gehen weit über die übliche Big Band-Routine hinaus. Die Handschriften bei den einzelnen Titeln unterscheiden sich beträchtlich, aber in ihrer Gesamtheit kann man durchaus von einer stilistischen Einheit sprechen.

Eröffnet wird die CD mit May Dance, ein Tanz fürwahr, der vom ersten Takt an in seinen Bann schlägt. Das war eine gute Wahl für den Opener. Die Komposition stammt von einem anderen großen Kontrabassisten aus dem ECM-Umfeld, von Dave Holland. Sie haben musikalisch etwas zu sagen, diese Herren im Hintergrund, die man meist nicht bewusst wahrnimmt, die in den ersten Jahrzehnten des Jazz eher abwertend als Teil der Rhythmusgruppe registriert wurden, und die doch weitaus mehr können als ein paar Töne zupfen. Es ist wie im Gespräch: Es sind nicht unbedingt die Lautesten, die das Gescheiteste mitzuteilen haben.

Die CD wurde live in Glasgow aufgenommen. Das kommt der Atmosphäre zugute. Auf den Schrei eines Zuhörers, der es beim Zuhören nicht belassen mag, könnte man verzichten.

| THOMAS ROTHSCHILD

Titelangaben
Label: ECM Records (Universal)

Ihre Meinung

Your email address will not be published.

Voriger Artikel

Einer gegen die Gruppendynamik oder Kafka lebt

Nächster Artikel

Phantomschmerz verfeindeter Völker

Weitere Artikel der Kategorie »Platte«

The New Sound Of Ambient

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world

With much of the world in lockdown, news headlines seemingly taken from a bad sci-fi flick, and many of us experiencing some form of anxiety, right now we need a sense of calm more than ever. Ambient music can get a bad press but, when done right, it can transport the listener to a far better place. By JOHN BITTLES .

10 Reasons To Get Out Of Bed In The Morning

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world As we’ve started our journey into 2018 it seems only fitting to look back and pay tribute to the great music which excited our ears over the past year. While it seemed as if most of the world went mad in 2017, there was at least a constant supply of great new music which made getting out of bed and engaging with humanity seem worthwhile. By JOHN BITTLES

Underworld – Barbara Barbara, we face a shining future: Album review

Music | Bittles’ Magazine: The music column from the end of the world After almost three decades in the music business electronic duo Underworld have been reasonably quiet of late. Yet, even though there has been no new Underworld material in the last six years, neither of the duo have been sitting around twiddling their thumbs. Vocalist Karl Hyde has released a pair of albums with ambient icon Brian Eno as well as his debut solo LP Edgeland. Rick Smith, meanwhile has scored both Danny Boyle’s acclaimed Frankenstein production and the film Trance. Together they also directed the music for

Charismatische Wanderer zwischen den Welten

Musik | Ausstellung | Benjamin Sainte-Clementine: I Tell A Fly / Basquiat: Boom For Real Benjamin Sainte-Clementine baut auf seine Intuition. Unberechenbare Freiheit kann erfolgreich sein. Einst schwarzer Underdog gründete Clementine als Musiker, nachdem er bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes einen Auftritt hatte, sein eigenes Label und konnte so unabhängig arbeiten bis zu einem größeren Plattendeal. Von TINA KAROLINA STAUNER

The End – The Doors

Musik | The Doors: The Doors ›The End‹ ist ein wilder Trip durch den Geist von Jim Morrison, der auf einem psychedelischen Klangteppich tief in das Bewusstsein eindringt. MARC HOINKIS begab sich auf die Reise.